Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Über die Buße gibt es zwei hartnäckige Vorurteile. Am liebsten würde ich einen schweren Hammer nehmen und diese beiden Vorurteile zertrümmern, wenn das möglich wäre. Aber mit einem Hammer geht das nicht, es geht nur mit Worten, vorzugsweise mit Gottes Wort. Darum möchte ich jetzt mit den eben gehörten Geschichten zum Thema Buße die beiden Vorurteile zerschmettern. Aber zunächst einmal will ich die beiden Vorurteile nennen. Erstes Vorurteil: Buße ist etwas, was der Mensch tut. Zweites Vorurteil: Buße ist etwas Trauriges.
Also zunächst zum ersten Vorurteil: Ist Buße wirklich etwas, was der Mensch tut? Viele denken so. Sie denken, bei der Buße muss man ein trauriges Gesicht machen und so lange über seine Sünden nachdenken, bis einem die Tränen kommen. Man muss dann zur Beichte gehen und Gott um Vergebung bitten. Schließlich muss man auch versuchen, das wiedergutzumachen, was man verbockt hat. In dem Wort „Geldbuße“ schwingt das mit: Man muss Strafe zahlen zur Sühnung der bösen Tat.
Schauen wir uns nun die beiden Gleichnisse an, das Gleichnis vom verlorenen Schaf und das Gleichnis vom verlorenen Groschen. Was hat das Schaf getan, um zur Herde zurückzukommen? Nichts! Und was hat der Groschen getan, um gefunden zu werden? Nichts! Es lässt sich beim besten Willen keine Handlungsanweisung für Sünder aus diesen Geschichten ableiten, in dem Sinne von: Um zu Gott zurückzufinden, musst du dies und das und das tun. Wenn jemand die Handlungsanweisung geben würde: „Sei brav!“, dann könnte man mit dem ersten Gleichnis sofort kontern und sagen: Aber Gott freut sich doch viel mehr über einen einzigen Sünder als über 99 Brave! Sollte man also besser die Handlungsanweisung geben: „Sei böse!“, damit Gott einen irgendwann findet und sich dann besonders freut? Das kann's doch wohl auch nicht sein. Man könnte höchstens sagen: „Sei ehrlich!“ – mach dir über deinen moralischen Zustand keine Illusionen!
Nein, Buße ist nichts, was der Mensch tut, sondern Buße ist etwas, was Gott mit dem Menschen tut. Wenn Gott einen verlorenen Menschen findet, dann ist das Buße. Wenn der Hirte sich auf die beschwerliche Suche nach dem verlorenen Schaf macht, bis er es findet, dann ist es des Hirten Werk, dass das Schaf umkehrt und zur Herde zurückkommt. Das Schaf muss nicht einmal selbst laufen, der Hirte nimmt es vor Freude auf die Schultern! Oder Gott gleicht einer Frau, die eine kostbare Münze im Haus verloren hat. Sie zündet ein Licht an, um auch in die finstersten Ecken zu leuchten – so hat Gott für uns die Lampe seines Wortes angezündet. Sie fegt mit einem Besen durch Staub und Dreck und hofft, dabei das Klimpern der Münze zu hören – so fegt Gottes Geist durch das Leben eines Sünders und wirbelt dabei manchen Staub auf. All das tut Gott, um die Münze schließlich wieder in sein Schatzkästchen tun zu können. Wir sehen: Buße ist ganz allein Gottes Werk an uns Menschen, sie ist nicht unser Tun. Auch der Apostel Paulus wusste das ganz genau. Erinnert ihr euch, wie er in der heutigen Epistel seine Bekehrung beschrieben hat? Er schrieb: „Früher hatte ich ihn beleidigt, verfolgt und verhöhnt. Aber er hat mit mir Erbarmen gehabt… Er, unser Herr, hat mir seine Gnade im Überfluss geschenkt…“
Keine Moral, keine Handlungsanweisung finden wir in den beiden Gleichnissen. Sie sind das pure Evangelium! Sie sagen uns: Gott sucht dich und Gott findet dich auch, verlass dich drauf! Habe Vertrauen, er wird die entscheidende Wende in deinem Leben herbeiführen, die dich für immer selig macht. Der christliche Glaube ist nichts anderes als solches Vertrauen. Und wenn dich Gott gefunden hat, dann bilde dir nichts auf deine Bekehrung ein, sondern danke Gott: Buße ist ja nicht dein Werk, sondern sein Werk. Und dann schenkt er dir auch Früchte der Buße, die du zwar tust, die aber ebenfalls von ihm ausgehen: Vielleicht Tränen der Reue, vielleicht auch Werke der Wiedergutmachung, vor allem aber ganz viel Lob und Ehre!
So, das erste Vorurteil wäre zertrümmert: Buße ist nichts, was der Mensch tut, sondern sie ist Gottes Werk. Nun geht es an das zweite Vorurteil: Ist Buße etwas Trauriges? Von Tränen war ja schon die Rede und vom Bußgeld auch, das sind nicht gerade fröhliche Dinge. Aber auch dieses Vorurteil zertrümmern die beiden Gleichnisse, die Jesus erzählt hat, mit mächtigen Hieben. Viermal taucht das Wort „Freude“ auf, und in beiden Gleichnissen gipfelt die Pointe im Wort „Freude“: „So wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.“ Und wieder: „So, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.“ Jeder zurückgewonnene Sünder ist dem Himmel ein Freudenfest wert! Nur lassen wir Menschen uns leider oftmals nicht von diesem Freudenfest anstecken und halten Buße für etwas Trauriges.
Vor hundert Jahren gab es in der lutherischen Kirche noch die öffentliche Buße. Meistens wurde sie immer dann praktiziert, wenn eine junge Frau schwanger wurde, ohne verheiratet zu sein. Über diese etwas einseitige Sicht der Sünde rümpft man heute die Nase; aber wenigstens wussten alle Menschen damals noch ganz genau, dass vorehelicher Geschlechtsverkehr Sünde ist. Und weil die Folgen eben dieser Sünde öffentlich sichtbar wurden, so verlangte diese Sünde nach einer öffentlichen Buße. Im Gottesdienst wurden der jungen Frau die Sünden feierlich vergeben. Und dann? Dann feierten die Engel im Himmel ein Freudenfest! Und auf Erden? Und in der Kirche? Wurde da auch ein Freudenfest gefeiert? Wurden da Torten gebacken und Weinflaschen entkorkt, um bei dieser öffentlichen Buße dann auch ein herrliches Buß-Freudenfest zu feiern wie im Himmel? Nichts da! Die öffentliche Buße war eher eine traurige und vor allem äußerst peinliche Angelegenheit, sie glich einem Spießrutenlaufen. Darum hat man sie dann auch abgeschafft.
Nun fordere ich nicht, dass man diese öffentliche Buße wieder einführen soll. Aber wir sollten auf alle Fälle beherzigen, dass Buße etwas Fröhliches ist. Nehmen wir mal an, dein Mitchrist hat dir irgendetwas Hässliches gesagt, und diese Worte haben sich wie ein Stachel in dein Herz gebohrt. Nehmen wir weiter an, du bist mit ihm im Gottesdienst, und die Beichte wird gehalten. Da kniet dein Mitchrist vor dem Altar, bekennt seine Sünden und bittet Gott um Vergebung. Gott schenkt ihm die Umkehr, Gott vergibt ihm. Spätestens dann sollte in deinem Herzen nichts mehr von dem Stachel der hässlichen Worte übrig sein. Im Himmel feiern die Engel ein Freudenfest über die Buße, solltest du da nachtragend sein und dich weiter ärgern über deinen Mitchristen? Keineswegs! Vergeben ist vergeben. Wo Gott einen Menschen zur Buße bewegt, da dürfen wir ihm seine Sünden im Herzen nicht behalten.
Wenn wir uns das klar machen, liebe Gemeinde, dann können wir herrlich und in Freuden leben. Denn all die Fehler und Bosheiten der Vergangenheit belasten uns nicht mehr; wir sind ja alle heimgeholte verlorene Schafe und gefundene Sünder. Wer wollte da im Blick auf seinen Mitchristen noch nachtragend sein? Buße ist etwas Herrliches, etwas Befreiendes, etwas Fröhliches!
Wie gut, dass wir immer wieder Anlass zu solchen Freudenfesten haben. Amen.
PREDIGTKASTEN |