Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
„Einer trage des andern Last“ – was heißt denn das? Dass einer dem andern die schwere Notentasche tragen hilft? Oder dass viele engagierte Selkies die Last eines Kirchenmusikfests ohne Sprengelkantor gemeinsam tragen? Ja, das heißt es auch; aber damit ist noch nicht wirklich erfasst, was dieses bekannte Bibelwort uns sagen will. Von was für Lasten dieses Bibelwort eigentlich handelt, das erfahren wir im vorausgehenden Vers: „Wenn ein Mensch von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist.“ Da merken wir: Die Last von Fehlern, die Last von Schuld, die Last von Versagen, die sollen wir einander tragen.
Als ich ungefähr sechzehn war, bat mein Musiklehrer einige Klassenkameraden und mich um Mithilfe bei einem Kirchenkonzert. Er war nämlich auch Kantor und Organist. Er brauchte unseren kleinen Schülerchor für eine ganz schlichte Darbietung, für den Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Er selbst spielte auf der Orgel die wunderbare Choralfantasie von Bach dazu, und wir sollten schlicht das Kirchenlied einstimmig dazu singen. Wir sollten – wir taten es nicht, denn wir verpassten unseren Einsatz. Vergeblich mühten wir uns, noch nachträglich in das Stück hineinzukommen. Es wurde ein voller Misserfolg. Unser Musiklehrer spielte mit grimmiger Miene die Bachsche Partitur bis zum bitteren Ende. Danach schnitt er uns Sängern eine Grimasse, die Bände sprach. Und dann war die Sache vergessen. Keine Vorhaltungen mehr, keine schlechten Zensuren. Wir hatten Mist gemacht, er hatte den Schaden davon, aber er trug es, ertrug es, trug unsere Last.
„Einer trages des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Was ist das Gesetz Christi? Es ist das Gesetz, das unser Herr Jesus Christus gelehrt und vorgelebt hat. Er hat die Last der andern am Kreuz getragen, unsere Last. Und er hat seine Jünger gelehrt: Habt euch untereinander so lieb, wie ich euch lieb habe. Das Gesetz Christi ist nämlich das Gesetz der Liebe. Der Liebe, die nicht sauer wird, wenn der andere mal was falsch macht. Der Liebe, die sich nicht abwendet, wenn der andere sie enttäuscht. Der Liebe, die kein großes Theater macht, wenn Fehler passieren. Der Liebe, die aber auch nicht gleichgültig über die Fehler der anderen hinwegsieht, sondern die mit sanftmütigem Geist zurechthilft. „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Beherzigen wir das doch – in unseren Familien, in unseren Gemeinden, in unserem Kirchenbezirk! Amen.
PREDIGTKASTEN |