Warten auf den neuen Tag

Predigt über Römer 13,8‑14 zum 1. Advent

Bleibt niemandem etwas schuldig, außer das Einander-Lieben. Wer den Mitmenschen liebt, erfüllt Gottes Gesetz. Denn das „Du sollst nicht ehe­brechen!“, „Du sollst nicht töten!“, „Du sollst nicht stehlen!“, „Du sollst nicht begehren….!“ (und was es sonst noch für ein Gebot gibt), wird in diesem Wort zusammen­gefasst: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses; die Erfüllug von Gottes Gesetz ist also Liebe. Verhaltet euch ent­sprechend, und macht euch dabei bewusst, in was für einer Zeit ihr lebt: Es ist jetzt die Stunde, dass ihr euch vom Schlaf erhebt, denn die Rettung ist nun näher als vorher, als wir zum Glauben kamen. Die Nacht neigt sich ihrem Ende zu, der Tag bricht an. Lasst uns deshalb die Taten der Finsternis ausziehen und die Waffen des Lichts anziehen. Lasst uns unser Leben so führen, wie es zum hellichten Tag passt – also nicht mit Fressen, Saufen, sexueller Aus­schweifung, Luxus, Streit oder Eifersucht. Zieht vielmehr den Herrn Jesus Christus an und macht die Leibsorge nicht zum Lebens­inhalt.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Advent ist eine Zeit des Voraus­schauens und der Vorfreude. Vier Kerzen am Andvents­kranz und 24 Türchen im Advents­kalender richten den Blick voraus auf das Weihnachts­fest. Die Adventszeit steht damit zu Recht am Anfang des Kirchen­jahrs. Sie ist eine Zeit des Neuanfangs, des Aufbruchs, der Vor­bereitung auf das Kommen des Herrn.

So hat die Adventszeit viel Ähnlichkeit mit dem frühen Morgen. Stellen wir uns vor, es ist sechs Uhr, Zeit zum Aufstehen. Draußen ist es noch dunkel, aber wir wissen ganz genau: Bald wird es dämmern, und dann wird es Tag. Wir reiben uns den Schlaf aus den Augen, verlassen das Bett, ziehen den Schlafanzug aus, stellen uns unter die Dusche, ziehen neue Sachen an und gehen in den neuen Tag. Mit Leib und Seele bereiten wir uns auf das vor, was auf uns zukommt. Wir vergessen die wirren Träume der Nacht und richten unsere Gedanken auf das, was uns an diesem Tag erwartet.

Ja, so ist es am frühen Morgen, und so ist die Advents­zeit, und so soll unser ganzes Christen­leben sein: eine Zeit des Voraus­schauens und der Vorfreude. Die drei bis vier Wochen Adventszeit im Kirchenjahr wollen uns ja nur deutlich machen, dass wir als Christen auf eine herrliche Zukunft hinleben – so wie einer, der frühmorgens noch im Dunkeln aufsteht, aber sich schon auf den neuen Tag freut. Und mit genau diesem Bild hat es der Apostel Paulus in dem Abschnitt des Römerbriefs aus­gedrückt, den wir eben gehört haben: „Es ist jetzt die Stunde, dass ihr euch vom Schlaf erhebt… Die Nacht neigt sich ihrem Ende zu, der Tag bricht an.“

Paulus schreibt das den Christen am Ende des Römer­briefs, nachdem er ausführlich den Glauben behandelt hat. Dieser Brief führt uns nämlich wie keine andere der heiligen Schriften vor Augen, dass wir allein aus Gottes Gnade durch den Glauben selig werden, und zwar durch den Glauben an den Heiland Jesus Christus. Unser eigenes Tun, unsere christ­lichen Taten und unsere Treue zu Gottes Geboten können uns nicht den Himmel bringen; es ist ganz allein Gottes Werk durch seinen Sohn Jesus Christus. Aber Paulus macht auch deutlich, dass diese Erkenntnis keineswegs ein Freibrief zum Sündigen ist. Vielmehr geben sich alle Gläubigen Mühe, so zu leben, wie es Gott gefällt und wie es dem Vorbild des Herrn Jesus Christus entspricht. Denn Gott gehört ja die Zukunft; bei Gott im Himmel wartet die ewige Seligkeit auf uns. Der Glaubende blickt voraus und stellt sich mit seinem Verhalten auf das ein, was auf ihn zukommt – so, wie sich der Erwachende morgens auf den neuen Tag einstellt. Paulus schreibt: „Lasst uns unser Leben so führen, wie es zum hellichten Tag passt.“

Der Glaubende sieht zwar noch die Dunkelheit der Sünde in der Welt und sogar in seinem eigenen Herzen, aber er weiß zugleich: Diese Dunkelheit bleibt nicht; er will schon wie im Hellen leben. Paulus schreibt: „Lasst uns deshalb die Taten der Finsternis ausziehen und die Waffen des Lichts anziehen.“ Wie wir morgens den Schlafanzug ausziehen, so sollen wir als Christen alles Böse hinter uns lassen, all das, was wir gern im Dunkeln lassen, weil es uns peinlich wäre, wenn es ans Licht käme, all unser Egoismus, unsere Faulheit und unsere Verlogen­heit. Ziehen wir's aus in der Beichte, lassen wir es zurück wie den Schlafanzug im Bett! Und ziehen wir uns schön an für Gottes Tag! Nach Paulus ist es sogar eine Waffen­rüstung, die wir anlegen, so wie ein antiker Soldat sich morgens für den Kampf fertig machte: „Lasst uns die Waffen des Lichts anziehen!“, schrieb er. Das bedeutet: Als Christ leben heißt kämpfen – gegen den Teufel kämpfen, und gegen den inneren Schweine­hund dazu. Christsein heißt: Mit dem Blick voraus alle Probleme und Schwierig­keiten eines neuen Tages angehen, im Wissen darum, dass unser Hauptmann Jesus Christus den Sieg schon in der Tasche hat.

Und was bedeutet das nun praktisch, ohne Bild und Gleichnis? Was bei Gott Trumpf ist, das lässt sich mit einem einzigen Wort zusammen­fassen, und zwar mit dem Wörtchen „Liebe“. Gott selbst ist lauter Liebe, und unsere Erlösung durch seinen Sohn Jesus Christus geschah aus lauter Liebe. Im Himmel wird es keinen Hass mehr geben, nur noch Liebe; da werden dann Gott und die Engel und alle Erlösten nur noch liebevoll miteinander umgehen. Wenn wir dahin voraus­blicken und uns darauf einstellen, dann wird uns die Liebe jetzt schon wichtig sein. Die Liebe, die dem Mitmenschen soviel Gutes gönnt wie sich selbst. Paulus hat ge­schrieben, dass Gottes Gebote, die sich auf den Mitmenschen beziehen, zusammen­gefasst sind in diesem Wort: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Und weiter schrieb er: „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses; die Erfüllug von Gottes Gesetz ist also Liebe.“

Wenn es in der Bibel um die Liebe geht, dann ist damit nicht das Gefühl von Wolke sieben gemeint, sondern ganz nüchtern und praktisch ein Verhalten, das dem Nächsten dient und Gott gefällt. Unser Predigttext macht das beipielhaft an drei Bereichen klar: an den Bereichen Leibsorge, Sexualität und Konflikte. Dies waren damals drei besondere Problem­bereiche im mensch­lichen Verhalten, und das ist bis heute so geblieben. Schauen wir uns also diese Bereiche etwas näher an, damit ganz praktisch wird, was es bedeutet, in der Liebe auf Gottes Tag hin zu leben.

Der erste Bereich ist die Leibsorge, also das, was ein Mensch zum leiblichen Leben braucht: Essen, Trinken, Kleidung und so weiter. Wenn wir auf Gottes Tag hinleben, dann wissen wir, dass wir unseren Erdenleib einmal hinter uns lassen müssen; stattdessen wird Gott uns dann einen neuen Leib schenken, den himmlischen Auf­erstehungs­leib. Daraus folgt: Die Leibsorge ist in dieser Welt zwar nötig und wichtig, aber nicht das Wichtigste; sie soll den geistlichen Dingen unter­geordnet bleiben. Darum mahnte der Apostel Paulus: „Macht die Leibsorge nicht zum Lebens­inhalt!“ Freut euch an gutem Essen, an edlen Getränken, an schöner Kleidung, an Kosmetik und am Sport, aber nehmt es nicht zu wichtig! Und übertreibt es nicht! Ver­schwendet nicht zuviel Zeit und Geld darauf! Gottes Wort hören, beten, den Mitmenschen helfen und in der Kirche mitarbeiten ist wichtiger. Und dann nennt Paulus in diesem Zusammen­hang noch eine Gefahr ganz offen beim Namen, die heute ebenfalls nicht kleiner ist als damals: das „Saufen“ nämlich. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, der weiß, wieviel Unheil und ent­setzliches Leid der übermäßige Alkohol­genuss mit sich bringt. Gegen ein Glas Wein bei einem festlichen Essen oder ein Glas Sekt bei einer Familien­feier ist gar nichts ein­zuwenden, aber wer zu oft oder zu viel trinkt, dem wird es zum Verhängnis! Wie viele Verkehrs­unfälle mit schlimmen Folgen gehen auf das Konto des Alkohols, wieviele Ehen und Familien gehen dadurch kaputt, wieviel Schaden wird von alkoholi­sierten Personen verursacht! Wer dieses Problem hat, sollte das Saufen schleunigst ablegen so wie den Schlafanzug am Morgen.

Der zweite Bereich ist die Sexualität. Paulus nennt bei seiner Aufzählung von Geboten das sechste mit Bedacht an erster Stelle: „Du sollst nicht ehe­brechen!“ Und dann warnt er noch einmal aus­drücklich vor „sexueller Aus­schwei­fung“. Das ist heute beinahe ein noch größeres Problem als damals. Denn heute sind viele Leute der Meinung, es sei gut und gesund, seine sexuellen Begierden schnell und ungezügelt auszuleben, und man nennt das dann auch noch „Liebe“. Dabei ist es das Gegenteil von dem, was die Bibel Liebe nennt. Nach Gottes Ordnung und Gebot hat die Sexualität ihren Platz da, wo Mann und Frau sich lebenslange Treue versprochen haben, wo sie ganz­heitlich füreinander da sind, wo sie sich in guten wie in schlechten Tagen aufeinander verlassen können. Das ist dann Liebe im biblischen Sinne, da hat dann auch die Sexualität ihren guten Platz, da kann sie aber auch, wenn nötig, warten und gezügelt werden – um der Liebe willen!

Der dritte Bereich sind zwischen­menschliche Konflikte. Paulus warnt in diesem Zusammen­hang vor Streit und Eifersucht. Streit entsteht immer dann, wenn ein Mensch sich egoistisch auf Kosten anderer behaupten will. Eifersucht entsteht immer dann, wenn einer meint, er käme zu kurz, andere hätten es besser. Wir Christen können da gelassen sein: Wer Jesus hat, braucht nicht zu begehren, was andere haben, weil er durch Jesus alles bekommt, was er braucht. Der Glaube an Jesus bringt die nötige Gelassen­heit, um Konflikte zu vermeiden. Und im übrigen: Im Blick auf Gottes herrlichen Tag, der vor uns liegt, werden unsere scheinbar so großen mensch­lichen Konflikte klein und un­bedeutend.

Lassen wir also die Nacht der Sünde hinter uns, ziehen wir alles Böse aus wie einen Schlafanzug am Morgen! Paulus schrieb: „Zieht vielmehr den Herrn Jesus Christus an!“ Ja, das wollen wir tun. Im Blick auf sein Kommen wollen wir es in doppelter Weise tun: Wir wollen seine Erlösung anziehen wie ein Festgewand, mit dem wir uns vor Gott und den Menschen sehen lassen können; wir wollen an ihn glauben. Und wir wollen dann auch sein Vorbild anziehen, wollen so in der Liebe leben lernen, wie er es uns vorgelebt hat. Dazu schenke er selbst uns am Beginn dieses neuen Kirchenjahres viel neuen Schwung! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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