„Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“

Predigt über Lukas 10,25‑37 zum 13. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In dem berühmten Spielfilm „Titanic“ will die lebensmüde Rose über die Reling des Schiffes in den Ozean springen. Der zufällig vorbei­kommende Jack bemerkt es und verwickelt sie in ein Gespräch. Als Rose immer noch davon redet hinunter­zuspringen, meint Jack, dann müsse er hinterher­springen und sie retten. Denn, so sagt Jack: „Jetzt geht es mich auch was an.“

Das ist die Logik des Barm­herzigen Samariters: Wenn mir die Not eines Mitmenschen bewusst wird, dann kann ich nicht einfach weiter­gehen, sondern dann geht mich diese Not etwas an. Der ausgeraubte Verletzte war der Nächste des Samariters; Rose war die Nächste von Jack; und Nächsten­liebe ist nichts anderes, als nach Kräften zu helfen, wenn der Nächste in Not ist. Das berühmte Gleichnis vom Barm­herzigen Samariter ist klar und eindeutig; jeder kann es auf unzählige Situationen seines eigenen Lebens übertragen. Das Gleichnis ist so bekannt und so klar, dass man es in einer Predigt eigentlich nicht zu erklären braucht.

Auch die Situation, in der Jesus dieses Gleichnis erzählt hat, ist klar und eindeutig. Da kommt einer, der in der Bibel ernsthaft nach Gottes Willen forscht, und stellt Jesus eine ganz einfache Fragen: „Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“ – Was muss ich tun, dass ich selig werde, dass ich in den Himmel komme? Gut, dass der Mann nach dem ewigen Leben fragt! Denn das ist doch wohl das Wichtigste: in den Himmel kommen. Das ist noch wichtiger als unser Überleben hier auf Erden. Anhand dieses Fragers stellen wir fest: Nicht „Hauptsache gesund!“ ist die Devise, sondern „Hauptsache selig!“ Ich wünschte, heutzutage würden viel mehr Menschen ernsthaft nach dem ewigen Leben fragen. Aber die einen denken, mit dem Tod ist sowieso alles aus, und die anderen beruhigen sich mit der trüge­rischen Gewissheit, dass Gott letztlich alle Menschen in den Himmel holen wird – zumindest diejenigen, die sich um ein anständiges Leben bemühen oder die religiös sind. Aber die Bibel reißt uns aus diesem Schlaf der Sicherheit heraus und ruft uns zu: „Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern!“ (Phil. 2,12). Wie gut, wenn dann einer ernsthaft fragt: „Ja, was muss ich denn tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“

Und wie gut, wenn sich jemand mit dieser Frage direkt an Gott selbst wendet, an Gottes Sohn Jesus Christus. Freilich wollen wir nun auch genau darauf achten, was er antwortet. Es mag sein, dass seine Antwort uns überrascht. Es mag sein, dass sie nicht so ganz in unser theo­logisches Konzept passt. Trotzdem müssen wir genau auf sie achten und sie ganz ernst nehmen.

Der Mann, der in der Bibel ernsthaft nach Gottes Willen forscht, fragt Jesus also: „Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“ Jesus antwortet zunächst mit einer Gegenfrage: „Was steht denn darüber im Gesetz des Mose, in der Bibel?“ Der Mann kennt die Bibel wirklich gut und kann auf Anhieb das wichtigste göttliche Gebot nennen, das Doppelgebot der Liebe nämlich: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Jesus ist mit der Antwort zufrieden und fügt nur noch hinzu: „Tu das, so wirst du leben.“

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, da gibt es nichts zu deuteln, das ist klar und einfach: Nur wer Gott über alles liebt, der kommt in den Himmel. Aber nur derjenige liebt Gott wirklich, der auch seinen Mitmenschen so sehr liebt wie sich selbst. Die beiden Teile vom Doppelgebot der Liebe hängen untrennbar zusammen. Der Apostel Johannes hat dazu treffend in seinem ersten Brief ge­schrieben: „Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner“ (1. Joh. 4,20). Jesus sagt hier also zweifellos: Gott über alles lieben und seinen Nächsten wie sich selbst lieben, das muss man tun, um in den Himmel zu kommen.

Das Gleichnis vom Barm­herzigen Samariter erzählt Jesus erst auf die Nachfrage des Mannes hin, wer denn sein Nächster sei. Und auch mit dem Gleichnis gibt Jesus wieder eine ganz klare, eindeutige Antwort: Jeder Mensch, den ich gerade in Not erlebe und dem ich helfen kann, der ist mein Nächster. Wer einen Not­leidenden sieht und so tut, als ginge ihn das nichts an, der liebt seinen Nächsten nicht wirklich, und der liebt dann auch Gott nicht wirklich, und der tut dann nicht das, was einer tun muss, um in den Himmel zu kommen. So einfach ist das, so einfach ist Jesu Antwort.

So er­schreckend einfach. Denn dann ist dieses Gleichnis ja keine harmlose Geschichte mehr, mit der ich mich ein bisschen zum Tun des Guten motivieren kann. Dann geht es hier um Leben und Tod, um die ewige Seligkeit! Und wenn ich dann frage: „Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“, dann muss ich mit demselben Atemzug fragen: „Was habe ich denn für all die not­leidenden Menschen getan, die mir über meinen bisherigen Lebensweg gelaufen sind?“ Habe ich ihnen geholfen? So, wie ich mir selbst Hilfe gewünscht hätte, wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre?

Habe ich mir nicht nur vor­genommen, meinen Nächsten zu lieben, sondern es wirklich getan? Der Barmherzige Samariter hat's getan. Habe ich mich auch dann um meinen Nächsten gekümmert, wenn weit und breit niemand da war, der das von mir erwartet hätte, oder der mir dafür Anerkennung gezollt hätte? Der Barmherzige Samariter hat's getan. Habe ich auch dann geholfen, als ich eigentlich keine Zeit hatte, weil ich auf meinem Weg weiter­kommen wollte? Der Barmherzige Samariter hat's getan. Habe ich auch dann meinen Nächsten geliebt, als es anstrengend war, schwierig, schmutzig oder eklig, als es Überwindung gekostet hat? Der Barmherzige Samariter hat's getan. Habe ich auch dann zugepackt, als es mit Gefahren und Risiken verbunden war, oder habe ich mich lieber selbst schnell in Sicherheit gebracht? Der Barmherzige Samariter hat das Risiko auf sich genommen, dass die Räuber womöglich noch hinter einem Busch auf ihr nächstes Opfer lauerten. Habe ich auch dann noch geholfen, wenn es mich teuer zu stehen kam, womöglich den Gegenwert von ein paar hundert Euro? Der Barmherzige Samariter hat's getan. Habe ich mich auch dann für den Nächsten eingesetzt, wenn es mit einer Ver­pflichtung für die weitere Zukunft verbunden war – so, wie der Barmherzige Samariter dem Herbergs­wirt versprach, für mögliche Mehrkosten später gerade zu stehen?

Wir sehen, liebe Brüder und Schwestern, echte Nächsten­liebe ist viel mehr, als ein bisschen nett und freundlich sein. Habe ich also wirklich meine Nächsten geliebt, habe ich getan, was zu tun schuldig ist, wer das ewige Leben ererben will? Was wäre denn, wenn es nicht so ist? Wenn ich immer wieder versagt habe? Wenn meine Nächsten­liebe im Vergleich zum Barm­herzigen Samariter klein und kümmerlich ist?

Auch auf diese bange Frage hat Jesus ge­antwortet, an anderer Stelle. Seine Antwort ist der Ruf zur Umkehr: „Auch wenn in deinem Leben bisher alles verkehrt war – es ist nicht zu spät, umzukehren und mit einem besseren Leben an­zufangen.“ Ja, Jesus hat zur Buße gerufen und auch den größten Sündern Hoffnung gemacht, dass für sie ein Neuanfang bei Gott möglich ist. Das Wunderbare an diesem Neuanfang ist nun: Da geht es nicht mehr darum, was ich tue, um das ewige Leben zu ererben, sondern da geht es darum, was Jesus getan hat, damit ich das ewige Leben ererbe. Buße tun, das heißt, seine Sünden bereuen und an Jesus glauben. Jesus hat am Kreuz genug getan, damit ich selig werde. Und er tut noch mehr: Er schenkt mir durch den Heiligen Geist ein neues Herz, das fähig ist, so zu lieben, wie Gott das haben will. Sodass am Ende alles, meine Nächsten­liebe und meine Seligkeit, ganz und gar Gottes Tun ist, Gottes Tun für mich und durch mich, in seinem Sohn Jesus Christus. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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