Ungeheuchelte Liebe in Aktion

Predigt über Römer 12,9‑21 zum 2. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Am vergangenen Sonntag habe ich über den Anfang dieses Kapitels aus dem Römerbrief gepredigt. „Bringt euch selbst als lebendige Opfer für Gott dar“, heißt es da. Was das bedeutet, wird im weiteren Verlauf des Kapitels ausgeführt, besonders in den Versen, die wir eben gehört haben. Wir wollen sie jetzt Schritt für Schritt betrachten. Dazu wiederhole ich das, was ich letzten Sonntag schon gesagt habe: Wer so leben möchte, wie es Gott gefällt, der findet hier guten Rat.

Die Liebe sei ohne Falsch.“ Un­geheuchelt soll unsere Nächsten­liebe sein. Es geht bei der Nächsten­liebe also nicht in erster Linie um ober­flächliche Liebens­würdigkeit, sondern es geht darum, dass wir unseren Mitmenschen echt und ehrlich helfen, ihnen echt und ehrlich Gutes tun. Die folgenden Sätze führen das aus.

Da lesen wir weiter: „Hasst das Böse, hängt dem Guten an.“ Wir wissen ja, was gut und böse ist, wir kennen ja Gottes Gebote. Nun kommt es darauf an, dass wir damit in unserem Verhalten ernst machen. Sollten wir uns also ein bisschen mehr Mühe geben, ein bisschen mehr Gutes tun? Quatsch! Hassen sollen wir das Böse! Von ganzem Herzen verabscheuen sollen wir die Sünde! Sie ist nämlich schreck­lich, sie bringt Tod und Verderben. Und am Guten sollen wir uns mit aller Entschieden­heit fest­klammern – so, als wäre es ein Koffer voller Hundert-Euro-Scheine. Nur nicht nachlässig sein, nur nicht lau sein, nur nicht un­entschieden sein, wenn es um gut und böse geht!

Wir lesen weiter: „Die brüderliche Liebe unter­einander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehr­erbietung zuvor.“ In der allgemeinen Nächsten­liebe hat die „brüder­liche Liebe“ eine heraus­ragende Stellung, also die Liebe, die wir Christen unter­einader haben. An anderer Stelle schrieb der Apostel Paulus: „Lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen“ (Galater 6,10). Wir wollen bedenken: Wir sind Königs­kinder, wir gehören zu Gottes Familie – alle, die wir getauft sind. Da sollten wir einander mit Hochachtung begegnen, und vor allem mit sehr viel Liebe und Zuwendung!

Wir lesen weiter: „Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn.“ Der Heilige Geist hat jedem von uns eine supergute Werkzeug­kiste mit auf den Lebensweg gegeben, das sind unsere Gaben. Da findet nicht jeder dasselbe drin, sondern da gibt es ver­schiedene Talente und Begabungen. Einer kann gut singen, ein anderer kann gut trösten, ein anderer kann gut organi­sieren, ein anderer kann gut rechnen, ein anderer kann gut auf Fremde zugehen, ein anderer kann gut repa­rieren… Dass wir nur nicht faul sind und die Werkzeug­kästen des Heiligen Geistes in der Ecke verstauben lassen! Seid nicht träge, sondern dient dem Herrn! Dient ihm mit Feuereifer, brennt im Geist!

Wir lesen weiter: „Seid fröhlich in Hoffnung.“ Das Menschen­leben ist geprägt von harter Arbeit und viel Kummer, auch das Christen­leben. Trotzdem kann das Christen­leben fröhlich sein, weil wir stets eine wunderbare Hoffnung haben: Die Hoffnung, dass Christus wiederkommt und uns in die ewige Seligkeit holt. Das ist eine Freude, die die Welt nicht geben kann, die sie aber auch mit all ihren Problemen und bei allem Leid nicht wegnehmen kann.

Wir lesen weiter: „Seid geduldig in Trübsal.“ Es geht hier nicht um Wartezimmer-Geduld: dass man einfach stumpfsinnig seine Zeit absitzt, bis man an der Reihe ist. Es geht hier vielmehr um langen Atem, um Glaubens­geduld: Durch alle Tränen­täler, durch alle Trübsal, durch viel Krankheit, durch alles Leid, durch alle Zweifel, durch allen Spott und Verachtung von seiten anderer Menschen, durch alle Ent­täuschun­gen, durch alle Erfolg­losigkeit, durch alle Schwach­heit, durch alles Mitleiden mit anderen Menschen hindurch soll der Glaube seinen langen Atem beweisen, nicht aufhören zu hoffen, nicht aufhören zu suchen, nicht aufhören zu beten; das ist die Geduld, um die es geht.

Wir lesen weiter: „Seid beharrlich im Gebet.“ Wenn man zusammen mit anderen in einem Haushalt lebt und nicht total zerstritten ist, dann redet man täglich mit­einander. Man erzählt sich, was man erlebt hat. Man redet auch davon, worüber man sich gefreut oder geärgert hat, oder wo es gerade weh tut. Das ist in Gottes Haushalt nicht anders. So ist es eigentlich selbst­verständ­lich, dass ein Christ jeden Tag mit seinem himmlischen Vater spricht und mit seinem Bruder Jesus Christus. Es soll eine liebe Gewohnheit sein, denn daran merken wir, dass wir mit Gott Gemein­schaft haben.

Wir lesen weiter: „Nehmt euch der Nöte der Heiligen an.“ Dazu müssen wir diese Nöte freilich erst einmal wahrnehmen. Wir müssen uns füreinander inter­essieren, müssen Augen und Ohren aufsperren: Wo hat einer Not? Wo braucht einer Hilfe? Wo ist einer traurig und einsam? Wo muss einer vor einem gefähr­lichen Weg gewarnt werden?

Wir lesen weiter: „Übt Gast­freund­schaft.“ Da muss ich gestehen: Hier trifft Gottes Wort einen wunden Punkt bei mir. Ich mache lieber die Wohnungstür hinter mir zu und habe meine Ruhe, als dass ich viel Besuch haben möchte. Aber da muss ich mir selbst predigen: Es geht nicht darum, was du haben möchtest, sondern darum, was Gott haben möchte! Und was er haben möchte, das hat er hier schlicht und klar gesagt: „Übt Gast­freund­schaft.“

Wir lesen weiter: „Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht.“ Nicht, dass wir das falsch verstehen: Es geht nicht darum, dass wir als Christen denen, die uns eins auswischen wollen, stets mit mildem Lächeln und segnenden Hand­bewegungen gegenüber­treten. „Segnen“ bedeutet einfach „Gutes wünschen“, „fluchen“ dagegen „Böses wünschen. Also: Wir sollen niemandem etwas Böses wünschen, auch unserem ärgsten Feind nicht. Wir sollen vielmehr allen Menschen nur das Beste wünschen, gleich ob Freund oder Feind. Also nicht: „Fahr zur Hölle!“, auch nicht einmal in den geheimsten Gedanken, sondern: „Fahr zum Himmel!“ Selbst wenn wir mal jemandem die Meinung sagen müssen oder vielleicht sogar gegen ihn prozes­sieren, sollten wir immer noch im Auge behalten, dass er dadurch nicht beschädigt oder kaputt gemacht wird, sondern dass ihm das als erziehe­rische Maßnahme möglicher­weise weiter­hilft.

Wir lesen weiter: „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.“ Für diese Haltung gibt es das schöne Fremdwort „Empathie“, „Mit­gefühl“. Es ist etwas anderes als billiges, ober­flächliches Mitleid. Und wozu soll das gut sein? Die Frage kann sich jeder schnell selbst be­antworten. Stell dir einfach vor, du bist ganz fröhlich, aber die Menschen um dich herum jammern und klagen nur. Und stell dir dann vor, du bist ganz traurig, aber um dich herum werden Witze gerissen und es wird schallend gelacht. Darum: Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.

Wir lesen weiter: „Seid eines Sinnes unter­einander.“ Mit der Bibel als Gottes Wort und mit Jesus als unserem Vorbild ist die wichtigste Voraus­setzung für Ein­mütigkeit unter uns Christen gegeben. Sicher kann es dann noch manchmal Meinungs­verschieden­heiten geben, etwa, ob der Gartenzaun rot oder grün an­gestrichen werden soll, oder ob man besser in der Kirche oder im Gemeinde­saal Gottes­dienst hält, wenn es kalt ist. Aber da kann man drüber reden, da kann man Kompromisse schließen, da kann man sich einigen, da kann man Liebe und Rücksicht und Toleranz walten lassen. Die grund­sätzliche Ein­mütigkeit wird dabei eher gefestigt als in Frage gestellt.

Wir lesen weiter: „Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Geringen. Haltet euch nicht selbst für klug.“ Es geht hier um geistige Demut. Vor Gottes großen Geheim­nissen muss auch der klügste Professor zugeben, dass er geistlich arm ist. Gottes große Geheimnisse können nicht im mensch­lichen Sinne verstanden oder erklärt werden, und schon gar nicht können wir sie beweisen. Das ist auch gar nicht nötig oder von Gott gefordert. Gott möchte, dass wir seine großen Geheimnisse mit kindlichem Glauben einfach akzep­tieren: dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde, dass im Abendmahl Leib und Blut Christi wirklich da sind, dass das Wasser der Taufe wirklich alle Sünden abwäscht…

Und dann ist da noch der letzte Abschnitt in unserem Predigt­text, den wir im Zusammen­hang betrachten wollen. Da steht: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist‘s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht ge­schrieben: Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr. Vielmehr, wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Was hier mit vielen Worten und zwei Zitaten aus dem Alten Testament gesagt ist, das ist das Lebens­prinzip von Jesus selbst. Er hat nur Gutes getan, an Freunden wie an Feinden. Er hat seinen Vater sogar für diejenigen um Vergebung gebeten, die ihn ans Kreuz genagelt haben. Und er hat sich von mir immer noch nicht abgewandt, obwohl ich ihn so oft enttäuscht habe. Ja, er hat mich immer noch lieb, vergibt mir immer wieder und lässt mich Gottes Kind sein. Er beschämt mich mit seiner un­auslösch­lich brennenden Liebe wie mit glühenden Kohlen. In dieser Liebe verbrennt alles, was wir Gott und den Mitmenschen an Liebe schuldig geblieben sind. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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