Rut und Rahab

Predigt über Josua 2,11 und Rut 1,16

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Das Alte Testament ist ein Bilderbuch des Glaubens. Da wird uns mit vielen Ereignissen und Personen vor Augen gemalt, was es bedeutet, mit Gott zu leben. Es begegnen uns dabei gute und schlechte Vorbilder. Lasst uns in der heutigen Predigt zwei gute Vorbilder betrachten – zwei Frauen, die mit Gott gelebt haben. Es handelt sich um Rahab und Rut. Gemeinsam ist den beiden nicht nur das „R“ im Vornamen, sondern noch manches andere: Beide waren Ausländerinnen, aus der Sicht Israels Heidinnen: Rahab war eine Kana­aniterin, Rut eine Moabiterin. Beide haben in jungen Jahren Schweres durch­gemacht. Beide haben den wahren Gott kennen­gelernt und sich zu ihm bekannt. Beide haben schließlich in Israel geheiratet und einen Sohn zur Welt gebracht.

Rahab lebte zu der Zeit, als die Israeliten nach vierzig­jähriger Wüsten­wanderung das Land Kanaan eroberten. Sie wohnte in Jericho. Da hatten alle riesige Angst vor den Israeliten und ihrem mächtigen Gott. Sie hatten gehört, wie dieses Volk östlich des Jordan­flusses schon viele Städte erobert hatte. Nun schickten sich die Israeliten an, den Jordan zu überqueren, und die nächste Stadt vor ihnen war Jericho. In diesen Tagen kamen zwei israeli­tische Spione zu Rahab. Der König von Jericho bekam davon Wind und schickte zu Rahabs Haus, um die Spione fest­zunehmen. Aber Rahab versteckte die beiden und verhalf ihnen dann zur Flucht. Sie hatte erkannt, dass Israels Gott der einzige wahre Gott ist und dass es keinen Zweck hat, ihm Widerstand zu leisten. Sie bekannte den beiden Kund­schaftern: „Der HERR, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden.“

Rut lebte später, als die Israeliten bereits sesshaft geworden waren im Land Kanaan. Sie wohnte im Nachbarland Moab. Da siedelte sich eine israeli­tische Familie in ihrer Nachbar­schaft an: Elimelech mit seiner Frau Noomi und seinen beiden Söhnen. Diese Familie war vor einer Hungersnot geflohen, die in Israel herrschte. Rut verliebte sich in den jüngeren Sohn und heiratete ihn; da war der Vater Elimelech bereits gestorben. Aber ihr Glück währte nicht lange: Auch Ruts Mann starb, und auch dessen Bruder. Da beschloss Rut, ihre schwer getroffene Schwieger­mutter Noomi in deren Heimat Israel zu begleiten und ihr bei­zustehen. Sie sagte ihr die berühmten Worte: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch.“ Und dann bekannte sie sich zu Israel und zu dem einen wahren Gott, den sie durch die israeli­tische Familie kennen­gelernt hatte: „Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“

Ja, beide Frauen waren ur­sprünglich Heidinnen gewesen, die sich erst später zum Gott Israels bekannten. Das heißt: Beide waren dazu erzogen worden, Götzen­bilder anzubeten. Aber dann hatten sie sich gegen ihre Tradition und gegen ihr soziales Umfeld zu dem einen wahren Gott bekannt – ein mutiger Schritt. So mutig, wie er auch heute wieder sein muss, wenn jemand ernst macht mit seinem Glauben an den einen wahren Gott. Denn auch wir leben ja praktisch in einem heidnischen Umfeld, im sogenannten Neu­heiden­tum. Die Götzen unserer Zeit heißen zwar nicht mehr Baal und Astarte, aber sie heißen Geld und Schönheit. Unzählige junge Menschen wachsen heute in dem Glauben auf, wenn man viel Kohle hat und gut aussieht, dann ist das Wichtigste geklärt. Die älteren Zeit­genossen huldigen dem Gott Gesundheit; ihr Bekenntnis lautet: „Hauptsache gesund.“ Da erfordert es schon Mut, gegen den Strom zu schwimmen und zu sagen: „Nein, Hauptsache Gott!“ Oder: „ Schönheit und Geld sind mir nicht wichtig; ich möchte mit meinem Leben vor allen Dingen Gott ehren!“

Nun ist es keineswegs so, dass Rahab und Rut zum Glauben gekommen sind, weil Gott ihnen viel Glück und Erfolg geschenkt hätte im Leben. Im Gegenteil: Beide Frauen hatten schon schwere Zeiten hinter sich, als sie sich zum Herrn bekannten. Wir erinnern uns: Rut war jung verwitwet; auch hatte sie ihren Schwieger­vater und ihren Schwager verloren. Und Rahab war eine Prostitu­ierte. Meine nur ja niemand, es würde einer Prostitu­ierten auf Dauer Spaß machen, immer viele Männer zu haben. Leider wird ja heute in den Medien der Eindruck erweckt, die Prosti­tution sei eine ganz normale Dienst­leistung; wenn sie nur arbeits­rechtlich abgesichert und ordentlich versteuert werde, sei alles in Ordnung. Abgesehen davon, dass es Sünde ist: Prosti­tution ist für die betroffenen Frauen zutiefst erniedri­gend und beschämend. Viele halten es ohne Drogen­konsum nicht aus. Und dabei sehnen sie sich wie die meisten anderen Frauen nach dem einen treuen Partner, nach einer starken Schulter zum Anlehnen, nach Geborgen­heit und familiärem Glück. Wenn wir uns das klar machen, dann können wir das Leid der Hure Rahab verstehen. Letztlich war sie in ihrem Beruf ebenso einsam wie die verwitwete Rut.

Nun wissen wir ja: Wenn Gott einem Menschen Schweres zumutet, dann ist das keine Strafe, sondern dann ist das eine Chance. Dann bereitet Gott das Herz eines Menschen vor für die frohe Botschaft von Gottes Barmherzig­keit und Liebe. So fiel das Wort von dem einen wahren Gott Israels auf fruchtbaren Boden in den Herzen der Rahab und der Rut. Sie hörten, sie glaubten, sie bekannten. Lernen wir von ihnen! Wir wollen nicht verbittern, wenn Gott uns Schweres zumutet, sondern desto bereiter auf sein Wort hören, ihm vertrauen und uns zu ihm bekennen.

Das Bekennen des Glaubens geschieht nun aber nicht nur mit dem Mund. Auch die Taten der Hände und das ganze Verhalten geben Zeugnis vom Glauben. Bekennen und Tun, Mission und Diakonie gehören untrennbar zusammen. Taten der Liebe folgen dem Glauben so, wie ein guter Obstbaum gute Früchte trägt. Bei Rut erkennen wir das daran, dass sie ihre verwitwete Schwieger­mutter nicht im Stich gelassen hat. Für Witwen war es damals sehr schwer, einen Lebens­unterhalt zu finden, denn sie durften kein Geld verdienen; sie waren gewisser­maßen zur Arbeits­losigkeit verurteilt; sie waren darauf angewiesen, von Almosen zu leben. Nun, wenigstens diese Almosen holte sich Rut für sich selbst und ihre Schwieger­mutter. Sie tat es fröhlich und bescheiden, ohne Bitterkeit und falschen Stolz: Sie las nach der Ernte Getreide­halme auf dem Acker eines Verwandten ihrer Schwieger­mutter auf. Ihre Schwieger­mutter nahm diese Hilfe zum Lebens­unterhalt dankbar an. Was Rahab Gutes getan hat, das habe ich ja schon erwähnt: Sie schützte die Kund­schafter Israels vor ihren Verfolgern und verhalf ihnen zur Flucht. Noch im Neuen Testament wird sie dafür gerühmt. So heißt es im Hebräer­brief: „Durch den Glauben kam die Hure Rahab nicht mit den Ungehor­samen um, weil sie die Kund­schafter freundlich aufgenommen hatte“ (Hebr. 11,31). Und der Apostel Jakobus stellt in seinem Brief fest, dass sich der Glaube Rahabs an ihren Taten erwiesen hat: „Ist die Hure Rahab nicht durch Werke gerecht geworden, als sie die Boten aufnahm und ließ sie auf einem andern Weg hinaus?“ (Jak. 2,25).

Gott hat den weiteren Weg dieser beiden heidnischen Frauen, die sich mit Wort und Tat zu ihm bekannten, reich gesegnet. Rahab und ihr Vaterhaus überlebten die Eroberung Jerichos und fanden im Volk Israel eine neue Heimat. Ein Mann aus dem Stamm Juda namens Salmon fand Gefallen an ihr und heiratete sie (Matth. 1,5). So schenkte Gott der ehemaligen Prostitu­ierten dann doch noch eine starke Schulter zum Anlehnen, Geborgen­heit und familiäres Glück. Sie wurde Mutter eines Sohnes. Ebenso geschah es bei Rut. Der Verwandte, auf dessen Acker sie Getreide­halme aufge­sammelt hatte, nahm die junge Witwe zur Frau. Dieser Verwandte hieß Boas. Boas aber war niemand anderes als der Sohn von Salmon und Rahab! Da finden wir eine weitere erstaun­liche Verbindung zwischen den beiden Frauen: Rahab wurde die zweite Schwieger­mutter von Rut! Die beiden kannten sich bestimmt! Und wahrschein­lich hat Rahab dann auch noch erlebt, wie sie durch Rut und Boas einen Enkelsohn bekam – den Isai. Isai aber war der Vater von David, der dann zum größten König im alten Israel aufstieg. Rahab ist also die Urgroß­mutter von David, Rut die Großmutter. Und das bedeutet doch: Beide Frauen sind zugleich auch Vorfahren des verheißenen Davids­sohnes, des Sprosses aus der Wurzel Isai. Rahab und Rut sind Vormütter von Jesus! Rahab und Rut sind, ebenso wie später Maria, von Gott dazu auserwählt worden, für die Mensch­werdung Gottes Mutter zu sein! Das ist die schönste und wichtigste Gemein­samkeit von Rahab und Rut.

Uns aber zeigen sie auf diese Weise als Vorbilder: Das Bekenntnis zum wahren Gott ist unlöslich mit Gottes Heiland Jesus Christus verbunden. Schon zu Rahabs und und Ruts Zeiten wussten die Gläubigen, dass Gott einst den Segen für alle Völker aus Abrahams Nachkommen­schaft hervor­bringen wird, den Helden aus dem Stamm Juda. Wir aber dürfen ihn heute unter dem Namen Jesus kennen und ihn bekennen vor allen Menschen mit Wort und Tat: Gottes Heiland, den Sohn Davids, der zugleich auch Rahabs Sohn und Ruts Sohn ist. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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