Zwei Predigten zur Jahres­losung 2010

Predigt über Johannes 14,1 zum Neujahrstag

Liebe Gemeinde!

Das Wort unseres Herrn Jesus Christus, das wir am Anfang eines neuen Jahres als Jahres­losung bedenken, ist eigentlich ein Abschieds­wort. Es leitet die sogenannten Abschieds­reden Jesu ein, die er seinen Jüngern einen Tag vor seinem Kreuzestod sagte. Er sprach zu seinen Jüngern damals und er spricht zu uns, seinen heutigen Jüngern, die Worte: „Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!“

Als ich begann, meine Predigt über dieses Gotteswort vor­zubereiten, da dachte ich: Am liebsten würde ich zwei Predigten darüber halten, eine über die Auf­forderung: „Euer Herz erschrecke nicht!“, die andere über den Satz: „Glaubt an Gott und glaubt an mich.“ Diesen Wunsch erfülle ich mir jetzt und halte hinter­einander zwei Kurz­predigten zur Jahres­losung anstelle einer normal langen Predigt.

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Der Predigttext für meine erste Predigt lautet also: „Unser Herr Jesus Christus spricht: Euer Herz erschrecke nicht.“

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Im griechi­schen Original­text des Neuen Testaments steht für „er­schrecken“ das Wort „taras­sein“. Es ist eine Weiter­entwicklung der klassischen griechi­schen Vokabel „tarattein“ und bedeutet „durch­schütteln“. Man hört es dem Wort förmlich an: „durch­schütteln“, „tarat­tein“, das klingt wie „rattern“. Nun sagt Jesus seinen Jüngern und uns: „Euer Herz soll nicht er­schrecken“, „nicht durch­geschüttelt werden“, „nicht rattern“. Da können uns sogleich Situationen einfallen, wo unser Herz vor Aufregung zu rattern beginnt und durch­geschüttelt wird, weil wir einen Schreck bekommen und Angst haben.

Ein Herz erschreckt zum Beispiel dann und beginnt zu rattern, wenn es vor einer Prüfung steht. Vielleicht warten im neuen Jahr solche Prüfungen auf uns. Der Schüler denkt da zuerst an Klassen­arbeiten, der Student an Examina. Aber auch für ältere Menschen gibt es Prüfungen, sowohl erwartete als auch un­erwartete. So kann es manchmal eine schwierige Prüfung sein, wenn man jemandem etwas Un­angenehmes mitteilen muss. Ja, da kann das Herz dann ganz schön klopfen. Wir können das nicht direkt be­einflussen, wir müssen das Herz dann einfach rattern lassen. Aber wenn dann jemand kommt und hilft, wenn dann jemand beruhigt und Mut macht, dann normali­siert sich der Herzschlag wieder. Auch die Jünger damals standen vor einer schweren Prüfung: Sie sollten noch in derselben Nacht miterleben, wie ihr Meister von seinen Feinden gefangen genommen wurde. Vielleicht ahnten sie das bereits, und ihre Herzen begannen zu rattern. Aber ihr Herr sprach ihnen beruhigend und mutmachend zu: „Euer Herz erschrecke nicht.“ Bedenken wir: Das sagte der, der selbst die schwerste Prüfung vor sich hatte und dessen Herz im Garten Gethsemane am meisten von der Angst durch­geschüttelt wurde! Weil er das auch für uns durch­gemacht hat, sagt er uns heute im Blick auf alle Prüfungen, die 2010 auf uns zukommen, sowohl die erwarteten als auch die un­erwarteten: „Euer Herz erschrecke nicht.“

Ebenfalls erschreckt ein Herz und beginnt zu rattern, wenn wir nachts durch irgend­welche un­gewöhn­lichen Geräusche aufgeweckt werden. Ich habe schon mal erlebt, dass mich mitten in der Nach eine Alarmanlage wach machte, die die Ankunft von Einbrechern vermeldete. Mein Herz, das eben noch im Tiefschlag ruhig und langsam geschlagen hatte, pochte mir nun bis zum Hals. Es war tatsächlich ein Einbrecher gekommen, aber dank der lieben Schutzengel ist die Sache dann noch glimpflich aus­gegangen. Nun hoffe ich, dass euch und mir im neuen Jahr solch unangenehme nächtliche Über­raschungen erspart bleiben werden. Falls aber doch etwas in der Art geschehen sollte, dann vergesst nicht, dass Gottes Schutzengel da sind, und vergesst nicht das Wort unseres Herrn: „Euer Herz erschrecke nicht!“ Auch den Hirten auf den Feldern von Bethlehem klopfte einst das Herz bis zum Halse bei ihrem be­ängsti­genden nächtlichen Erlebnis. Aber der Engel sagte ihnen: „Fürchtet euch nicht!“, genau wie Jesus uns sagt: „Euer Herz erschrecke nicht!“ Dieses göttliche Wort kann machen, dass aus Furcht Freude wird und aus Kleinmut Mut.

Vor allem erschreckt ein Herz dann und beginnt zu rattern, wenn man in Lebens­gefahr gerät. Das wünsche ich natürlich keinem von uns für das neue Jahr – und doch kann es niemand mit Sicherheit aus­schließen. Eine lebens­bedrohliche Krankheit oder ein Unfall können schneller kommen als gedacht. Und keiner von uns hat dann eine Garantie, dass wir aus der Lebens­gefahr lebend heraus­kommen werden: „Meine Zeit steht in deinen Händen“ (Ps. 31,16) – Gott allein hat es in der Hand. Ja, dann pocht und rattert das Herz wie sonst nie zuvor, dann wird es durch­geschüttelt und ist über die Maßen erschreckt. Wie gut ist es dann, nicht allein zu sein. Wie gut, wenn dann jemand auch nur die Hand hält und ein paar tröstende Worte sagt. Aber auch wenn kein Mensch da ist – Jesus Christus ist da. Er weiß, wie dem Sterbenden zumute ist, denn er ist ist ja selbst hindurch­gegangen durch das finstere Tal des Todes. Mehr noch: Er hat den Tod für uns besiegt, damit wir in der letzten Todesangst nicht verzweifeln müssen. Und darum tröstet uns sein auf­munterndes Wort mehr als jedes menschliche Wort. Wir können ihm volles Vertrauen schenken, wenn er uns sagt: „Euer Herz erschrecke nicht.“ Amen.

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Meine Zeit steht in deinen Händen. / Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. / Du gibst Geborgen­heit, du kannst alles wenden. / Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir. (Peter Strauch)

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Der Predigttext für meine zweite Predigt lautet: „Unser Herr Jesus Christus spricht: Glaubt an Gott und glaubt an mich.“

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, so lautet ein bekanntes Sprichwort. Ich habe im Laufe meines bisherigen Lebens die Erfahrung machen müssen, dass es stimmt: Die Menschen sind nur bedingt vertrauens­würdig. Zu Beginn meiner Missionars­zeit in Afrika zum Beispiel hatte ich mit einem anderen Missionaren vereinbart, dass wir in sämtlichen lutheri­schen Gemeinden Botswanas ein neues Aus­bildungs­programm für kirchliche Mitarbeiter bekannt machen – er in der einen Hälfte der Gemeinden, ich in der anderen. Nach einiger Zeit musste ich dann leider fest­stellen, dass in seiner Hälfte der Gemeinden das Programm nach wie vor unbekannt war – er hatte sich offen­sichtlich nicht an unsere Ver­einbarung gehalten. Sicher hat er das nicht mit böser Absicht getan, aber er hat diese Aufgabe wohl einfach nicht auf die Reihe bekommen. So ähnlich habe ich das immer wieder erlebt in meinem Leben: Man kann sich auf die Menschen nicht völlig verlassen; oft vergessen sie Dinge, oder sie irren sich, oder sie machen Fehler. Manchmal wollen sie einen auch absichtlich ärgern und lassen einen deshalb hängen.

Schon im Alten Testament können wir die Lebens­weisheit lesen: „Es ist gut, auf den HERRN vertrauen und nicht sich verlassen auf Menschen“ (Psalm 118,8). Wenn es auch beim Zusammen­leben der Menschen nicht ohne ein gewisses gegen­seitiges Vertrauen geht, so kommt dieses Vertrauen doch schnell an seine Grenzen. Gott dem Herrn aber können und sollen wir unbegrenzt vertrauen. Darum fordert Jesus seine Jünger auf: „Glaubt an Gott!“ Vertraut ihm! Verlasst euch völlig auf den Herrn!

Unmittelbar danach folgt dann das wichtigste Wort in diesem Satz, nämlich das kleine, un­scheinbare Wörtchen „und“: „Glaubt an Gott und glaubt an mich.“ Dieses Wörtchen „und“ hat hier nicht die Funktion, zwei ver­schiedene Dinge zu verbinden, etwa in dem Sinne: „Vertraut erstens Gott, und vertraut dann zweitens auch mir.“ Nein, das Wörtchen „und“ hat hier vielmehr die Funktion eines Gleichheits­zeichens: „Vertraut Gott“ ist gleich­bedeutend mit „Vertraut Jesus“. Man könnte auch übersetzen: „Vertraut Gott, indem ihr mir vertraut.“ Dieses wichtige Wörtchen „und“ macht klar: Jesus-Vertrauen ist Gott­vertrauen, und rechtes Gott­vertrauen muss Jesus-Vertrauen sein. Warum das so ist, das hat Jesus seinen Jüngern in vielen Predigten breit ausgeführt: Wer ihn, Jesus, sieht, der sieht den Vater im Himmel. Wer ihn, Jesus, hört, der hört den Vater im Himmel. Wer an ihn, den Sohn, glaubt, der hat das ewige Leben im Himmel. Ohne ihn, Jesus, findet niemand Zugang zum Vater im Himmel. Und einmal sagte Jesus sogar: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh. 10,30). Jesus und der Vater im Himmel, das sind ja nicht zwei ver­schiedene Wesen, sondern es sind Personen oder Er­scheinungs­weisen des einen, des einzigen wahren Gottes – zusammen mit dem Heiligen Geist, von dem Jesus dann im weiteren Verlauf der Abschieds­reden aus­führlichen spricht.

„Glaubt an Gott und glaubt an mich“ – Vertraut Gott, indem ihr Jesus vertraut! So legt es uns das Wort der Jahreslosung ans unser Herz. Wenn dieses Herz ruhig werden soll bei allem Schrecken der Welt, dann geht das nur durch das Vertrauen in Gott. Menschen kommen schnell an ihre Grenzen, wenn sie einem rasenden Herzen helfen wollen. So wird in der letzten Todesangst alle medi­zinische Hilfe vergeblich sein. Dann erweist es sich als ungeheuer wichtig, dass ein Mensch sich schon vorher ins Gott­vertrauen eingeübt hat: „Es ist gut, auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Menschen.“ Woher aber wissen wir, dass dieser Herr uns nicht im Stich lässt, sondern dass er uns helfen kann und will? Die Antwort ist nicht schwer: Wir wissen es durch Jesus. Wir wissen es durch das, was er auf Erden gesagt und getan hat. Wir wissen es, weil er sein Leben am Kreuz für uns dahin­gegeben hat. Wir wissen es, weil er nach drei Tagen auf­erstanden ist und sich als Sieger über den Tod gezeigt hat. Darum heißt Gott vertrauen Jesus vertrauen. Tun wir‘s doch! Christus spricht: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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