Freiheit auf Erden

Predigt über 1. Korinther 8,6 zum 1. Weihnachtsfeiertag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Friede auf Erden“, so sangen die Engel in der Heiligen Nacht. Sie hätten auch singen können: „Freiheit auf Erden“. Denn Gottes Sohn Jesus Christus ist Mensch geworden, um uns von unserer Sünden­schuld zu befreien und um uns zur einzig wahren Freiheit zu verhelfen, zur Freiheit der Gottes­kinder nämlich. Es ist die Freiheit, die eigentlich nur eine Bindung kennt: die Bindung an Gott den Vater durch den Herrn Jesus Christus.

„Freiheit auf Erden“, das klingt für viele zu schön, um wahr zu sein, denn im täglichen Leben gibt es ja doch eine ganze Reihe von Bindungen, die uns beherrschen und unser Leben auf eng begrenzte Bahnen lenken. Da gibt es natürliche Bindungen wie zum Beispiel die Erziehungs­gewalt der Eltern über ihre Kinder. Da gibt es die Erziehungs­helfer der Eltern wie zum Beispiel Kinder­gärtnerin­nen, Lehrer und Erzieher. Da gibt es die Bindung an den Freundes­kreis, die oft ein bestimmtes Verhalten aufnötigt – wer sich da nicht anpasst, steht schnell außen vor. Da gibt es die starke natürliche Bindung der geschlecht­lichen Liebe – die Bindung an die eine geliebte Frau, an den einen geliebten Mann. Da gibt es die wirtschaft­liche Bindung an den Arbeit­geber, die in diesen unsicheren Zeiten oft ausgenutzt wird: Manche Arbeitgeber verlangen Un­zumutbares von ihren An­gestellten, stellen gar gesetz­widrige Ansprüche an sie, und viele Angestellte wagen nicht zu wider­sprechen aus Angst um den Arbeits­platz. Da gibt es die Bindung als Staats­bürger: Wir sind alle in ein Staatswesen eingebunden mit einer un­überseh­baren Fülle kompli­zierter Gesetze, von denen jedes einzelne ein Stück weit die Freiheit ein­schränkt. Und dann sind da zuweilen auch noch schreck­liche und dunkle Bindungen, schlechte An­gewohnhei­ten, Laster und Süchte, von denen Menschen nicht mehr loskommen, sondern in die hinein sie sich immer tiefer ver­stricken, ob sie es wollen oder nicht. „Freiheit auf Erden“ – ist das nicht einfach nur eine schöne Utopie?

Gott selbst sagt nein – es ist keine Utopie. Gottes Wort sagt, dass es nur eine Bindung gibt, die wir ernst nehmen müssen, nämlich die Bindung an ihn, unseren Schöpfer. Gottes Wort sagt es uns auf vielerlei Weise, zum Beispiel mit dem ersten Gebot: „Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.“ Ein anderer Gott wäre irgend­etwas, wovon wir uns genauso abhängig machen wie von unserem Schöpfer, oder noch abhängiger. Aber nichts und niemand ist unser Gott, und nichts und niemanden sollen wir so wichtig nehmen wie den Vater im Himmel. Genau dies meinte auch der Apostel Paulus, als er schrieb: „Wir haben doch nur einen Gott: den Vater, von dem alle Dinge sind, und wir zu ihm.“ – „Wir zu ihm“, das heißt: Wir wissen und glauben, dass es eigentlich keine andere Bindung gibt als die, dass wir von ihm geschaffen sind und dass wir zu seiner Ehre leben sollen. Freilich: Daran scheitern wir immer wieder und leben nicht zu seiner Ehre, sondern bereiten ihm Kummer. Aber da kommt der Eine ins Bild, der diese durch Sünde zerrissene Bindung wieder heilt, der Mittler, den wir unsern Herrn nennen. Der Apostel Paulus schrieb: „Wir haben doch nur einen Herrn: Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn.“ Durch Gottes Sohn Jesus Christus sind alle Dinge gemacht, auch wir selbst, und durch seine Erlösung finden wir den Weg zurück zu unserem Schöpfer, dem Vater im Himmel. Ja, dazu ist Jesus Mensch geworden, dazu hat Gott es Weihnachten werden lassen auf Erden, dass die einzige wirkliche Bindung geheilt wird, auf die es ankommt: unsere Gemein­schaft mit Gott dem Vater. Und darum nennen wir das Kind in der Krippe unseren „Herrn“ und meinen damit, dass nichts und niemand unser Leben beherrschen soll als der Mensch gewordene Gottessohn. Durch Jesus zu Gott zu gehören ist die einzige Bindung, das Wichtigste im Leben. Und wenn wir das im Glauben annehmen, dann erst sind wir wirklich frei. Wenn wir das im Glauben annehmen, brauchen wir keine anderen Herren zu fürchten und keine anderen Götter zu suchen, denn wir haben ja den einen wahren Gott, den Vater im Himmel, und den einen wahren Herrn, seinen ein­geborenen, Fleisch gewordenen Sohn. Mit ihm kommt „Freiheit auf Erden“, mit ihm ist Freiheit auch zu uns gekommen, mit ihm können wir aufatmen und uns frei fühlen von allen Bindungen in der Welt.

Können wir das wirklich? Was ist denn mit all den Bindungen, die ich vorhin erwähnt habe? Können wir uns denn einfach leicht­fertig über sie hinweg­setzen? Können wir denn so mir nichts dir nichts ausbrechen aus allen Zwängen der Welt? Wir könnten es schon, wir hätten die Freiheit dazu, aber wir brauchen es gar nicht. Denn wenn unser Verhältnis zu Gott stimmt, dann erkennen wir ja, dass viele Bindungen in der Welt gut und hilfreich sind, ähnlich wie ein Geländer, an dem man sich festhalten kann und das einen vor Stürzen bewahrt. Die Bindung an die Eltern, die Bindung an den Ehepartner, die Bindung an die Staats­gewalt – das sind ja gute Erfindungen des Schöpfers, die uns Menschen sehr nützlich sind, solange sie nicht missbraucht werden. Sogar die Bindung des Arbeit­nehmers an den Arbeitgeber wird von Gottes Wort aus­drücklich gut geheißen. Allerdings erkennen wir dabei: Diese Bindungen haben keine Kraft und Macht aus sich selbst heraus; Staats­oberhäupter sind keine Götter, Eltern und Chefs sind auch nicht wirklich Herren, sondern es sind Mit­geschöpfe Gottes, die wie jeder andere Mensch von Gott für eine gewisse Zeit in eine bestimmte Position gestellt wurden und die vor ihm ver­antwortlich sind. Wir sind diesen mensch­lichen Autoritäten nichts weiter schuldig, als dass wir uns in allem Guten ihnen unter­ordnen. Wo sie Böses und Schlechtes von uns verlangen, können wir getrost nein sagen und uns weigern, wir brauchen vor den Kon­sequenzen keine Angst zu haben, denn wir stehen durch den einen wahren Herrn unter dem Schutz des einen wahren Gottes. Menschen, die in der wahren Freiheit der Gottes­kinder lebten, haben sich weder in der Zeit des National­sozialismus noch in der Zeit der SED-Diktatur ein­schüchtern lassen; sie waren zwar in allem Guten loyal, haben aber Widerstand geleistet, wo Dinge von ihnen verlangt wurden, die unter Gottes Herrschaft keinen Platz haben. Mit derselben Freiheit können wir Christen uns auch heute gegen alle ver­meintlichen Herren wider­setzen, die Schlechtes von uns verlangen – sei es ein Arbeit­geber, der Un­gesetz­liches oder Un­zumut­bares fordert, oder sei es auch ein Staat, der durch bestimmte Gesetze gottloses Verhalten fördert. Denn die ver­meintlichen Herren haben ja allesamt keine Macht aus sich selbst heraus, Gott hat sie ihnen nur als Leihgabe anvertraut. Keiner braucht Arbeit­geber, Staats­gewalt, Eltern, Schule, Verwandte oder Freundes­kreis so sehr zu achten wie Gott, und keiner sollte es tun. Wenn wir durch den einen Herrn zu dem einen Gott gehören, dann sind und bleiben wir frei und unabhängig. „Freiheit auf Erden“ – das ist Gottes Weihnachts­geschenk für alle Menschen, es will einfach nur im Glauben angenommen sein.

Diese herrliche Freiheit der Gottes­kinder wirkt sich ganz besonders aus auf alle unguten Bindungen und Abhängig­keiten. Das kann ein Bekannten­kreis sein, der einen schlechten Einfluss auf uns ausübt. Das können Zigaretten sein oder das regelmäßige Trinken von Alkohol. Das kann Faulheit sein, das können ungute sexuelle Bindungen sein. Das können negative Gedanken sein, die ständig im Kopf kreisen. Das kann auch Un­versöhnlich­keit sein, dass sich ein Mensch mit dem andern einfach nicht vertragen kann; dass er ihn einfach nicht so akzeptieren kann, wie er ist. Das kann auch die Gewohnheit sein, sich ständig durch ein Übermaß an seichter Unter­haltung zu zerstreuen. Weil Gottes Sohn Mensch geworden ist und uns die Freiheit der Gottes­kinder schenkt, befreit er uns auch von all diesen unguten Bindungen. Wer darin gefangen ist, kann ihn darum bitten – und dann muss er sich freilich von ihm an die Hand nehmen lassen, wenn er wirklich frei werden will. Nur wer Jesus herrschen lässt, kann das Schlechte überwinden, was ihn beherrscht. Das ist dann zwar oft ein lang­wieriger, mühsamer und manchmal schmerz­hafter Weg. Aber der eine Gott, der Vater im Himmel, und der eine Herr, der Gottessohn Jesus Christus, die sorgen dafür, dass dieser Weg zum guten Ziel führt. Vetraue dem wahren Gott und erkenne, dass es in Wahrheit nur eine Bindung gibt, die Bindung an ihn; ansonsten bist du wirklich völlig frei.

Nur eines sollte uns noch stärker bestimmen als die Erkenntnis der christ­lichen Freiheit. Gottes Wort zeigt es uns im größeren Zusammen­hang des Predigt­textes. Es ist die Liebe. Und zwar die Liebe, die Gott uns erweist. Die Liebe, die wir zu Weihnachten erkennen: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen ein­geborenen Sohn gab …“ Wenn diese Liebe auf uns abfärbt, dann werden wir unsere Freiheit nicht miss­brauchen und unsere nicht Mitmenschen verachten. Dann werden wir uns nach Bedarf unseren Mitmenschen unter­ordnen, ihnen dienen, ihre Knechte werden – wie Jesus selbst sich zum Knecht Gottes gemacht hat und zum Knecht aller Menschen. Die Liebe hebt unsere christliche Freiheit nicht auf, sondern sie vollendet sie. Denn wenn wir in der Liebe leben, dann erst erfüllt sich, was unserem Lebenszweck entspricht, unserer Bindung an Gott: nämlich dass wir dem Schöpfer zur Ehre leben. „So haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir zu ihm; und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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