Ein Platz, eine Aufgabe und ein Gesetz

Predigt über 1. Mose 2,15‑17 zum 15. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Die Worte, die wir eben gehört haben, gehören zum Schöpfungs­bericht. Sie berichten davon, was Gott dem ersten Menschen Adam gab. Darüber hinaus zeigen sie uns, was der Schöpfer allen Menschen gibt, uns Heutige ein­geschlossen. Während uns viele andere Texte der Bibel Gottes ewiges Reich und seinen Sieg über den Tod durch Jesus Christus vor Augen stellen, begegnet uns hier ein sehr dies­seitiger, ein sehr irdischer Text. Betrachten wir ihn unter der Frage: Was hat Gott Adam in der frisch er­schaffenen Welt gegeben? Und was gibt Gott uns heute in dieser Welt, die ja immer noch dieselbe ist? Drei Dinge gibt Gott, so können wir mit unserem Predigtwort antworten: erstens einen Platz, zweitens eine Aufgabe und drittens ein Gesetz.

Gott gab Adam erstens eine Platz. Es heißt: „Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden.“ Der Garten Eden war ein fruchtbares Landstück im mittleren Osten, in Meso­potamien, im Zweistrom­land. Heute ist diese Gegend vor allem durch einen furchtbaren Krieg bekannt, denn dort befindet sich heute der Irak. Wenn auch Gott damals die ganze Welt erschaffen hatte, so wies er doch dem ersten Menschen einen ganz bestimmten Teil der Welt als Lebensraum an, nämlich diesen damals so wunder­schönen Garten Eden, auch „Paradies“ genannt.

Bis zum heutigen Tag weist Gott jedem Menschen und jedem Volk seinen Lebensraum an. Manche Teile der Welt halten wir dabei für fast para­diesisch – vielleicht eine Luxusvilla am Strand des Mittel­meers, oder eine Insel in der Südsee. Andere Orte der Erde kommen uns eher wie die Hölle vor – zum Beispiel die Elends­viertel von Rio oder Kalkutta, oder die sengend heiße Sahara-Wüste. Das vollkommene Paradies gibt es nirgendwo mehr, weil ja die Sünde in die Welt gekommen ist. Trotzdem ist jeder Platz, den Gott einem Menschen anweist, ein guter Platz – das muss man nur erkennen. Dabei beschränkt sich Gottes Platz­anweisung nicht nur auf die Geographie. Gott bestimmt nicht nur, wo ein Mensch geboren wird, sondern auch, in welche Familie er hinein­geboren wird. Viele andere Dinge legt Gott darüber hinaus im Leben fest, Dinge, auf die wir selbst keinen Einfluss haben. Wir tun gut daran, diese göttlichen Vorgaben zu bejahen und dankbar anzunehmen: Danke, lieber Vater im Himmel! Du hast mir meinen Platz im Leben gegeben, hast mich so gemacht, wie du wolltest, mich dahin gestellt, wo du wolltest, und mich bisher dorthin geführt, wohin du wolltest! Der himmlische Vater bewahre uns davor, auf andere neidisch zu sein, nur weil sie scheinbar einen besseren Platz im Leben abbekommen haben. Gott hat sich etwas dabei gedacht, dass er dir genau deinen Platz angewiesen hat; es ist genau der richtige für dich! Aber Gottes Platz­anweisung hat sogar bei den Dingen Bedeutung, die du dir selbst wählst: dein Wohnsitz, wenn du erwachsen bist, dein Beruf und dein Ehepartner zum Beispiel. Auch dabei ist es wichtig, Gott zu bitten, dass er dir den richtigen Platz zeigt. Genau das meint das Psalmwort: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen“ (Psalm 37,5).

Gott gab Adam zweitens eine Aufgabe. Es heißt, Gott setzte ihn in den Garten Eden, „dass er ihn bebaute und bewahrte“. In diesen beiden Wörtern steckt ganz viel drin, darum müssen wir sie uns jetzt genauer ansehen. „Bebauen“ bedeutet im engeren Sinn natürlich, dass Adam Ackerbau betreiben sollte im Paradies, und Gartenbau. Er sollte pflügen und säen, pflanzen und ernten. Er sollte seine Umwelt gut gestalten.

Dazu sind wir noch heute gerufen, auch im über­tragenen Sinn: Gott will, dass wir die Welt mit­gestalten an dem Platz, wo er uns hingestellt hat. Wir sollen dazu beitragen, dass die Welt ein bisschen schöner wird und dass gute Früchte aus unserer Arbeit erwachsen. Pflügen, säen, pflanzen, bauen, verändern, gestalten, verbessern, Neues wagen – dazu sind wir auf der Welt! Damit wir dies aber verant­wortlich tun, gehört zur göttlichen Aufgaben­beschreibung das Bewahren dazu: nicht nur bebauen, sondern auch bewahren! Das verstehen heute auch viele Menschen, die keine Christen sind und von der Bibel nicht viel wissen: Die Schöpfung muss bewahrt werden; wehe uns, wenn wir Raubbau mit ihr treiben oder ihr mutwillig Schaden zufügen! Dabei sollten wir uns freilich nicht einbilden, wir Menschen hätten es selbst in der Hand, was aus Gottes Schöpfung wird; da würden wir uns maßlos über­schätzen. Es ist immer noch Gott selbst, der seine Schöpfung erhält, und ohne dieses Tun würde die Welt schon morgen zusammen­brechen. Die Aufgabe des Bewahrens soll uns vielmehr Ver­antwortung vor dem Schöpfer lehren, denn wer das Geschöpf achtet, der achtet den Schöpfer. Bebauen und bewahren – diese beiden Wörter zeigen uns die rechte Balance für unsere von Gott gegebene Lebens­aufgabe. Die einen begeistern sich im Sturm und Drang fürs Bebauen, wollen um jeden Preis erobern, verändern, gestalten, Neues schaffen. Sie müssen sich bremsen durch die Einsicht, dass Gottes Schöpfung auch bewahrt werden soll. Nicht jede Neuerung ist gut und sinnvoll, und manches schadet eher, als dass es nützlich ist. Die anderen sind eher konservativ eingestellt und möchten am liebsten, dass alles so bleibt, wie es ist. Sie haben Angst vor Ver­änderungen, stehen ihnen miss­trauisch und ablehnend gegenüber. Diese Bewahrer müssen daran erinnert werden, dass Gottes Aufgabe auch das Bebauen ein­schließt. Wir sollen durchaus verändern und gestalten, wenn wir damit gute Früchte ernten und etwas besser machen können. Im Großen wie im Kleinen gilt: Bebauen und bewahren sollen wir, und das in rechter Balance.

Gott gab Adam drittens ein Gesetz. Er gebot ihm: „Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.“ Das war das einzige göttliche Verbot, das im Garten Eden galt. Man kann natürlich fragen, warum Gott vor dem Sündenfall überhaupt ein Gesetz gegeben hatte. Sündlose Menschen brauchen nämlich kein Gesetz, die wissen ganz von selbst, wie sie sich richtig verhalten müssen. Sie haben ein gut funktio­nierendes Gewissen, sie können sich einfach nach ihrem Bauchgefühl richten. Erst als der Mensch zum Sünder wurde, brauchte er ein Gesetz – so lehrt es auch Gottes Wort. Zum Beispiel schrieb der Apostel Paulus den Galatern: „Das Gesetz ist hinzu­gekommen um der Sünde willen“ (Gal. 3,19). Es ist so wie bei einem Schild, das ich neulich auf dem Kirchhof in einem Branden­burger Dorf sah; da stand drauf: „Ver­nünftige Leute fahren hier nicht rad; den anderen ist es verboten.“ Der sündlose Adam vor dem Fall brauchte kein Gesetz, und darum erhebt sich die Frage: Warum gab ihm Gott dieses Verbot? Die Antwort: Um seine göttliche Autorität deutlich zu machen! Zwar redete Gott damals mit Adam so wie mit einem Freund; dennoch blieb er der Schöpfer, und Adam blieb sein Geschöpf. Gott erwartete Gottes­furcht von Adam, und die sollte sich daran zeigen, dass er das göttliche Gesetz beachtet. So war denn das Schlimmste beim Sündenfall auch gar nicht die Tatsache, dass Adam und Eva die falsche Frucht aßen, sondern die Tatsache, dass sie aufgehört hatten, Gott und sein Gesetz zu fürchten.

Nun leben wir ja heute nach dem Sündenfall und haben die Orien­tierung der Zehn Gebote nötig, denn wir tun nicht mehr instinktiv das Richtige. Aber darüber hinaus macht Gottes Gesetz heute wie damals deutlich, dass wir ihn fürchten sollen – wir, die Geschöpfe, ihn, den Schöpfer. Wenn Gott gebietet „Du sollst nicht stehlen“, dann geht es nicht nur darum, dass unser Nächster sein Eigentum behält, es geht auch darum, dass wir Gott fürchten und seine Platz­anweisung respek­tieren, nämlich dass der eine dies besitzt und der andere das, und auch, dass der eine mehr hat als der andere. Wenn Gott gebietet „Du sollst deine Eltern ehren“, dann geht es nicht nur um die Grund­voraus­setzung einer gelingenden Erziehung, sondern dann geht es auch darum, Gott zu fürchten und seine Schöpfungs­ordnung für die Familie zu respek­tieren. Wenn Gott gebietet „Du sollst den Feiertag heiligen“, dann geht es nicht nur darum, dass wir mit Gott in Kontakt bleiben, sondern dann geht es auch darum, dass wir Gott fürchten und seine Einladung zum Gottes­dienst nicht verachten. Martin Luther hat darum mit Bedacht jede seiner Gebots­erklärungen mit den Worten begonnen: „Wir sollen Gott fürchten und lieben…“

Gott gibt uns eine Platz, Gott gibt uns eine Aufgabe, Gott gibt uns ein Gesetz, wie er es damals bei Adam getan hat. Nur eines ist anders bei uns: Die Sünde ist dazwischen gekommen, und wir haben von Natur aus nicht mehr die Fähigkeit, diese Gaben anzunehmen und Gott zu fürchten. Wir müssten an diesen göttlichen Gaben zerbrechen wie an einem unerfüllbaren Anspruch, wenn nicht Jesus Christus in die Welt gekommen wäre und uns erlöst hätte. Und da merken wir: Auch dieses Wort aus dem Schöpfungs­bericht könnten wir nicht richtig erfassen, wenn wir Jesus Christus außen vor ließen. Nun aber hat Christus uns erlöst, unsere Sünden­schuld getragen und uns so mit seinem Vater versöhnt. Da können wir nun wieder fröhlich Gottes Gaben annehmen: seinen Platz, den er uns im Leben schenkt; seine Aufgabe, unseren Lebensraum zu bebauen und zu bewahren; und sein Gesetz als gute Ordnung und Erinnerung daran, dass der Schöpfer zu fürchten ist. Durch Christus können wir es ebenso dankbar und fröhlich tun, wie Adam es einst tat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2008.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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