Was Gott mit Wasser macht

Predigt über 1. Mose 7,1‑5 zum 6. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der Mensch meint, er sei der Herr über das Wasser. Er leitet es in Rohren, wohin er will. Er verkauft es. Er führt verbrauchtes Wasser in anderen Rohren zu Kläranlagen und nimmt noch einmal Geld dafür. Er begradigt Flüsse, er baut Kanäle. Und wenn es zu Hochwasser und Über­schwemmungen kommt, dann gibt er sich selbst die Schuld dafür, weil er selbst ja Fluß­landschaften verändert und einen Klimawandel herbei­geführt hat. Ja, der Mensch meint, er sei der Herr über das Wasser, und da ist ja auch etwas Wahres dran.

Aber es stimmt nur zu einem kleinen Teil, denn eigentlich ist Gott der Herr über das Wasser. Gott hat das Wasser geschaffen, und es gehört zu seinen wichtigsten und wunder­barsten Schöpfungs­werken. Gott hat Bäche, Flüsse, Seen und Meere geschaffen. Er lässt das Wasser auch tief in der Erde strömen und in großen Wolken­bergen über den Himmel ziehen. Im Winter lässt Gott das Wasser zu Eis gefrieren und hat es dabei so geschaffen, dass Eis leichter ist als flüssiges Wasser; darum frieren Seen von oben her zu, und die Fische können unter der Eisdecke überleben. Überhaupt hat Gott alles Leben auf der Grundlage von Wasser geschaffen. Pflanzen, Tiere und auch wir Menschen brauchen täglich Wasser, ja, unsere Leiber bestehen zum größeren Teil aus Wasser. Mit Wasser gestaltet Gott das Wetter nach seinem Willen; bis zum heutigen Tag muss sich der Mensch dem unter­ordnen: Ob es regnet oder trocken bleibt, ob es hagelt oder schneit, ob das Meer Sturmwellen bildet oder glatt ist, all das hat Gott der Herr in der Hand. Ja, Gott ist der Schöpfer und Herr allen Wassers, bis zum heutigen Tag.

Wird sind Gott dankbar für allen Segen, den er uns durchs Wasser schenkt: Er löscht unsern Durst, er schenkt den Pflanzen Wachstum, er tränkt die Tiere, er lässt uns baden und duschen. Aber wir sollten nicht die Augen davor verschließen, dass der Herr das Wasser auch benutzen kann, um Menschen seine Allmacht zu zeigen und deutlich zu machen, dass er mit der Sünde nicht ein­verstanden ist. Wenn Dürrezeiten oder Flut­katastrophen kommen, dann greifen wir zu kurz, wenn wir nur menschliche Ursachen dafür suchen; es gilt nach wie vor das Wort des Propheten Amos: „Ist etwa ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut?“ (Amos 3,6).

Und da sind wir beim biblischen Bericht von der Sintflut angelangt, aus dem unser Predigttext stammt. Gott sagte zu Noah: „Ich will regnen lassen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte und vertilgen von dem Erdboden alles Lebendige, das ich gemacht habe.“ Gott selbst schickte diese Flut, er wollte es so, er wollte damit sein Strafurteil über die abgefallene Menschheit voll­strecken – er, der Herr des Wassers. Und wenn wir uns aus der Bibel nicht nur die angenehmen und tröstlichen Worte heraus­picken wollen wie Rosinen aus dem Kuchen, dann müssen wir das nüchtern zur Kenntnis nehmen: Er, der Schöpfer und Herr des Wassers, benutzt das Wasser auch, um zu strafen und zu vernichten.

Warum muss das in der Bibel stehen? Warum erschreckt uns Gott mit dieser alten Geschichte? Moralisten werden antworten: Damit wir uns Mühe geben anständig zu leben. Wenn das stimmen würde, dann müssten wir mit dieser Geschichte allerdings ver­zweifeln. Wir würden nämlich mit Paulus fest­stellen: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ (Römer 7, 19). Wir würden merken: Ich schaffe es nicht, die Sünde zu vermeiden und gott­gefällig zu leben, ich bin einfach nicht gut genug, ich kann seinem Zorn nicht entrinnen, die Sünde ist einfach zu stark. Die moralische Deutung der Sintflut­geschichte ist also eine sehr frustrie­rende Deutung.

Und sie ist nicht die richtige Deutung. Denn die Pointe dieser Geschichte liegt nicht in der Strafe, sondern in der Rettung. Noah wird in der Sintflut gerettet, dazu seine Frau, seine Söhne und seine Schwieger­töchter – seine ganze Familie, sein ganzes „Haus“, wie es heißt. Und auch die Tiere werden gerettet, ohne die der Mensch nicht leben kann: ein Paar von allen Tieren, dazu fünf weitere von allen sogenannten reinen Tieren, die man damals als Brandopfer für Gott dargebracht hat (Nur so konnte Noah nach der Sintflut Gott ein Dankopfer bringen, ohne die be­treffenden Tiere für immer aus­zurotten). Die Geschichte von Noah und der Sintflut ist also nicht in erster Linie eine Straf­geschichte, sondern eine Rettungs­geschichte. Gott, der Herr des Wassers, rettete Noah und sein Haus und damit den Fortbestand des Menschen­geschlechts, indem er sie in der Arche vor der tod­bringenden Flut schützte.

Dasselbe stellen wir fest bei anderen Straf­geschichten in der Bibel: Es sind eigentlich Rettungs­geschichten! Der feurige Regen auf Sodom und Gomorra vernichtete zwar die Einwohner­schaft dieser beiden Städte, aber Lot und seine Töchter wurden gerettet. Die Wasser­massen des Schilfmeers ver­schlangen zwar die Armee des Königs von Ägypten, aber die Israeliten zogen hindurch und wurden gerettet. Die mehrjährige Dürre über Israel, die Gott zur Strafe für den Götzen­dienst unter König Ahab verhängt hatte, brachte zwar großes Leid übers ganze Land, aber der Prophet Elia wurde von Gott auf wunderbare Weise am Leben erhalten. Und so könnte man fortfahren und weitere Beispiele nennen. Die Straf­geschichten der Bibel sind in erster Linie Rettungs­geschichten! Sie sind für uns auf­geschrieben und aufbewahrt worden, damit wir Mut schöpfen, damit wir merken: Bei allem Chaos um uns herum, bei allen Kata­strophen und allem Sterben will Gott uns retten! Gottes Zorn über die Sünde ist zwar groß und entlädt sich grausam über die Menschen, aber seine Liebe ist noch größer. Gott ist vor allen Dingen barmherzig und rettet durch Not und Tod hindurch – dafür steht auch die Sintflut­geschichte.

Und so erinnert der Apostel Petrus im Neuen Testament an diese Geschichte und deutet sie auf Gottes ganz große Rettungstat in Jesus Christus. Im 1. Petrus­brief lesen wir: „Gott hatte Geduld zur Zeit Noahs, als man die Arche baute, in der wenige, nämlich acht Seelen, gerettet wurden durchs Wasser hindurch. Das ist ein Vorbild der Taufe, die jetzt auch euch rettet“ (1. Petrus 3,20‑21). Die Flut des Untergangs, die alle Menschen bedroht, ist das Sterben-Müssen, die Folge der Sünde. Aber wer getauft ist und an Jesus Christus glaubt, der wird in dieser Flut gerettet wie Noah in der Sintflut; wer zu Jesus gehört, der hat das ewige Leben.

„Das ist ein Vorbild der Taufe“, schrieb Petrus. Wörtlich übersetzt steht da eigentlich: „Das ist ein Gegenbild der Taufe.“ Das bedeutet: In der Taufe ist es genau andersherum wie bei der Arche: Die Arche rettete, indem sie vor dem Wasser schützte und ein Untergehen ver­hinderte; die Taufe aber rettet gerade dadurch, dass der „alte Adam“ in ihr untergeht, ertrinkt, und ein neuer Mensch aus dem Wasser heraus­kommt, der zum ewigen Leben wieder­geboren ist.

Die Taufe, dieses Gegenbild zur Sintflut, macht damit Gottes einzig­artige Rettung durch das Evangelium von Jesus Christus deutlich. Denn das Evangelium verkündigt nicht Rettung vor dem Untergang, sondern Rettung durch den Untergang. Das Evangelium schützt nicht vor Leiden und Sterben, sondern es rettet durch Leiden und Sterben. Das sehen wir an Jesus selbst: Er hat keine Arche gebaut und er hat keine Weltmacht begründet, sondern er hat sich an einem Kreuz für uns hinrichten lassen, hat uns mit seinem persön­lichen Untergang und Sterben erlöst. Danach hat er die heilige Taufe eingesetzt, damit wir Menschen in seinen Tod hinein­getauft werden und Anteil bekommen an seiner Erlösung. Seht, wieder erweist sich Gott als Herr des Wassers und tut nun noch mächtigere Taten mit diesem bedeutenden Element seiner Schöpfung: Er überwindet die Sünde, den Teufel und den Tod, er schenkt ewiges Leben. Und wir, die wir getauft und auf diese Weise erlöst sind, können davon auch etwas für unser Erdenleben lernen: Gottes Rettung geschieht durch Untergang und Sterben, das merken wir auch auf unserem Lebensweg nach der Taufe. Das Kreuz der Nachfolge ist uns wohl vertraut, und der leibliche Tod wartet auf uns. Aber der Herr des Wassers, der Noah und die Seinen mit der Arche vor der großen Flut gerettet hat, der wird uns und alle Christen aus dem Untergang im Tod wieder heraufholen und auf­erwecken, damit wir dann bei ihm in ewiger Herrlich­keit leben. Nun gilt es einfach, dass wir uns darauf verlassen. Ja, wir wollen uns auf Gottes rettende Zusage im Evangelium verlassen, so wie sich Noah damals auf Gottes rettende Anweisung verließ. Es heißt von ihm ganz schlicht: „Noah tat alles, was ihm der Herr gebot.“ Das bedeutet: Noah glaubte, Noah hatte Vertrauen zu Gottes Wort, und so wurde er gerettet. Vertrauen auch wir, glauben auch wir, und lassen wir uns retten! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2008.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum