Vom Knacki zum Kanzler

Predigt über 1. Mose 41

Liebe Freunde!

Ja, es gibt sie wirklich, die Traum-Karrieren. Es gibt den Mann in Amerika, der als Tellerwäscher anfing und nach ein paar Jahren Millionär wurde. Es gibt den Mann in Deutschland, der in ein paar Monaten vom Straßenmusikanten zum gefeierten Supertalent aufstieg. Aber dies ist kaum zu toppen: Es gab den Mann in Ägypten, der an einem einzigen Tag vom Gefangenen zum zweitmächtigsten Mann des Landes aufstieg. Josef, vom Knacki zum Kanzler, an einem einzigen Tag – wirklich eine Traum-Karriere! Eine Traum-Karriere, von der Josef zwar schon mal als Jugendlicher im Schlaf irgendwie geträumt hatte, die er sich aber eigentlich nicht träumen ließ. Eine Traum-Karriere, die durch sein Supertalent im Traumdeuten zustande kam. Jahrelang hatte er im Gefängnis gesessen, hatte sich dort immerhin zu einer Hilfskraft des Aufsehers emporgearbeitet. Dann hatte der König von Ägypten zwei merkwürdige Träume, der Mundschenk erinnerte sich an seinen Knastbruder Josef und sein sagenhaftes Traumdeutungstalent, Josef wird eilig gestylt und zum Pharao gebracht, er deutet die Träume richtig mit sieben fetten und sieben mageren Jahren, er gibt dem Pharao einen Rat, und schon ist der König von Ägypten so beeindruckt von Josefs Weisheit, dass er ihn zum Kanzler macht. Josef bekommt alle Vollmachten, ein Chauffeur fährt ihn ihm Staatswagen durchs Land, ein Herold ruft vor ihm aus: „Das ist der Vater des Landes!“, und er darf die Tochter eines der angesehensten Prominenten Ägyptens heiraten. Was für eine Traum-Karriere!

Wie kommt es, dass einer solche Karriere machen kann? Klar, Talent spielt eine Rolle, vielleicht sogar Hochbegabung. Ist es aber nicht auch ein bisschen Glück? Und dazu viel Selbstbewusstsein? In der heutigen Zeit meint man, dass auch Selbstbehauptung wichtig ist, und Selbstdarstellung. Aber wenn wir uns die Geschichte in der Bibel näher ansehen, dann gibt es letztlich nur eine Ursache für Josefs Traum-Karriere, und das ist Gottes Wille. Es war Gott, der ihm die Fähigkeit zum Träume-Deuten gegeben hatte, und Gott war es auch, der alle Umstände so zusammenfügte, dass der Pharao zur rechten Zeit auf Josef aufmerksam wurde und ihn holen ließ. Jede Karriere ist eigentlich Gottes Karriere, denn hinter allen menschlichen Qualitäten und hinter allen scheinbaren Zufällen steckt Gott. Das gilt nicht nur für die berufliche Karriere, sondern für den gesamten Lebensweg eines Menschen. Das französische Worte carrière bedeutet ja schlicht „Laufbahn“ oder einfach „Lauf“. Darum hat die Geschichte von Josefs Traum-Karriere allen Menschen etwas zu sagen, auch wenn sie keine Vom-Knacki-zum-Kanzler-Karriere zu bieten haben. Und für den Lebensweg eines jeden Menschen gilt: Es ist Gottes Weg, Gottes Karriere.

Lasst uns das anhand der Geschichte des Josef einmal für drei verschiedene Abschnitte auf dem Lebensweg bedenken.

Ich wende mich zunächst an diejenigen, die sich auf dem ersten Drittel ihres Lebenswegs befinden. Kann sein, dass du schon eine genaue Vorstellung davon hast, wie sich dein Leben gestalten soll. Du siehst ganz klar eine offene Tür vor dir, und du bist entschlossen, hindurch zu gehen. Dann will ich dir da überhaupt nicht reinreden, sondern wünsche dir einfach viel Glück zu deinem Weg. Vergiss nur eins nicht: Es ist Gottes Karriere, Gottes Weg für dich!

Vielleicht steht da aber nur ein großes Fragezeichen vor dir: Wie soll es weitergehen? Vielleicht siehst du ganz viele offene Türen vor dir, alle verlockend, aber auch alle mit unabsehbaren Risiken verbunden. Durch welche Tür sollst du gehen? Nur eine kann es sein. Oder, noch schlimmer, du siehst gar keine Tür, du siehst da nur eine Wand vor dir. Du erkennst keine Perspektive für dein Leben. Was ist da zu tun? Wir erinnern uns wieder: Deine Karriere ist Gottes Karriere. Er weiß ganz genau, was für dich gut ist, und er will es dir auch zeigen. Darum ist Gott die erste Adresse bei der Lebensweg-Beratung. Es fängt damit an, dass du dir ein sehr kurzes und sehr altes Gebet aneignest, das Gebet aus dem 86. Psalm nämlich: „Weise mir, Herr, deinen Weg“ (Ps. 86,11). Danach musst du dann aber auch darauf achten, welchen Weg er dir weist. Nur in den seltensten Fällen wird er dem Beter einen Stoß geben und ihn in die richtige Richtung schubsen, und noch seltener wird der Beter eine Stimme hören mit einer klaren Anweisung wie aus dem Navi. Nein, meistens weist Gott den Lebensweg durch Wegweiser am Wegesrand, und die können manchmal ganz unscheinbar sein; man muss schon richtig nach ihnen Ausschau halten.

Solche Wegweiser sind zum Beispiel die Gaben, die Gott dir mit auf den Weg gibt. Beim Josef war es die Gabe der Traumdeutung. Überlege, was du gut kannst, was dir besonders liegt. Wenn dir selbst nichts einfällt, dann frage Leute, die dich gut kennen. Und dann schlage eine entsprechende Richtung auf dem Lebensweg ein. Vergiss dabei eins nicht, auch, wenn du ein Supertalent sein solltest: Es ist Gottes Gabe, Gottes Geschenk für seinen Weg mit dir! Wenn du es vergisst, könntest du übermütig werden oder arrogant. Josef hat von seiner Gabe sehr bescheiden geredet, als er vor dem Pharao stand, er hat das im Laufe des Lebens gelernt. Er sagte: „Traumdeuten steht nicht bei mir, Gott aber wird dem Pharao Gutes verkündigen.“

Ein weiterer Wegweiser sind Aufgaben, die sich oft sehr plötzlich und überraschend vor einem auftun. Achte auch darauf! Der Apostel Paulus hat bei seinen Missionsreisen von Gottes „offenen Türen“ geredet, wenn sich unvermittelt eine neue Chance zur Ausbreitung des Evangeliums anbot. Bei Josef war die Aufforderung des Pharao diese offene Tür: Komm her und deute mir meine Träume! Wenn Gott so eine Aufgaben-Tür öffnet, dann hat er immer etwas Bestimmtes vor. Dann will Gott damit anderen Menschen helfen, ja, will sie womöglich retten. Durch den Kanzler Josef sind unzählige Menschen vor dem Hungertod bewahrt worden, und durch den Missionaren Paulus unzählige Menschen vor der Verdammnis. So kann es auch auf deinem Lebensweg sein, wenn Gott dir eine Aufgabe zeigt: Es geht nicht nur darum, dass du eine erfüllende und befriedigende Beschäftigung findest, es geht vor allem darum, dass Gott dich und deinen Dienst in dieser Welt braucht. Keiner ist überflüssig!

Nehmen wir mal an, eine junge Dame bastelt gerade an ihrer Traum-Karriere, vielleicht als Model, vielleicht als Molekularbiologin. Nun kann es so kommen, dass sie sich verliebt, dass sie heiratet und dass sie dann auch ziemlich bald schwanger wird, obwohl sie das eigentlich gar nicht wollte. Sie sollte diesen Wegweiser Gottes dann nicht übersehen und die Aufgabe angehen, die er ihr damit vor die Füße legt. Egal, wie es mit ihrer Karriere als Model oder Molekularbiologin weitergeht, sie sollte sich in jedem Fall auf eine Karriere als Mutter einstellen. Mutter ist übrigens wohl der wichtigste Beruf überhaupt. Die Zukunft der nächsten Generation hängt entscheidend davon ab, ob wir gute Mütter haben.

Ich wende mich jetzt an diejenigen, die im zweiten Drittel ihrer Lebenskarriere stehen. Wenn du im ersten Drittel von einer Karriere geträumt hast – wie auch immer – ‚ dann hast du jetzt höchstwahrscheinlich die Erfahrung gemacht, dass nicht alles so glatt verlief, wie du dir das dachtest. Man stellt sich ja eine Karriere immer wie eine Treppe vor, bei der es stets aufwärts geht. Vielleicht hast du auch eher an eine Leiter gedacht; die ist noch steiler. Bei Josef glich die Karriere vom Knacki zum Kanzler sogar einem Express-Fahrstuhl. Aber in der Mitte des Lebens weiß man gewöhnlich, dass es beim Lebensweg nicht immer bergauf geht, sondern dass es eher so auf und ab geht wie bei den Börsenkursen. Ja, es kann sogar sein, dass Gott dich auch mal richtig tief in den Keller schickt, so wie die Börsenkurse in Krisenzeiten. Dann ist es wichtig, auch das als Gottes Weg für dich zu bejahen, auch wenn's schwer fällt, auch wenn's nicht einleuchtet. Wenn dir also bei der Traumkarriere irgendwann keine Türen mehr offen stehen, sondern wenn du vor einer Wand stehst, dann hilft es nichts, mit dem Kopf durch die Wand gehen zu wollen, dann musst du dich schon fügen.

Nimm also unerwartete und schwere Wendungen auf deinem Lebensweg an, bejahe sie als Gottes Führung. Du wirst dann früher oder später ein paar erstaunliche Entdeckungen machen. Du wirst nämlich merken, dass Gottes Umwege Vorteile haben. Du wirst merken, wie gut und heilsam es ist, manchmal in den Keller geschickt zu werden. Ich weiß noch, wie ich mich mal in einem riesigen Krankenhaus verirrt habe. Ich wusste, ich war im richtigen Gebäude, aber ich konnte einfach die Station nicht finden. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl rauf und runter, ich ging mal links und mal rechts, aber nirgends fand ich die gesuchte Station. Auch die Leute, die ich fragte, konnten mir nicht sagen, wie ich dahin komme. Schließlich fuhr ich wieder ganz nach unten zum Ausgang, verließ das Gebäude, ging drum herum – und stellte fest, dass es da noch einen anderen Flügel mit separatem Eingang gab. Dort nahm ich dann den Fahrstuhl und kam zu der gewünschten Station. Ich lernte: Manchmal führt erst der Umweg zum Ziel. Und manchmal muss man erst ganz nach unten, wenn man an der richtigen Stelle nach oben will.

So war es ja auch bei Josef. Der ist ja von Gott auch erst abenteuerliche Umwege geführt worden. Der musste ja auch erst ganz in die Tiefe, er musste erst an seinem Leben verzweifeln, mehrmals sogar, ehe er die Senkrechtstarter-Karriere vom Knacki zum Kanzler erlebte. Gott hatte ihm das alles zugemutet, um ihn reifen zu lassen und um ihn vorzubereiten für die große Aufgabe, die auf ihn wartete. Darum ist es im mittleren Abschnitt des Lebenswegs wichtig, auf Gottes Timing zu achten, Geduld zu haben, sich auf Gottes Umwege und auf seine Erziehung einzulassen. Nur so können wir wirklich reif werden für die Aufgaben, die Gott noch für uns hat.

Ja, und dann kommt unversehens das letzte Drittel des Lebensweges. Ich wende mich jetzt besonders an euch, die ihr den größeren Teil der Wegstrecke schon hinter euch haben. Da denkt man viel zurück, da denkt man viel nach über den bisherigen Lebensweg. Ist er so verlaufen, wie du ihn dir im ersten Drittel erträumt hast? Ich glaube, die wenigsten können diese Frage uneingeschränkt mit Ja beantworten. Die meisten Menschen werden von Gott mit einer Karriere überrascht, die sie nicht vorausgesehen haben. Da gab es zum Beispiel einmal einen jungen Pfarrer, der wollte gern Theologieprofessor werden. Er hatte das Zeug dazu, er arbeitete fleißig, er schaffte es sogar, neben seinem Pfarrdienst den Doktortitel zu erwerben. Ein ihm wohlgesonnener Professor stellte ihm eine Dozentenstelle in Aussicht, die allerdings pro forma noch öffentlich ausgeschrieben wurde. Der junge Doktor der Theologie war sich seiner Sache so sicher, dass er meinte, er bräuchte sich nicht extra zu bewerben. Der Professor aber nahm dann einen anderen, der sich beworben hatte. So kam es, dass dieser Pfarrer nie Theologieprofessor wurde, sondern seine Karriere ganz anders verlief.

Bei manchen von euch wird es ähnlich gewesen sein. Viele werden dennoch sagen: Mein Lebensweg verlief zwar nicht so, wie ich mir das ursprünglich gedacht hatte, aber er verlief trotzdem gut. Ich konnte meine Gaben einbringen, ich konnte Gottes Aufgaben anpacken, und es ist etwas Gutes daraus geworden. Mein Leben war nicht umsonst, ich konnte vielen anderen Menschen dienen und helfen. Das kann im Nachhinein auch von diesem ambitionierten Theologen gesagt werden, der mittlerweile ebenfalls auf dem letzten Drittel seines Lebensweges ist. Auch Josef hat das im Rückblick so gesehen, und er hat dabei ausdrücklich die Tiefen seines Lebens mit einbezogen. Sein Fazit: Gott hat alles gut gemacht mit meinem Leben und vielen Menschen dadurch geholfen.

Freilich ist der Rückblick auf den Lebensweg nicht für alle so befriedigend. Vielleicht ist hier der eine oder andere unter uns, der zugeben muss: Es ist alles ziemlich schief gelaufen, da will ich mir nichts vormachen. Vielleicht waren seine Gaben und seine Aufgaben nicht kompatibel. Vielleicht hat er gute Gelegenheiten verpasst, möglicherweise schuldhaft. Vielleicht ist er überall angeeckt, in viele Fettnäpfchen getreten. Vielleicht hat er einfach kein Glück gehabt. Ja, das gibt es auch, liebe Freunde: dass ein Lebensweg menschlich gesprochen scheitert. Es kann durchaus sein, dass da einer eher anderen zur Last gefallen ist, als dass er ihnen helfen und dienen konnte.

Was sollen wir dazu sagen – aus der Josefs-Perspektive? Mit Josefs Karriere können wir so einen gescheiterten Lebensweg ja wohl kaum vergleichen. Aber wir können uns von Josef auf einen anderen Mann verweisen lassen, der hier helfen kann. Es ist Jesus Christus. Wie das ganze Alte Testament, so sind auch die Josefs-Geschichten eigentlich verhüllte Christus-Geschichten. In Josefs Karriere bildet sich der Weg Jesu im Voraus ab. Wie Josef unter großer Anfeindung durch tiefstes Leid hindurch musste, so hat Jesus sich für uns erniedrigt bis hin zum Tode, ja zu Tode am Kreuz. Und wie Josef kometenhaft aufstieg vom Knacki zum Kanzler, so ist Jesus auferstanden von den Toten und sitzt nun zur Rechten Gottes des Vaters. Wie Josef unzählig viele Menschen vom Hungertod errettete, so errettet Jesus unzählige Menschen vom ewigen Tod. In Josef spiegelt sich Jesus. Jesus aber ist der Eine, der jedem Leben Sinn gibt, auch dem verpfuschten Leben. Denn in Jesus merkt ein Mensch, dass Gott ihn bedingungslos liebt. Bedingungslos – das bedeutet: sogar im Versagen. Auch wenn ein Mensch es Zeit seines Lebens schuldhaft versäumt hat, durch Gottes offene Türen zu gehen, kann er durch Jesus die Vergebung seiner Sünden finden.

Wir alle aber erkennen durch Jesus, egal wo wir auf unserem Lebensweg stehen und wie er verläuft: Das Wichtigste im Leben ist nicht meine Karriere. Das Wichtigste ist nicht, was ich leiste. Das Wichtigste ist nicht einmal, ob ich für andere ein Helfer und Retter sein kann, sondern das Wichtigste ist, dass ich selbst einen Retter habe: den Sohn Gottes, der für mich ans Kreuz gegangen ist. Und wenn ich dann einmal meinen Lebensweg ganz vollendet haben werde und wenn ich dann vor Gottes Richtertisch stehe, dann wird mir auch die beste Traum-Karriere nichts nützen, dann hilft mir nur eines: dass ich diesen Jesus Christus als meinen Heiland habe, dass ich getauft bin und an ihn glaube. Lasst uns darum vor allem an Jesus festhalten, egal wo wir uns gerade befinden auf unserem Lebensweg. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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