Sorgfältig und klug leben

Predigt über Epheser 5,15‑21 zum 18. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der bekannte christliche Lieder­macher Manfred Siebald dichtete in einem seiner Songs: „Gott nahm mich, wie ich war, doch lässt mich nicht, wie er mich fand.“ Damit hat er kurz und treffend die beiden Seiten des Christseins aus­gedrückt: erstens was Gott an uns tut durch Jesus Christus, die Erlösung, die Recht­fertigung, „Gott nahm mich, wie ich war“; zweitens, was Gott in uns tut durch den Heiligen Geist, die Erneuerung des Herzens, die Heiligung, „Gott lässt mich nicht, wie er mich fand“. Die meisten Briefe des Apostels Paulus sind so aufgebaut, dass sie im ersten Teil von der ersten Seite reden, von der Erlösung, im zweiten Teil aber von der zweiten Seite, von der Heiligung. Auch im Epheser­brief ist das so, und wir haben eben einen Abschnitt aus dem zweiten Teil gehört. Erlöst durch Jesus Christus, sollen wir nun auch als Christen leben. Und das nicht halbherzig und ober­flächlich, sondern mit ganzem Eifer und großer Sorgfalt. Paulus schreibt: „So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt.“ – „Sorg­fältig“, „akriboos“ steht da im griechi­schen Urtext, daher kommt unser Fremdwort „akri­bisch“. Auch sollen wir „weise“ und „ver­ständig“ leben. Wer die Bibel kennt, der weiß, was sie unter Weisheit versteht: Gott ganz ernst nehmen; sein Wort und seinen Willen für unser Leben an die erste Stelle setzen, wenn es darum geht, Ent­scheidungen zu treffen. Jesus Christus hat sich ganz und gar für uns eingesetzt, als er uns erlöste, sollten wir es ihm nicht danken und nun auch ganz und gar ihm zu Gefallen leben, mit aller Sorgfalt und Weisheit, die uns zur Verfügung steht?

Was bedeutet das nun aber? Paulus spricht in unserem Predigttext sechs Lebens­bereiche an, für die er das erläutert.

Erster Bereich: die Zeit nutzen. Es steht ge­schrieben: „Kauft die Zeit aus, denn es ist böse Zeit.“ Für gute Gespräche zum Beispiel muss man den richtigen Zeitpunkt abwarten. Wenn man einem Mitmenschen etwas Hilfreiches oder Tröstliches sagen will, und man erwischt den falschen Zeitpunkt, dann kann es sein, dass man nicht gehört wird, vielleicht sogar ausgelacht oder angemeckert wird. Aber wenn der richtige Zeitpunkt da ist, sollte man ihn nutzen. So wie die Frau, der auf dem Bahnhof gerade der Zug vor der Nase weggefahren ist, und sie muss eine ganze Stunde auf den nächsten warten. Aber sie ärgert sich nicht, sondern setzt sich auf eine Bank und wartet. Neben ihr sitzt eine zweite Frau, die sieht sehr traurig aus. Da fasst sich die erste Frau ein Herz und spricht sie an, kommt ins Gespräch mit ihr, hört von einem großen Kummer, kann etwas Tröstliches sagen und dabei auch von ihrem Glauben reden. Gott hat den beiden Frauen diese gemeinsame Stunde geschenkt, und sie haben sie ausgekauft.

Zweiter Bereich: Gottes Willen erkennen. Es steht ge­schrieben: „Versteht, was der Wille des Herrn ist.“ Wie geht das? Indem man Gottes Wort hört, auch selbst seine Nase in die Bibel steckt, über Gottes Wort nachdenkt und um die rechte Erkenntnis betet. Dazu sollte sich jeder Christ täglich ein bisschen Zeit freihalten, die sogenannte Stille Zeit. Niemand sage, er habe keine Zeit für die Stille Zeit – „seht sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt“; also lasst nicht zu, dass un­wichtigere Dinge euch die Stille Zeit kaputt machen! Von Martin Luther, dem viel­beschäftig­ten Theologen und Reformator, wissen wir, dass er oft stundenlang über der Bibel gebrütet und gebetet hat. Er soll einmal gesagt haben: „Wenn ich an einem Tag besonders viel zu tun habe, dann brauche ich an diesem Tag besonders viel Zeit fürs Gebet.“

Dritter Bereich: der Umgang mit alko­holischen Getränken. Es steht ge­schrieben: „Sauft euch nicht voll Wein, woraus ein un­ordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen!“ Manche Leute ziehen daraus den Schluss, dass ein Christ überhaupt keinen Alkohol trinken sollte, aber das ist nicht gesagt. Nur „voll­saufen“ soll sich niemand. Das bedeutet: nicht zu oft und nicht zu viel! Wenn jemand bei einer Familien­feier mal ein, zwei Gläschen Wein trinkt, dagegen ist nichts zu sagen. Wer aber über den Durst trinkt oder wer täglich zur Flasche greif, der macht was falsch. Ein „un­ordentliches Wesen“ folgt daraus, so hat Martin Luther übersetzt, und hat es damit noch sehr milde aus­gedrückt; für „un­ordentlich“ steht da eigentlich „heillos“, „rettungs­los“. So wie ich es neulich in Fürsten­walde erlebt habe. Ich ging im Norden an einer Lauben­kolonie vorbei, da sprach mich ein Mann an und bat mich um Hilfe für seinen Bekannten. Er führte mich zu seiner Laube, und da lag ein völlig betrunkener Mann auf dem Boden. Wir beide mussten unsere ganze Kraft aufbieten, um ihn auf die Beine zu bekommen, und dann brachten wir ihn nach Hause – wir zogen ihn eher, als dass er selbst lief, so betrunken war er. Sein Zuhause war eine Platten­wohnung, und ich habe selten in meinem Leben eine so verkommene Wohnung gesehen: Keine Bilder an den Wänden, kaum Möbel, dafür Dreck und Müll, wohin man schaute. In der Mitte des Wohnzimmers eine unbezogene Matratze, das war das Bett des Trinkers. Da legten wir ihn hin, dass er seinen Rausch ausschlafen konnte. Wie heillos! Wie schwer, da wieder heraus­zukommen!

Vierter Bereich: gemeinsam Gott loben. Es steht ge­schrieben: „Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in euren Herzen!“ Das tun wir ja auch reichlich in unseren Gottes­diensten. Wir lernen hier, dass wir damit nicht nur Gott eine Freude machen, sondern auch einander einen Dienst erweisen: Wenn wir hier schöne Lieder singen, dann ermuntern wir einander damit, dann werden Traurige fröhlich und Ängstliche mutig! Aber ich will jetzt gar nicht viel darüber reden, lasst es uns einfach gleich tun!

Fünfter Bereich: dankbar leben. Es steht ge­schrieben: „Sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“ Da denkt ihr vielleicht: Das ist doch selbst­verständ­lich, dass wir Gott danken sollen! Das machen wir doch! Aber achtet mal auf die kleinen Wörter, die man so leicht überhört: „allezeit“, „für alles“! Kennt ihr die Geschichte von Corrie ten Boom im Konzen­trations­lager, die Geschichte mit den Flöhen? Corrie ten Boom war bekannt für ihren un­erschütter­lichen Glauben. Auch unter den schreck­lichen Verhält­nissen im Kon­zentrations­lager sammelte sie täglich in der Schlaf­baracke ihre Schwester Betsie und andere Mit­gefangene um sich und hielt Andacht. In ihren Gebeten sparte sie nicht mit Dank. Was sie da alles für Grund zum Danken fand! Einmal dankte sie sogar für die Flöhe in den Betten. Das wurde ihrer Schwester Betsie dann doch zuviel, denn natürlich hatten alle unter den Flohbissen sehr zu leiden. Aber Corrie ten Boom antwortete ihrer Schwester: „Natürlich bin ich Gott auch für die Flöhe dankbar. Denk doch mal nach: Wenn die Flöhe nicht wären, dann würden die Auf­seherinnen uns dauernd kontrol­lieren kommen und unsere Andacht stören; so aber lassen sie uns in Ruhe!“

Sechster Bereich: einander dienen. Es steht ge­schrieben: „Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.“ Unterordnen macht natürlich keiner gern, aber es geht nicht anders, wenn man nach dem Vorbild des Herrn Jesus Christus dienen will. Da muss man seine eigenen Interessen und Bedürfnisse zurück­stecken und sich überlegen, was denn der andere braucht und was ihm gut tut. Ich komme noch einmal auf die Frau am Bahnhof zurück, die ihren Zug verpasste. Sie hätte die andere Frau mit dem zutexten können, was sie selbst bewegt; sie hätte ihrem Ärger Luft machen können oder sie hätte zu ihren Lieblings­themen kommen können. Aber sie sah, wie traurig die andere war, ordnete sich ihr unter, diente ihr, hörte ihr gut zu und ging im Gespräch auf sie ein. Wenn das jeder täte, wenn wir als Christen einander so unter­ordneten, wie wunderbar wäre es dann um die christliche Gemein­schaft bestellt!

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, sorgfältig und weise sollen wir darauf achten, wie wir leben als Erlöste des Herrn, als Jünger des Herrn Jesus Christus. Paulus hat es so ge­schrieben, ich habe es euch ausgelegt, Gott will es so. Die Predigt ist damit fast zuende, aber eigentlich geht sie nach dem Gottes­dienst weiter in eurem Alltags­leben. Ja, eigentlich geht sie dann erst richtig los – weil es dann darum geht, was Gott in uns tut, nachdem er an uns Großes getan hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2008.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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