Wo die Gerechtigkeit zu Hause ist

Predigt über 2. Petrus 3,13 zum Ewigkeitssontag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Gerechtig­keit – was für ein phan­tastischer Zustand! Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da ist alles recht, da ist alles gut, da ist alles dienlich für uns Menschen. Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da braucht man nichts ab­zuschließen, weil keiner was stiehlt. Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da braucht man kein Geld; jeder kann sich nehmen, was er nötig hat, und keiner nimmt sich mehr, als ihm zusteht. Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da braucht man keine Waffen, nur noch Werkzeuge. Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da stellt sich Friede ein, denn diese beiden sind ein Liebespaar: Gerechtig­keit und Friede küssen einander, heißt es in einem Psalmwort (Psalm 85,11).

Am Anfang aller Welt­geschichte war das noch so: Gerechtig­keit wohnte unter dem Himmel, Friede herrschte auf Erden. „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, so beginnt die Bibel, und weiter heißt es: „Siehe, es war sehr gut“ (1. Mose 1,1.31). Alles war recht, alles war gut, alles war dienlich für die ersten Menschen. Doch dann haben die Menschen etwas kaputt gemacht: Sie taten, was nicht recht war; sie wurden ungerecht; sie sündigten. Damit be­schädigten sie ihren Frieden mit Gott und zugleich den Frieden unter­einander. Seither sind Gerechtig­keit und Friede nicht mehr zu Hause in der Welt, sondern stellen sich nur noch hin und wieder als flüchtige Gäste ein. Wir benötigen Tür­schlösser und Geld und Waffen, um unsere kaputte Welt notdürftig zu flicken. Geblieben ist die Sehnsucht nach Gerechtig­keit und Friede. Ihr kennt diese Sehnsucht, denn sie wohnt auch in euren Herzen.

Diese Sehnsucht hat Menschen zu allen Zeiten in die Illusion getrieben, man könne Gerechtig­keit und Friede auf Erden wieder vollkommen herstellen, wenn man es nur klug anfängt und hart dafür arbeitet. Zu diesen Menschen gehören auch die Väter des Sozialis­mus. Sie träumten vom kommu­nistischen Friedens­paradies, von der voll­kommenen Gerechtig­keit in der klassen­losen Gesell­schaft. Nun, diese Seifenblase ist geplatzt. Es hat sich heraus­gestellt, dass im Sozialismus nur neue Ungerechtig­keiten aufkamen und neuer Unfriede. Aber auch die kirchliche Friedens­bewegung der achtziger Jahre hatte ihre Illusion von Gerechtig­keit und Friede. Sie träumte davon, ohne Waffen­gewalt eine Gesell­schaft zu schaffen, in der Gerechtig­keit zu Hause ist. „Schwerter zu Pflug­scharen“, so lautet das Motto der zehntägigen Friedensaktionen, der sogenannten Friedens­dekade, die damals ins Leben gerufen wurde und die immer noch jährlich zwischen dem Bußtag und dem Ewigkeits­sonntag begangen wird. „Schwerter zu Pflug­scharen“ – denn wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da braucht man keine Waffen, nur noch Werkzeuge. Aber auch nach nunmehr bald dreißig Friedens­dekaden sind Gerechtig­keit und Friede immer noch nicht zu Hause in unserer Welt. Sie sind bestenfalls hier und da flüchtige Gäste.

Anders kann es in unserer kaputten Welt auch nicht sein, das müsste eigentlich jedem ein­leuchten. Wenn meine Kinder sich Videofilme anschauen, dann tun sie es mit einem alten Fernseher, bei dem die Bildröhre halb kaputt ist. Das Bild ist kontrastarm und hat einen Farbstich, und rechts hat sich ein blaugrüner Fleck gebildet. Diese Bildröhre kann niemand reparieren; entweder wir müssen mit ihren Macken leben oder uns einen neuen Fernseher anschaffen. Dasselbe gilt für die Orgel in unserer Kirche; auch sie hat schon längere Zeit ihre Macken. Schon vor 15 Jahren schrieb ein Sach­verständiger in einem Gutachten, dieses Instrument könne auch durch viele, immer wieder Geld ver­schlingende, gut gemeinte Ver­besserungen nicht gewinnen. Auch hier gilt: Entweder wir leben weiter mit den Macken dieser Orgel, oder wir schaffen uns eine neue an. So ist das mit der ganzen Welt: Wir können zwar immer wieder versuchen, Gerechtig­keit und Friede zu suchen, und wir tun gut daran, es auch wirklich zu tun. Aber unsere Illusionen sollten wir fahren lassen und nüchtern fest­stellen: Diese alte Welt ist so kaputt, dass Gerechtig­keit und Friede nicht mehr wirklich dauerhaft hier zu Hause sein können; dafür bräuchten wir eine neue Welt.

Und nun die gute Nachricht: Gott will uns so eine neue Welt schenken! Er hat es uns durch den Propheten Jesaja versprochen: „Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen“ (Jes. 65,17). Auch hat er durch ein anderes Wort dieses Propheten den Frieden für diese neue Welt in Aussicht gestellt: „Da werden sie ihre Schwerter zu Pflug­scharen und ihre Spieße zu Sicheln machen“ (Jes. 2,4). In der jetzigen alten und kaputten Sündenwelt ist das nicht zu haben; da geht's nicht ohne Gewalt, nicht ohne Geld, nicht ohne Tür­schlösser; da können Gerechtig­keit und Friede nur ab und zu herbei­geführt werden, nur hier und da, nur notdürftig. Aber wir warten auf Gottes neue Welt, die er uns versprochen hat. Daran erinnert uns unser Wort aus dem zweiten Petrus­brief: „Wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtig­keit wohnt.“

Ja, dort in der neuen Welt wird die Gerechtig­keit wirklich zu Hause sein, dort bei Gott im Himmel. Gerechtig­keit – wie phan­tastisch wird das sein! Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da ist alles recht, da ist alles gut, da ist alles dienlich für die Menschen. Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da braucht man nichts ab­zuschließen, weil keiner mehr was stiehlt. Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da braucht man kein Geld; jeder kann sich nehmen, was er nötig hat, und keiner nimmt sich mehr, als ihm zusteht. Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da braucht man keine Waffen, nur noch Werkzeuge. Wo Gerechtig­keit zu Hause ist, da stellt sich Friede ein, denn die beiden sind ein un­zertrenn­liches Liebespaar: Gerechtig­keit und Friede küssen einander. Ja, darauf freuen wir uns schon riesig, und besonders der heutige Sonntag ist ein Tag der Vorfreude. Er ist ja mehr Ewigkeits­sonntag als Toten­sonntag; der Altar ist nicht schwarz oder violett behängt, sondern weiß. Ja, wir haben große Vorfreude, denn „wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtig­keit wohnt.“

Nun stellt sich allerdings die Frage: Wie soll das denn werden in Gottes neuer Welt – mit uns alten Menschen? Wir tragen doch die Kaputtheit der alten Welt in uns, wir sind von der Sünde verseucht! Wie soll es uns dann in Gottes neuer Welt gelingen, gerecht zu leben und Frieden zu halten? Gott selbst hat diese Frage be­antwortet, und seine Antwort heißt Jesus Christus. Als Jesus geboren wurde, da sangen die Engel: „Friede auf Erden“ (Lukas 2,14). Jesus ist in die Welt gekommen, um das Zerwürfnis zwischen Gott und Sünder zu heilen. Der Heiland ist gekommen, um alles gerade zu biegen, um alles recht zu machen, um uns Gottes Gerechtig­keit zu schenken. Am Kreuz hat er es erworben, in der Taufe hat er es uns geschenkt: Gottes Gerechtig­keit und Gottes Friede. Es ist ein Stück von Gottes neuer Welt, dass schon jetzt zu uns kommt, in die Herzen all derer, die sich davor nicht ver­schließen, sondern es im Glauben annehmen. So ist Gottes Reich jetzt schon angebrochen durch seinen Sohn Jesus Christus. In unseren Herzen keimt schon der Same, der uns bereit macht für Gottes neue Welt. Und in unserer christ­lichen Gemein­schaft wird in dem Maße etwas von Gerechtig­keit und Friede sichtbar, wie es uns gelingt, aus dem Glauben an Jesus Christus zu leben.

Ja, so tragen wir Gottes neue Welt jetzt schon in unseren Herzen. Nichts anderes ist gemeint mit dem „Warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde“: die Hoffnung auf die zukünftige Welt, die uns als gegen­wärtige Hoffnung jetzt schon verändert. Sie verändert uns auch insofern, als dass wir uns nicht Illusionen hingeben. Wir mühen uns zwar um Frieden und Gerechtig­keit für die Welt, vor allem im all­täglichen Zusammen­leben mit unseren Mit­menschen, aber wir erwarten von unserer alten und kaputten Welt nicht, dass sie durch Reparatur wieder wie neu wird, wie zur Zeit der Schöpfung. Wir verzweifeln nicht an unserer alten Welt, sondern wir ertragen sie und lernen mit ihren Macken zu leben. Wir haben Geduld mit ihr, viel Geduld. Wir nehmen die Krücken mensch­licher Gerechtig­keit hin und versuchen, das Beste aus ihnen zu machen – mit Tür­schlössern, mit Geld, und wenn es gar nicht anders geht, auch mit Waffen. Wir können gelassen bleiben, denn Gott hat ja den neuen Himmel und die neue Erde ver­sprochen, wo Gerechtig­keit wohnt. Wir warten darauf; in unseren Herzen keimt bereits der Same für diese neue Welt, den Jesus gesät hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2008.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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