Die Liebe ist wichtig, dienlich und ewig

Predigt über 1. Korinther 13 zum Sonntag Estomihi

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Das Hohelied der Liebe“ wird jener berühmte biblische Text genannt, den wir heute als Epistel­lesung gehört haben. Fast scheue ich mich, über diese Worte zu predigen, denn sie sind so großartig und tief­gründig, dass alle weiteren Worte zu ihrer Erklärung sich dagegen dürftig ausnehmen. Trotzdem will ich versuchen, euch mit meiner Predigt das Hohelied der Liebe näher zu bringen – in der Hoffnung, dass ihr es dann für euch selbst immer wieder mit Gewinn lesen und bedenken könnt.

Das Hohelied der Liebe enthält große Worte über ein großes Thema, das Thema Liebe. Mehr als einmal habe ich in meinen Predigten darauf hin­gewiesen, dass mit dem Wörtchen „Liebe“ alles zusammen­gefasst werden kann, was die Bibel uns sagt und was unseren christ­lichen Glauben ausmacht. Mehr noch: Mit dem Wörtchen „Liebe“ lässt sich der Sinn des Lebens zusammen­fassen – unsere ganze menschliche Existenz, wie Gott sie haben möchte.

„Das Hohelied der Liebe“ hat drei Abschnitte, die jeweils etwas Grund­legendes über die Liebe aussagen. Ent­sprechend gliedere ich meine Predigt in die folgenden drei Teile: 1. Die Liebe ist wichtig. 2. Die Liebe ist dienlich. 3. Die Liebe ist ewig.

Die Liebe ist wichtig; sie ist überhaupt dass Aller­wichtigste. Das ist die Botschaft des ersten Abschnitts vom Hohenlied der Liebe, wo es heißt: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen, und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.“

In den Kapiteln davor hat der Apostel Paulus über die Geistes­gaben ge­schrieben: über die Gabe, in unbekannten Sprachen zu reden; über die Gabe, Gottes Wort zu ver­kündigen; über die Gabe, großzügig zu spenden sowie auch über weitere Gaben. In der Christen­gemeinde zu Korinth waren diese Gaben reichlich vertreten, und die Korinther waren auch ziemlich stolz darauf. Es gab ein regel­rechtes Wetteifern um die besten Gaben. Paulus ermutigt die Korinther im Gebrauch dieser von Gott empfangenen Fähig­keiten. Er sagt ihnen aber auch, dass eine bestimmte Gabe alle anderen überragt, dass sie wichtiger ist als alle anderen, und dass alle anderen ohne sie nichts wert sind. Er meint damit die Gabe der Liebe; die Fähigkeit, zu lieben. Ja, die Liebe ist das Aller­wichtigste. Auch wenn jemand alle Sprachen der Welt sprechen könnte und obendrein auch noch die Sprache der Engel, wäre das nichts wert ohne Liebe; es wäre nur ein blechernes Scheppern. Auch wenn jemand große Glaubens­erkenntnis hätte und diese anderen Menschen vermitteln könnte, wäre das nichts wert ohne Liebe. Und auch wenn jemand seinen ganzen Besitz den Armen schenkte und sich für den Dienst an seinen Mitmenschen aufopferte, hätte das keinen Sinn ohne Liebe.

Das galt nicht nur damals, das gilt auch heute. Das gilt nicht nur in Korinth, das gilt auf der ganzen Welt. Das gilt nicht nur in der christ­lichen Gemeinde, das gilt in allen Lebens­bereichen. Das gilt nicht nur für geistliche Gaben, das gilt für sämtliche Fähig­keiten: Ohne Liebe ist alles nichts. Unsere Schüler sollen Fremd­sprachen lernen, Natur­wissenschaf­ten, politische Bildung und Mathematik; aber noch wichtiger ist: Sie sollen lieben lernen. Ein Künstler kann seine Kunst fast bis zur Perfektion treiben und dabei Weltruhm erlangen, wenn er's aber nur tut, um bewundert zu werden, und nicht aus Liebe zu den Menschen, dann ist das ebenfalls nichts wert, dann ist das nur blechernes Scheppern. Ein Unternehmer kann noch so erfolgreich sein und Milliarden er­wirtschaf­ten, wenn er's ohne Liebe zu seinen Kunden und An­gestellten und Geschäfts­partnern tut, dann ist seine Firma in Gottes Augen bankrott. Die Liebe ist das Aller­wichtigste; ohne Liebe ist alles nichts.

Diese Tatsache sollte jeden Menschen ins Nachdenken über sich selbst bringen. Jeder sollte sich fragen: Was zählt in meinem Leben, was ist wirklich wichtig? Bei Gott kommt es letztlich nicht darauf an, wie klug oder wie fleißig ich bin. Bei Gott kommt es letztlich auch nicht darauf an, welche Fähigkeiten und Geistes­gaben ich besitze. Gott fragt letztlich nur danach, ob ich lieben kann. Egal ob jemand Putzfrau ist oder Bundes­kanzlerin, egal ob jemand LKW fährt oder einen Großkonzern lenkt, wichtig ist dabei letztlich nur, dass es mit Liebe geschieht.

Wir kommen zum zweiten Teil vom Hohenlied der Liebe. Ich stelle ihn unter die Über­schrift: Die Liebe ist dienlich. In diesem Abschnitt heißt es: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtig­keit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“

Wenn ihr wissen wollt, was das bedeutet, dann schaut auf Jesus Christus. Jesus hat uns vorgelebt, was Liebe tut. Wir könnten in diesem zweiten Abschnitt vom Hohenlied der Liebe das Wörtchen „Liebe“ durch „Jesus“ ersetzen: „Jesus ist langmütig und freund­lich… Jesus rechnet das Böse nicht zu…“ Jesus ist in die Welt gekommen, um allen Menschen zu dienen; darin zeigt sich seine Liebe. Freilich ist das keine Weichei-Liebe. Wir würden das Hohelied der Liebe miss­verstehen, wenn wir meinten, man müsste sich aus Liebe alles gefallen lassen. Auch Jesus hat sich nicht alles gefallen lassen. Er hat die Händler aus dem Tempel hinaus­geworfen und die Pharisäer wegen ihrer Heuchelei aus­geschimpft. Aber er hat das alles mit Liebe getan, also mit der Absicht, diesen Menschen zu dienen und ihnen zu helfen.

Auch wir sollten unsere Fähigkeit zu lieben in der Weise ausüben und entwickeln, dass wir unseren Mitmenschen wirklich helfen und dienen. Wenn die Bibel von Liebe redet, meint sie in der Regel nicht ein sentimen­tales Gefühl wie Verliebt­heit. Liebe bezeichnet vielmehr eine Grund­haltung anderen Personen gegenüber. Es geht dabei nicht nur um Mann und Frau, auch nicht nur um Verwandte oder Freunde oder Mit­christen, ja nicht einmal nur um Menschen, es geht letztlich um unsere Grund­haltung sowohl Gott als auch den Menschen gegenüber. So möchte Gott uns haben, so finden wir den Sinn unseres Lebens: Wenn unsere Beziehung zu Gott und den Mitmenschen von Liebe bestimmt ist, wenn wir also bereit sind, Gott und unserem Nächsten zu dienen.

Wie gesagt, Jesus hat uns vorgelebt, wie das geht. Und damit finden wir durch Jesus den Vater im Himmel, die Quelle der Liebe. Liebe können wir nicht selbst in uns schaffen, sondern Liebe können wir uns nur von Gott schenken lassen. Gott hat uns seine Liebe durch Jesus geschenkt, nicht nur mit seinem Leben, sondern auch und vor allem mit seinem Sterben am Kreuz. Vor allem bei Jesus am Kreuz finden wir die Liebe, die geduldig alles erträgt und allen Menschen dient, damit sie das ewige Heil finden. Wahre Liebe ist immer dienlich.

Hört nun noch den dritten Abschnitt aus dem Hohenlied der Liebe, der uns zeigt: Die Liebe ist ewig. „Die Liebe hört niemals auf, wo doch das pro­phetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser pro­phetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Voll­kommene, so wird das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

Glaube, Hoffnung, Liebe – wir kennen diesen berühmten Satz von den drei Symbolen her, die als Schmuck­stücke sehr beliebt sind: das Kreuz für den Glauben, der Anker für Hoffnung, das Herz für die Liebe. Der Glaube bleibt insofern, als dass wir im Himmel das schauen dürfen, was wir hier bisher nur glauben können; also eigentlich hört der Glaube dann doch auf, nur das Geglaubte bleibt ewig. Ebenso ist es mit der Hoffnung: Sie bleibt insofern, als dass sich im Himmel unsere größte Hoffnung erfüllen wird; zu hoffen brauchen wir dann allerdings nichts mehr, nur das Erhoffte bleibt ewig. Anders ist es mit der Liebe, der größten Sache von diesen dreien: Sie bleibt ewig, wie sie ist, denn im Himmel werden wir weiter­lieben. Unser Verhältnis zu Gott und unser Verhältnis unter­einander wird auch im Himmel von der Liebe geprägt sein. Ja, die Liebe wird dann sogar noch viel intensiver sein als auf Erden; sie wird dann vollkommen sein. Paulus nennt die Liebe auf Erden „Stück­werk“, die Liebe im Himmel dagegen „das Voll­kommene“. Zwei kleine Gleichnisse fügt er zur Ver­anschau­lichung hinzu: Die Stückwerk­liebe jetzt und die vollkommene Liebe im Himmel sind so ver­schieden, wie sich kindlicher Verstand von erwachsenem Verstand unter­scheidet; oder wie sich das Spiegelbild in einem polierten Stück Metall vom direkten Anblick unter­scheidet.

Die Liebe ist ewig – und zwar nicht nur die Liebe an sich und Gottes Liebe, sondern auch unsere Liebe, mit der wir schon heute lieben. Die Liebe ist das, was von unseren Fähigkeiten und Charakter­eigenschaf­ten ewig bleiben wird, und Gott wird sie einst, in der Ewigkeit, zur Vollkommen­heit veredeln.

Und was bringt uns diese Erkenntnis jetzt? Sie öffnet uns die Augen dafür, dass wir mit der Liebe schon ein Stück Himmel auf Erden haben. Wenn wir aus Gottes Liebe leben und uns selbst im Lieben üben, dann erleben wir damit einen kleine Abglanz der himmlischen Herrlich­keit – zwar nur so, wie das dunkle Bild in einem schlechten Spiegel, aber immerhin ein Bild des Himmels!

Die Liebe ist wichtig, die Liebe ist dienlich, die Liebe ist ewig. Die Liebe ist das Größte und Aller­wichtigste. Gottes Liebe lässt uns leben, sogar ewig leben. Gottes Liebe befähigt uns, dass wir ihn lieben und dass wir auch unsere Mitmenschen lieben können. Alles andere in unserem Leben muss sich solcher Liebe unter­ordnen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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