Warten auf den Herrn

Predigt über Lukas 12,35‑40 zum Altjahrsabend

Macht euch bereit wie Leute, die an ihren Hüften umgürtet sind und die ihre Lampen brennen haben. Werdet wie Knechte, die ihren Herrn erwarten, wenn er von einer Hochzeits­feier heimkehrt: Wenn er kommt und anklopft, dann öffnen sie ihm sofort. Selig sind solche Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wach findet. Jawohl, das sage ich euch: Er wird sein Gewand hoch­schürzen, zu Tisch bitten, hinzutreten und sie bedienen. Selbst wenn er erst zur Zeit der zweiten oder dritten Nachtwache kommt und sie wach findet – selig sind sie! Und denkt daran: Wenn ein Hausherr wüsste, wann ein Dieb käme, ließe er nicht zu, dass man in sein Haus einbräche. Seid auch ihr bereit, denn ihr wisst nicht, wann der Menschen­sohn kommen wird.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Früher pflegte man hinter Jahres­zahlen die Buchstaben A und D zu setzen. Sie stehen für „Anno Domini“, das heißt: „im Jahr des Herrn“. Das war eine gute Sitte, denn sie erinnert daran, wem unsere Jahre gehören: dem Herrn Jesus Christus. Lasst uns an der Schwelle zu einem neuen Jahr die beiden Jahre, die sich da treffen, doch auch so bezeichnen: Wir verlassen nun das Jahr des Herrn 2008 und treten in das Jahr des Herrn 2009 ein. 2008 AD, das heißt: wir sind unserem Herrn Rechen­schaft schuldig dafür, wie wir in diesem zu Ende gehenden Jahr gelebt haben. Und 2009 AD, das heißt: Nicht unsere Pläne, Wünsche und Vorsätze sind wichtig für das neue Jahr, sondern was der Herr Jesus Christus daraus machen will – aus seinem Jahr, dem Jahr des Herrn 2009.

Nun ist uns freilich in der heutigen Zeit das Verhältnis von Herren und Knechten fremd geworden. Zwar arbeiten immer noch dienende Menschen für herrschende Menschen, aber sie lassen sich dafür bezahlen und achten genau darauf, dass sie dabei nicht zu schlecht wegkommen. Zu Jesu Zeiten war das anders: Alle gingen selbst­verständlich davon aus, dass das Dienen der Lebenszweck eines Knechts war. Knechte waren für ihren Herren da und hatten für sein Wohlergehen Tag und Nacht parat zu stehen. Sie hatten so selbst­verständlich zu funktio­nieren, wie wir es heute von unseren Haushalts­geräte erwarten. Nur wenn wir uns in diese überholte Anschauung zurück­versetzen können, werden wir das Gleichnis richtig verstehen, das Jesus seinen Jüngern erzählte.

Da ist also ein Haushalt mit einem Herrn und mehreren Knechten. Der Herr ist aus­gegangen, er ist zu Gast bei einer Hochzeits­feier in einem Nachbarort. Die Knechte haben die Haustür mit einem dicken Sperrbalken von innen verriegelt, damit kein Dieb eindringen kann. Nun warten die Knechte auf die Rückkehr ihres Herrn. Sie wissen: Wenn er wieder­kommt, müssen sie bereit sein, um ihm die Tür zu öffnen. Sie stehen unter seinem Gebot und Auftrag, auch in seiner Abwesen­heit. Sie sind dabei nicht untätig, sie haben ihr Obergewand um die Hüften hoch­gebunden, um unbehindert noch dies und das zu erledigen. Sie nutzen diese Zeit, um das Haus auszufegen und um auf­zuräumen, um das Bett des Herrn zu machen und ihm eine Erfrischung bereit­zustellen. Sie halten die Öllampen parat und haben auch Reserveöl griffbereit in Gefäßen stehen, damit es bei der nächtlichen Heimkehr ihres Herrn hell genug ist. Sie werden zwar müde, aber sie gehen noch nicht zu Bett. Sie wollen wach sein, wenn ihr Herr kommt, bereit, ihn zu empfangen. Sie wissen: Das kann unser Herr von uns erwarten. Und dann kommt er endlich wieder und klopft an die Tür – vielleicht erst sehr spät, vielleicht mitten in der Nacht. Vom römischen Militär hatte sich damals die Gewohnheit durch­gesetzt, die Zeit zwischen Sonnen­untergang und Sonnen­aufgang in vier „Nacht­wachen“ einzuteilen und sie nach dem Ablösungs-Zeitpunkt zu benennen: erstens der „Abend“ (etwa 18 Uhr bis 21 Uhr), zweitens die „Mitter­nacht“ (etwa 21 Uhr bis 24 Uhr), drittens der „Hahnen­schrei“ (etwa 24 Uhr bis 3 Uhr), viertens der „Morgen“ (etwa 3 Uhr bis 6 Uhr). Jesus sagte, vielleicht kommt der Herr erst in der zweiten oder gar dritten Nachtwache zurück; vielleicht ist er also erst beim Krähen der Hähne gegen 3 Uhr morgens wieder zu Hause! Wie gut, wenn er dann pflicht­bewusste Knechte hat. Er braucht sich nur kurz bemerkbar zu machen, und schon schieben sie den Holzriegel beiseite, lassen ihn ein und begrüßen ihn freundlich.

Solche Knechte sollen wir sein, liebe Gemeinde. Wir sind es Gott, unserem Schöpfer schuldig. Waren wir solche Knechte im Jahre 2008 AD? War 2008 ein Jahr des Herrn bei uns? Können wir guten Gewissens sagen: Zu jeder Zeit im vergangenen Jahr hätte mein Herr wieder­kommen können, und ich wäre bereit für ihn gewesen? Zu keiner Zeit hätte er mich in einer Situation an­getroffen, für die ich mich hätte schämen müssen vor ihm? Ich fürchte, das können wir nicht sagen, wenn wir ehrlich sind. Darum wollen wir unsere Versäum­nisse auch gleich in der Beichte vor ihn bringen: unsere Glaubens-Schläfrig­keit, unseren Ungehorsam, unsere Faulheit, unsere Lieblosig­keit und unseren Egoismus. Und wir wollen ihn um Vergebung dafür bitten.

Nun treten wir gleich in das Jahr 2009 AD ein. Egal, was wir sonst für gute Vorsätze haben und was wir planen, zuallererst muss es ein Jahr des Herrn sein, ein Jahr, wo wir für das Wieder­kommen unseres Herrn Jesus Christus bereit sind. Wir sind seine Jünger, seine Knechte. Wir sind es ihm schuldig, dass wir ihm dienen und auf ihn warten. Wir stehen unter seinem Gebot und Befehl, auch wenn er jetzt nicht sichtbar unter uns ist. Er bleibt unser Herr, auch wenn wir keine direkten Anweisungen von ihm empfangen, sondern nur sein Gebot in der Bibel haben. Ganz egal, wieviel oder wie wenig wir von Jesus merken im neuen Jahr, wir sind und bleiben seine Knechte. Und das bedeutet: Wir sollen wach sein, wach im Glauben. Dass nur ja unser Glaube nicht schläfrig wird! Dass wir nur ja nicht nachlassen, ihm zu vertrauen! Dass uns nur ja nichts anderes wichtiger wird als er! 2009 soll für jeden von uns ein Jahr des Herrn bleiben. Und wie die Knechte im Gleichnis das Haus für die Rückkehr ihres Herrn bereitet haben, so sollen wir nicht untätig auf unsern Herrn warten. Am besten aber bereiten wir ihm das Haus, wenn wir an seinem Wort bleiben, uns in der Gemeinde versammeln und Liebe üben, besonders an den Verzagten, Armen und Schwachen.

Ob Jesus wohl 2009 wieder­kommt? Oder erst 2010? Oder erst viel später? Wir wissen es nicht. Kein Mensch kennt das Datum des Jüngsten Tages, und ebenso kennt keiner seinen per­sönlichen Todestag, der ihn direkt zur Auf­erstehung der Toten am Jüngsten Tag führen wird. Es ist so wie mit einem Einbruch: Er kommt völlig unverhofft. Denn wenn ein Hausherr wüsste, wann ein Dieb kommt, dann würde er schon im Voraus die Polizei in­formieren, und die würde den Einbruch verhindern. Nein, ganz plötzlich und unerwartet wird Jesus kommen, so plötzlich und unerwartet, wie ich jetzt meine Predigt beenden könnte.

Aber wie Jesus sagte: Vielleicht kommt der Herr erst zur zweiten oder dritten Nachtwache; vielleicht kommt Jesus noch nicht 2009 wieder, sondern erst 2019 oder 2029. Wichtig ist, dass wir jederzeit bereit sind, wach im Glauben, tätig in der Liebe, un­eigennützig dienst­bereit, stets auf den Herrn aus­gerichtet.

Und wenn er dann kommt, dann geschieht etwas Merk­würdiges, etwas Wunder­bares. Jesus sagte: „Er wird sein Gewand hoch­schürzen, zu Tisch bitten, hinzutreten und sie bedienen.“ Er, der Hausherr, seine Knechte! Es wäre doch eigentlich die Aufgabe der Knechte, dann ihren Herrn zu bedienen und ihm noch einen Nacht-Imbiss auf­zutischen, und nun tut das plötzlich der Herr! Der Herr macht sich zum Knecht, und er setzt seine Knechte in die Position von Herren! Wir erinnern uns an das Ereignis am Grün­donnerstag, als Jesus sich eine Schürze umband und seinen Jüngern die Füße wusch. Wir denken daran, was er dann danach für sie getan hat, für sie und alle Menschen, am Kreuz. Der Herr wurde zum Gottes­knecht, zum Gotteslamm, das die Sünden der Welt trägt. So soll es dann auch wieder am Jüngsten Tag sein: Der Herr kommt nicht deshalb wieder, um uns neue Aufträge zu geben und sich bedienen zu lassen, sondern um uns zu dienen und um uns mitzunehmen in die ewige Freude des Himmel­reichs. Selig sind die Knechte, die dafür bereit sind! Selig sind wir, wenn wir im Glauben wach bleiben, bereit für das Kommen des Herrn, in der Vorfreude auf sein Wieder­kommen! Selig sind wir, wenn 2009 AD in diesem Sinne ein Jahr des Herrn wird. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2008.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum