Glaubensmut

Predigt über Hebräer 11,7-8

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ich soll hier heute etwas zum Thema Glaubensmut sagen. Ich fürchte, ich bin gar nicht gut dafür geeignet, denn ich selbst bin eher ein ängstlicher Mensch. Als ich ein Theologiestudent war, nahm ich mal als Mitarbeiter an einem evangelistischen Jugendcamp teil. Da ertappte ich mich dabei, dass ich viel lieber mit den anderen Mitarbeitern zusammensaß, als Glaubensgespräche mit den Jugendlichen zu suchen und mich ihren unbequemen Fragen zu stellen. Ich war einfach zu feige dazu. Allerdings stellte ich fest: Den anderen Mitarbeitern ging es ähnlich. Ich glaube, Christen sind normalerweise keine besonders mutigen Menschen, sondern eher ängstlich. Vielleicht kann uns das heutige Thema Glaubensmut ja weiterhelfen und mutiger machen – auch mich. Diese Ermutigung begegnet uns in dem Abschnitt aus dem Hebräerbrief, den wir jetzt betrachten, mit zwei Glaubensvorbildern, nämlich mit Noah und Abraham. Von beiden steht nicht geschrieben, dass sie besonders mutige Menschen waren, weder an dieser Stelle noch anderswo in der Bibel. Aber ihr vertrauensvolles Handeln war mutig, und darauf kommt es an. Denn was hat ein furchtloser Mensch von seinem Mut, wenn er die kühne gute Tat am Ende nicht tut? Da ist mir ein ängstlicher Mensch lieber, der seine Angst überwindet und am Ende doch mutig handelt. Egal also, wie mutig oder ängstlich Noah und Abraham von ihrem Charakter her waren, Vorbilder für Glaubensmut sind sie deshalb, weil sie mutig gehandelt haben.

Sehen wir nun genau hinein in den biblischen Text! Da stellen wir zunächst fest, dass Noahs und Abrahams Glaubensmut gar nicht bei ihnen selbst anfängt, sondern bei Gott. In beiden Fällen geht es damit los, dass Gott mit ihnen redet, dass er sie ruft und beauftragt. Bei Noah steht da, dass er ein göttliches Wort empfing, und bei Abraham, dass er berufen wurde. Am Anfang steht Gottes Ruf. Dieser Ruf ist ganz wichtig für den Glaubensmut. Wenn ein Christ ohne klaren Ruf und Auftrag Gottes etwas Gefährliches unternehmen würde, dann wäre das kein Glaubensmut, sondern Übermut. Ich kannte ein Christin, die war überzeugt davon, dass sie Missionarin in Israel werden sollte. Gegen alle Bedenken brach sie die Brücken hinter sich ab, löste ihren Haushalt in Deutschland auf und reiste nach Israel; ohne Rückflugschein, versteht sich. Ein klarer Fall von Glaubensmut? Mitnichten! Diese Frau konnte kein Hebräisch und kein Englisch, sie hatte keine Ahnung von den Verhältnissen in Israel, und sie hatte vor allen Dingen keinen klaren Ruf Gottes, bestätigt durch erfahrene Brüder und Schwestern. Sie war einer frommen Einbildung gefolgt; ihr Mut war nur Übermut gewesen. Nach wenigen Wochen war sie wieder zurück in Deutschland, sehr kleinlaut, und musste hier nun wieder von vorn beginnen.

Auf Gottes Ruf folgt zweitens das Hören des Menschen; das ist ja ganz folgerichtig. Gemeint ist natürlich das zustimmende Hören, das schon von vornherein einverstanden ist mit dem, was Gott sagt und aufträgt. Dieses Hören ist der Glaubensgehorsam, der mit echtem Glaubensmut unlöslich verbunden ist. Von Abraham lesen wir: „Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde.“ Und zu Noahs Beispiel heißt es: „Noah hat Gott geehrt.“ Dieses „Ehren“ meint genau genommen das ehrfurchtsvolle Achten und Beachten von Gottes Wort und Ruf. Es ist ein ehrfürchtiger Gehorsam auch gegen den Augenschein, ja, gegen alle menschliche Vernunft, es ist ein blindes Vertrauen. Für Noah gab es keinerlei Anzeichen, dass die Flut kommen würde; da war nur ein „göttliches Wort über das, was man noch nicht sah.“ Und von Abraham heißt es: „Er wusste nicht, wo er hinkäme“ – da war nur der göttliche Ruf, dass er losziehen sollte. Ebenso geht es uns, wenn wir der Welt Gottes Wort bezeugen sollen. Dass am Ende jedes Menschenlebens und am Ende der Welt Gottes Gericht kommt, dass Himmel oder Hölle auf jeden Menschen warten, das kann unser Verstand nicht fassen, da gibt es auch keinerlei Erfahrungen, wir haben nur Gottes Wort, das uns das bezeugt. Und ebenso ist es auch mit dem Evangelium von Jesus Christus: Weder menschliche Vernunft noch menschliche Erfahrung lassen es plausibel erscheinen, dass da durch den Tod des Gottessohnes am Kreuz alle Sünden der Welt getilgt sind, nur Gottes Wort sagt uns das. „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden“, bezeugte der Apostel Paulus (1. Kor. 1,18). Wenn wir Gottes Wort mutig weitersagen wollen, dann müssen wir zunächst selbst hören, gehorchen, Gottes Wort achten und uns blind darauf verlassen.

Auf Gottes Ruf und menschliches Hören folgt drittens das Handeln. Noah und Abraham haben nicht nur zustimmend zur Kenntnis genommen, was Gott ihnen gesagt hat, sondern sie sind der göttlichen Aufforderung auch nachgekommen. Wie gesagt, ob sie mutige Typen waren, wissen wir nicht, auf alle Fälle haben sie mutig gehandelt. Noah hat die Arche gebaut, und er hat darüber hinaus noch mehr getan; wir lesen: „Er sprach der Welt das Urteil.“ Im zweiten Petrus-Brief lesen wir ergänzend dazu, dass Noah ein „Prediger der Gerechtigkeit“ war (2. Petrus 2,5). Noah hat also nicht nur die Arche gebaut, sondern er hat seinen Zeitgenossen auch ins Gewissen geredet, dass sie sich von ihrer Bosheit bekehren und Gott suchen sollen. Und er hat ihnen dabei natürlich das bevorstehende Strafgericht der Sintflut angedroht. Weil die Menschen nicht auf sein Predigen hörten, wurde ihnen die Predigt zum Todesurteil: Gott hatte sie gewarnt, aber sie hörten nicht, so mussten sie denn die Strafe tragen. Wahrscheinlich war diese Bußpredigt des Noah ein noch viel mutigeres Handeln als der Bau der Arche. Und was Abraham anbetrifft, so brach er alle Brücken hinter sich ab und zog in ein fremdes Land, das Gott ihm zeigte. Auch diese mutige Tat hat ihre Parallele im missionarischen Handeln. Jesus hat uns aufgetragen: „Gehet hin und macht zu Jüngern alle Völker!“ Ja, gebt euch einen Ruck und macht euch auf zu denen, die Gott ebenso lieb hat und die das Evangelium noch nicht kennen. Egal ob sie am anderen Ende der Welt wohnen oder nur eben um die Ecke: Gehet hin, macht euch auf, zieht los, handelt mutig und seid Zeugen Jesu Christi! Ja, wer wirklich ein Zeuge des Herrn Jesus Christus sein will, muss mutig reden und handeln. Es reicht nicht, freundliche Einladungen in den Schaukasten zu hängen, und es reicht nicht, die Mitmenschen einfach anzulächeln, das ist zwar nicht verkehrt, aber das ist noch nicht das, was Christus eigentlich will. Wir haben den Auftrag, die Menschen vor Gottes letztem Gericht zu warnen und ihnen den einzigen Ausweg zu zeigen, den es daraus gibt: der Glaube an den Heiland Jesus Christus. Ja, das braucht Mut in der heutigen Zeit. Ich kenne einen Pastor in Berlin, der hat das in einer Predigt ganz schlicht und klar dargelegt, vielleicht etwa so wie Noah seinen Zeitgenossen. Nach dem Gottesdienst kam ein verstörter Mann auf ihn zu und sagte: „Sie meinen doch wohl nicht im Ernst, dass all die lieben Menschen, die hier in unserer Nachbarschaft wohnen, ohne Christus in die Hölle kommen?“ Darauf sagte ihm der Pastor: „Das meine nicht ich, sondern das sagt Gott ganz klar in der Bibel, und wir müssen uns einfach danach richten, auch wenn wir es nicht verstehen und wenn es uns gegen den Strich geht.“ Seht, das ist glaubensmutiges Handeln.

Nach Gottes Ruf, menschlichem Hören und menschlichem Handeln gibt es nun noch einen vierten Schritt; bei dem kommt Gott selbst wieder zum Zuge. Da geht es um das Erbe, das denen verheißen ist, die glauben. Von Noah lesen wir: Er „hat ererbt die Gerechtigkeit, die durch den Glauben kommt.“ Und Abraham wurde in ein Land geschickt, „das er erben sollte“. Gott macht den Glaubenden zum Erben seiner Herrlichkeit. Liebe Brüder und Schwestern, das ist ein wunderbarer Ansporn, im Glauben mutig zu sein! Ein unfassbar reiches Erbe ist uns verheißen, das Erbe des Himmelreichs, das Erbe der ewigen Freude – ein Erbe so groß und reich, dass die Welt, in der wir jetzt leben, es nicht fassen könnte! Die Frage ist nur: An welche Bedingung ist denn dieses Erbe geknüpft? Allgemeiner gefragt: Muss ein Erbe sich sein Erbe erst verdienen, muss er sich dessen würdig erweisen? Die Antwort lautet natürlich nein! Der Erbe erhält sein Erbe ohne Wenn und Aber, wenn er es nur annimmt. Seht, dieses Annehmen ist bei Gottes Erbe der Glaube an Jesus Christus. Das ist die gute Botschaft des Evangeliums: Jeder, der das Opfer Jesu Christi für sich im Glauben annimmt, der erbt das Himmelreich. Auch wenn wir uns mit unserem Handeln nicht würdig erweisen, auch wenn wir versagen, dürfen wir doch gewiss sein: Wir bleiben Erben des ewigen Lebens. Denn ein Erbe wird nicht aufgrund von Leistungen vergeben, sondern aufgrund von einer Beziehung. Die Beziehung zum himmlischen Vater aber ist durch Jesus Christus geklärt worden und besteht im Glauben. Deshalb redet die Bibel mit Bedacht von der „Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt.“ Von Noah wird sie hier in unserem Textwort ausdrücklich genannt; bei Abraham an anderer Stelle. Der Apostel Paulus hat erklärt, dass es eine Gerechtigkeit ist, die nicht aus den Werken kommt, also nicht aus dem Handeln, sondern allein aus dem Vertrauen zu Jesus Christus.

Und was hat das glaubensmutige Handeln damit zu tun? Ich kenne ein Bild, da macht ein junger Kletterer einen waghalsigen Sprung von einem schmalen Balken zum anderen, hoch in der Luft. Woher nimmt er den Mut dazu, wie überwindet er seine Angst? Er tut es mit dem gewissen Vertrauen, dass er an einem Sicherheitsseil hängt! Auch wenn er einen Fehler macht, auch wenn er scheitert in seinem mutigen Tun, so weiß er: Er kann nicht abstürzen, er wird getragen und gehalten. Ebenso kann unser Glaubensmut wachsen: Wir besinnen uns darauf, dass wir durch Gottes Gnade gehalten und getragen sind, bedingungslos, in seinem Sohn Jesus Christus. Auch wenn wir mit unserm Handeln scheitern, auch wenn wir Fehler machen oder versagen: Wir bleiben Gottes geliebte Kinder und Erben des Himmelreichs, denn das hängt nicht an unserm Tun, sondern an der Erlösung durch Jesus Christus, die wir im Glauben ergreifen.

Liebe Brüder und Schwestern, wir sind heute hier zusammengekommen um gemeinsam zu beten – vor allem zu beten für die Ausbreitung des Evangeliums und das christliche Zeugnis in der Welt. Wenn wir jetzt noch einmal die vier Schritte zum Thema Glaubensmut durchgehen – Gottes Ruf, menschliches Hören, menschliches Handeln, Gottes Erbe – ‚ wo hat dann das Gebet seinen Platz? Die Antwort: Es hat seinen Platz genau in der Mitte, zwischen Hören Handeln. Denn das Gebet ist die Antwort auf Gottes Ruf, den wir ehrfurchtsvoll hören, und es soll uns bereit machen zum Handeln. Schließlich erbittet es auch das Erbe, das uns am Ende verheißen ist. Ja, zwischen Hören und Handeln gehört das Gebet, da haben wir es auch am nötigsten. Denn Gottes Ruf hören wir ja alle gern, die wir hier versammelt sind, damit haben wir kein Problem, auch wenn wir ängstliche Naturen sind. Den Mut zum Handeln aber müssen wir uns von Gott erbitten, und das wollen wir auch tun – vor allem den Mut, unerschrockene Zeugen seines Wortes zu sein, vor allem Zeugen der Botschaft vom Kreuz Christi, in einer Welt, die mehrheitlich dem göttlichen Ruf ähnlich ablehnend gegenübersteht wie Noahs Zeitgenossen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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