Auf dem sicheren Grund der Lehre

Predigt über Lukas 1,1‑4 zum Tag des Evangelisten Lukas

Liebe Brüder und Schwestern in Christus,

Wenn ich krank bin und geheilt werden will, dann gehe ich zum Arzt. Vom Arzt erwarte ich, dass er mir aufgrund seines Fachwissens und seiner Erfahrung hilft. Ich möchte, dass er mich gründlich untersucht, eine exakte Diagnose stellt und einen durch­dachten Therapie­vorschlag macht. Ein guter Arzt muss ein guter Natur­wissen­schaftler sein, er muss die grund­legenden bio­chemischen und physi­kalischen Zusammen­hänge des mensch­lichen Körpers kennen. Ein guter Arzt muss zugleich ein guter Beobachter und Menschen­kenner sein, um sich von meinem Gesundheits­zustand ein umfassendes Bild machen zu können. Wäre er weder ein guter Natur­wissen­schaftler noch ein guter Beobachter und Menschen­kenner, dann könnte ich ebensogut zu Hause bleiben und die Apotheken-Rundschau lesen.

Der Evangelist Lukas war von Beruf Arzt – ich nehme an, ein guter. Er hatte eine gründliche Ausbildung auf dem Stand der antiken Natur­wissen­schaften, er war ein guter Beobachter und Menschen­kenner. Darüber hinaus hatte er eine hohe Sprach­begabung; kein anderer Autor des Neuen Testaments hat einen so brillanten griechi­schen Schreibstil wie er. Dieser kluge und hoch­gelehrte Mann war Christ geworden, und er wurde ein Mitarbeiter des Apostels Paulus. Lukas begleitete Paulus auf einigen seiner Missions­reisen. Irgendwann gab der Heilige Geist dem Lukas die Idee ein, die Gescheh­nisse von Jesu Erdenleben aufzu­schreiben. Sicher war ihm bewusst geworden, dass die Jünger und die anderen Augenzeugen Jesu alt geworden waren und bald nicht mehr selbst von Jesus verkündigen konnten; da wollte er ihr Zeugnis festhalten. So machte er sich an die Vorarbeiten für das Lukas-Evangelium und für dessen Fort­setzung, die Apostel­geschichte.

Wie gesagt, als Arzt war Lukas ein guter Beobachter und Menschen­kenner. Diese Gaben setzte er nun ein, um genau zu recher­chieren, wie es denn damals mit Jesus gewesen war und was Jesus gesagt beziehungs­weise getan hatte. Im Vorwort seines Evangeliums schreibt er: „Ich habe alles von Anfang an sorgfältig erkundet.“ Für „sorg­fältig“ wählte er das griechische Wort „akriboos“, daher kommt unser Fremdwort „akri­bisch“. Akribisch genau hat er Spuren verfolgt und fest­gehalten, was die Augen- und Ohrenzeugen in ihren Predigten und wohl auch in persön­lichen Gesprächen zu berichten hatten. Ich nehme an, dass er außer den Aposteln auch viele andere Zeit­genossen Jesu befragt hat, auch Jün­gerinnen, wahr­scheinlich sogar Jesu Mutter Maria. Denn die wunberbaren Berichte von Marias Schwanger­schaft und von dem neu­geborenen Jesus in einer Futter­krippe finden wir nur bei Lukas, bei keinem anderen Evange­listen! Wie wir überhaupt dem Lukas die Kenntnis mancher Ereignisse aus dem Leben Jesu zu verdanken haben, die nur er aufge­schrieben hat. Da ahnen wir, warum der Heilige Geist sich gerade den Arzt Lukas ausgesucht hat, um dieses Buch des Neuen Testaments zu schreiben. Wenn auch viele seiner Zeit­genossen etwas von Jesus aufge­schrieben haben und wenn auch drei dieser Schriften als Evangelien in die Heilige Schrift gelangt sind, so ist das Lukas-Evangelium die einzige unter den Evangelien­schriften, die auf gründlichen Recherchen eines hoch gebildeten Naturwissen­schaftlers und Gelehrten fußt.

Nach eigenem Bekunden schreibt Lukas von „Geschich­ten“, eigentlich von „Gescheh­nissen“, die „unter uns (wirklich) geschehen sind“. Oder wörtlich: die „sich erfüllt haben“. Damit bezeugt er, dass es sich nicht um zufällige Ereignisse handelt, auch nicht um Ereignisse, die Menschen aus ihren eigenen Interessen herbei­geführt haben. Vielmehr sind es Ereignisse, mit denen Gott sein Versprechen erfüllt hat, das er seinem Volk Israel und allen Menschen schon viele Jahr­hunderte lang gegen hatte: dass nämlich der Erlöser kommt, der Davidssohn, der Friedens­könig, der die Menschen mit Gott versöhnt und sie in Gottes ewiges Reich führt. Das hat sich mit Jesus „erfüllt“ – nichts anderes will Lukas mit seinem akribisch genau recher­chierten Evangelium bezeugen. Er hat es alles „in guter Ordnung“ aufge­schrieben, im Wesent­lichen zeitlich geordnet von der Vor­geschichte der Geburt Jesu bis hin zur Himmel­fahrt. Der zweite Teil seines Berichts, die Apostel­geschichte, setzt wieder bei der Himmelfahrt ein und zeigt, wie das Evangelium von Jesus Christus sich danach aus­gebreitet hat, bis es das damalige Zentrum aller Kultur und Macht erreichte: Rom.

Lukas beginnt seinen Bericht wie einen persön­lichen Brief. Er redet darin einen gewissen „hoch­geehrten Theophilus“ an, einen Christen, der in den Grundlagen des Glaubens bereits unter­richtet worden ist. Wir wissen nicht, ob es diesen „Theophil“ in der Ur­christen­heit tatsächlich gegeben hat oder ob Lukas in ihm einfach jeden christ­lichen Leser oder Hörer seines Werkes persönlich anreden wollte. „Theo­philus“ bedeutet nämlich „Gottes­freund“, und es kann damit jeder Gottes­freund gemeint sein, jeder, der durch Jesus zur Freunschaft mit Gott gefunden hat.

Ganz wichtig ist in dieser Vorrede zum Lukas­evangelium noch das, was Lukas am Ende schrieb. Da offenbart er nämlich den Zweck des ganzen Unter­nehmens. Er hat alles gründlich recher­chiert und wohl­geordnet aufge­schrieben, damit „du“, hoch­geehrter Theophilus, lieber Gottes­freund, „den sicheren Grund der Lehre erfährst, in der du unter­richtet bist.“ Das Lukas­evangelium, die Apostel­geschichte, das ganze Neue Testament, ja, die ganze Bibel enthält den „sicheren Grund“ der christ­lichen Lehre! Unsere Zaunmauer an der Ecke Sembritzki­straße steht fest und schön auf dem „sicheren Grund“ eines neuen Fundaments, und so steht auch unser christ­licher Glaube auf dem sicheren Grund der Ereignisse von Jesus Christus, die in der Bibel überliefert sind. Wer im Schlaubetal spazieren geht, der tut gut daran, auf dem „sicheren Grund“ der vor­gegebenen befestigten Wege zu bleiben und nicht querfeldein zu mar­schieren, weil er dann leicht im Sumpf stecken bleiben kann. So bewahrt uns der sichere Lehrgrund der Bibel davor, im Sumpf eigener religiöser Speku­lationen stecken zu bleiben. Martin Luther und das lutherische Bekenntnis bekennen sich ebenfalls zur Bibel als dem einzigen zuver­lässigen und „sicheren Grund“ der Lehre, als „Maßstab und Richt­schnur“ für alles verbind­liche Lehren in der Kirche.

Das Lukas-Evangelium und die ganze Bibel als „sicherer Grund“ des christ­lichen Glaubens – was hat das für uns zu bedeuten? Drei Dinge möchte ich da vor allem nennen.

Erstens: Wir können uns auf die Bibel verlassen. Und wir können uns darauf verlassen, dass die Ereignisse, von denen sie berichtet, tatsächlich so geschehen sind. Jesus ist am Kreuz wirklich für unsere Sünden gestorben, und er ist am dritten Tage wahrhaftig von den Toten auf­erstanden – das sind keine Märchen und Mythen, dass sind keine frommen Ein­bildungen, sondern das sind Fakten. Der Arzt Lukas, der Natur­wissen­schaftler, gute Beobachter und Menschen­kenner, hat sie für uns sorgfätig erkundet und gut geordnet aufge­schrieben. Lasst euch von niemandem irre machen, liebe Brüder und Schwestern in Christus! Denn es gibt viele Theologen und andere Christen, die die Bibel kritisch lesen und behaupten, das sei ja gar nicht alles so gewesen, wie es da steht. Und dann ist es nur noch ein kleiner Schritt dahin, dass die Worte der Bibel für will­kürliche Deutungen freigegeben werden, sodass jeder sie als Sprungbrett für eigene Gedanken und Einsichten verwenden kann. Davor muss ich warnen: Wer das Zeugnis der Bibel nicht so nimmt, wie es da steht, der verlässt den sicheren Grund der Lehre und begibt sich in den Sumpf eigen­mächtiger Deutungen und Glaubens­vorstellun­gen.

Zweitens: Benutzt die Bibel als Halt für euren Glauben! Unser Glaube ist ja zuweilen schwach und ange­fochten. Immer wieder treten Ereignisse ein in unserem Leben, die unsere Glaubens­zuversicht ins Wanken bringen können. Nun überlegt mal: Was macht man, wenn einem plötzlich schwindlig wird, zum Beispiel auf einer steilen Treppe? Man greift nach einem Halt, man greift nach dem Geländer, das hoffentlich fest verankert ist. Seht, so soll der ange­fochtene Glaube stets nach Gottes Wort greifen. Die Bibel ist der „sichere Grund“, die Bibel ist ein fest verankertes Geländer für alle, die sich mit ihrem Glauben schwach und schwindlig fühlen. Wer Glaubens­probleme hat, sollte das nicht einfach so hinnehmen und vor allen Dingen sich dann nicht von Gottes Wort entfernen, sondern er sollte desto fleißiger in der Bibel lesen, Gottes­dienste und Bibel­stunden besuchen. Da findet der Glaube wieder festen Halt.

Drittens: Wenn ich krank bin und geheilt werden will, dann gehe ich zu einem Arzt, der medizinisch gründlich ausgebildet ist. Was für den Leib gilt, der ja bekanntlich ein Verfalls­datum trägt, das muss erst recht für die Seele gelten, die ewig leben soll. Wenn die Seele krank ist, wenn die Sünde in mir ihr Unwesen treibt, dann suche ich Hilfe dort, wo sie gründlich fundiert ist. Es würde mir nichts nützen, wenn mir Leute dann irgend­welchen spiritu­ellen oder eso­terischen Quark zu essen geben; ich möchte auf einer verläss­lichen Basis geheilt werden. Und auch da komme ich wieder auf Gottes Wort in der Bibel zurück, auf den sicheren Grund des christ­lichen Glaubens. Ich weiß, dass dieses Wort mich gesund macht und ewig leben lässt; ich weiß, dass es diese Kraft hat: das Wort von der Taufe und das Wort von der Sünden­vergebung, das Jesus seinen Jüngern anvertraut hat, sowie das Wort bei der Einsetzung des Heiligen Abendmahls, das auch Lukas in seinem Evangelium überliefert hat. Da habe ich die richtige Therapie für meine Sünde, gegründet auf dem Leben, Leiden, Sterben und Auferstehen meines Herrn Jesus Christus, wie es mir Lukas und die anderen Gottes­zeugen als „sicheren Grund“ der Lehre und des christ­lichen Glaubens überliefert haben. Gott sei ewig Lob und Dank dafür! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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