Der Vatertag des Herrn Jesus Christus

Predigt über Johannes 17,25‑26 zum Himmelfahrtstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn man wahllos die Leute fragen würde: „Was ist heute für ein Feiertag?“, dann würden viele sagen: „Vatertag!“ Dabei denken sie daran, dass heute viele Väter und auch andere Männer den freien Tag für fröhliche Ausflüge ins Grüne nutzen. Fröhliche Ausflüge ins Grüne sind an sich etwas Schönes. Bedenklich ist nur, wenn darüber der Vater im Himmel vergessen wird und sein Sohn Jesus Christus. Bedenklich ist, dass viele Menschen in unserem Volk gar nicht mehr wissen, warum dieser vierzigste Tag nach Ostern ein Feiertag ist. Sie wissen nicht mehr, dass Jesus vierzig Tag nach seiner Auf­erstehung vor den Augen seiner Jünger in den Himmel aufgenommen wurde und damit sein Heilswerk vollendet hat, und die meisten inter­essiert es auch gar nicht. Obwohl Christi Himmelfahrt in ganz Deutschland noch ein gesetz­licher Feiertag ist, hat sich die Mehrheit des deutschen Volkes vom eigent­lichen Inhalt dieses Tages entfernt. Auch sonst ist es vielen gleich­gültig, was der Vater im Himmel ihnen zu sagen hat. Zum Beispiel, wie ein guter Vater zu sein hat: treu und liebevoll zur Mutter seiner Kinder, ver­antwortungs­bewusst und fürsorglich für die ganze Familie, ein Vorbild für seine Kinder und nicht zuletzt auch ein Haus­priester, der dafür Sorge trägt, dass täglich gemeinsam gebetet wird und dass die Kinder Gottes Wort lernen. Viele Männer werden am heutigen Vatertag auch mehr alko­holische Getränke zu sich nehmen, als ihnen bekommt. Nun ist ja nichts dagegen zu sagen, wenn jemand in froher Rund mal eine Flasche Bier oder ein Glas Wein trinkt, schließlich sind das auch gute Gaben Gottes. Wer aber so viel trinkt, dass er sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hat und dass er andere belästigt oder gar gefährdet, der sondert sich darin vom Willen des himmlischen Vaters ab und handelt un­verantwort­lich. Wir nennen das Sünde, diese Absonderung von Gott.

Jesus hat einmal, als er noch auf Erden weilte, zu seinem Vater im Himmel gesagt: „Die Welt kennt dich nicht.“ Damit meinte er diese Gleich­gültigkeit gegenüber Gott, diese Absonderung von seinem Willen. Aber er sprach auch von den anderen, die Gott kennen­gelernt haben durch seinen ein­geborenen Sohn. „Diese“ nennt er sie in seinem Gebet, und meint damit all seine Jünger (nicht nur die damaligen, sondern auch die heutigen): „Diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“ Wir wissen, dass wir durch Jesus Gemein­schaft mit Gott haben. Wir wissen, dass er dazu in die Welt gekommen ist, dass er Graben der Sünde überbrückt und unsere selbst­verschuldete Absonderung von Gott auf diese Weise beendet. Darum ist uns auch dieser Tag ein Fest wert, an dem wir daran denken, wie er zum letzten Mal mit sichtbarem Leib vor seinen Jüngern erschien und dann in den Himmel aufgehoben wurde. Freilich wäre es nicht verkehrt, wenn auch wir Christen den Himmel­fahrtstag „Vatertag“ nennen würden. Denn das Ent­scheidende an diesem Fest ist ja nicht die „Fahrt“ Jesu als solche, also seine Aufwärts­bewegung gen Himmel, sondern das Ent­scheidende ist die Tatsache, dass er sich zur Rechten seines Vaters im Himmel gesetzt hat, dass er also von seinem Vater die göttliche Regierungs­vollmacht übertragen bekam. So hat er selbst es den Jüngern ja kurz vorher mitgeteilt: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden“, hatte er gesagt (Matth. 28,18). Ja, „Vatertag“ können wir den Himmelfahrts­tag nennen, nämlich den Tag des himmlischen Vaters. An diesem Tag hat Jesus seine Erden­mission beendet, die uns mit dem himmlischen Vater versöhnte. An diesem Tag ist er zu seinem Vater im Himmel zurück­gekehrt. An diesem Tag hat der Vater ihn zum Herrn und König über Himmel und Erde eingesetzt. An diesem Tag preisen wir den Vater im Himmel für seine Barmherzig­keit. Und an diesem Tagen denken wir auch über die Worte nach, die Jesus zu seinem Vater im Himmel gesprochen hat. Damit wir diese Worte in ihrer tiefen Bedeutung noch besser verstehen und unseren christ­lichen Vatertag noch besser würdigen können, möchte ich das Handeln des himmlischen Vaters durch seinen Sohn und an seinem Sohn jetzt mit einer Gleichnis­geschichte ver­deutlichen.

Gott ist König über ein un­ermesslich großes Reich. Er regiert über Himmel und Erde, die ganze Schöpfung. Unsere Erde ist nur eine kleine Insel in diesem Reich. Ein abtrünniger Minister des Königs hat es auf diese Insel abgesehen. Er setzt alles daran, diese Insel vom Herrschafts­bereich des Königs ab­zusondern. Er will sich als Staats­oberhaupt dieser Insel selbständig machen; er will eigene Macht haben in Konkurrenz zum König. Mit List und Gewalt bringt er die Bewohner der Insel auf seine Seite und malt ihnen die Unabhängig­keit vom König in der ver­lockendsten Farben aus. Er sagt: „Wenn ihr euch vom König lossagt, dann werdet ihr reich, dann werdet ihr frei, dann werdet ihr glücklich.“ So kommt es, dass sich die Bewohner der Insel vom König absondern und ihm den Gehorsam auf­kündigen. Natürlich erfährt der König davon, und es missfällt ihm sehr. Er liebt die Gerechtig­keit und kann es daher nicht dulden, dass solcher Aufruhr ungestraft bleibt. Der Sohn des Königs sieht das ebenso. Er bestätigt es dem Vater mit den Worten: „Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht.“ Ja die Welt, diese kleine Insel in Gottes großem Reich, hat ihren recht­mäßigen König vergessen, und das kann der gerechte König nicht auf sich beruhen lassen. Er muss etwas unter­nehmen, er muss die Ab­trünningen strafen – sowohl den untreuen Minister als auch alle, die sich auf dessen Seite gestellt haben. Aber neben der Gerechtig­keit hat der König noch eine weitere bedeutsame Eigen­schaft, und das ist die Liebe. Er liebt sein Volk, er liebt auch die armen verführten Abtrünnigen auf jener Insel, die Welt genannt wird. Einerseits sagt also sein Sinn für Gerechtig­keit: Es sind Hoch­verräter, die müssen hart bestraft werden; eigentlich haben sie ihr Recht auf Leben in meinem Reich verwirkt. Anderer­seits sagt seine Liebe: Es sind arme Verführte, die nach gutem Leben hungrig sind; ich will ihnen helfen, dass sie wieder in Frieden in meinem Reich leben können. Der König steht in einem Konflikt, er ist hin- und hergerissen zwischen Gerechtig­keit und Liebe. Da entschließt er sich zu einem Plan, der beides verbindet, die Gerechtig­keit und die Liebe. Und die Schlüssel­figur für diesen Plan ist sein Sohn. Der König schickt seinen Sohn als Gesandten zur abtrünnigen Insel. An diesem Gesandten sollen die Bewohner erkennen, dass der König ihnen wohl gesonnen ist, dass er sie lieb hat. Zugleich sollen sie an diesem Gesandten erkennen, was es heißt, dem König treu zu sein, denn das lebt der Königssohn ihnen vor: Treue und Gehorsam. Der König lässt ausrufen: Dies ist mein lieber Sohn, an dem habe ich Wohl­gefallen; der lebt so, wie mir es gefällt. Und dann geschieht noch etwas sehr Erstaun­liches: Der König lässt an seinem lieben und treuen Sohn die Strafe voll­strecken, die eigentlich die abtrünnigen Bewohner der Insel verdient haben. Er tut es in vollem Ein­vernehmen mit seinem Sohn. So tut er der Gerechtig­keit Genüge: Strafe muss sein für den Abfall, darum wird sie auch vollstreckt – aber eben stell­vertretend an seinem Sohn, der persönlich keine Strafe verdient hat. Und damit kommt zugleich die Liebe des Königs zum Zuge: Er kann jetzt den Insulanern gnädig sein, er braucht sie nicht mehr zu bestrafen. Seinen Sohn aber erhebt er darauf zu höchsten Ehren und überträgt ihm die Regierungs­vollmacht für sein gesamtes Reich. Er, der Vater, bleibt mit seiner Macht künftig im Hintergrund – er will nur noch durch seinen Sohn geehrt werden, und er will nur noch, dass man künftig auf seinen Sohn hört und sich dessen Herrschaft unter­stellt. Das bedeutet: Wie der Sohn in der Welt die Liebe und Gerechtig­keit des Vaters vorgelebt hat, so sollen künftig alle Bürger des Reiches in Liebe und Gerechtig­keit leben.

Liebe Brüder und Schwestern, so hat der Gottessohn Jesus Christus uns die Liebe und Gerechtig­keit des himmlischen Vaters gezeigt. Es ist so, wie er es ihm im Gebet gesagt hat: „Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan.“ Es ist auch nach der Himmelfahrt Jesu so weiter­gegangen, denn durch den Heiligen Geist wirkt und lehrt Jesus ja weiter in unserer Welt; insofern hat die Himmelfahrt keine Änderung gebracht. Jesus sagte damals: „… und ich werde deinen Namen kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“ Darum ist am Himmel­fahrtstag und an allen Tagen unseres Lebens Jesus Christus die Haupt­person, der Sohn des Königs. Wer sich zu ihm hält, für den ist die Absonderung von Gott überwunden, der gehört ganz und gar zu Gottes herrlichem Reich. Wer sich nicht zu Jesus hält, der lebt noch in der Ab­sonderung. Aber auch er ist eingeladen, sich mit dem himmlischen Vater wieder versöhnen zu lassen durch den Sohn, denn auch ihn hat der König trotz allem immer noch lieb. Und wie Jesus vom Vater als Botschafter der Liebe in die Welt gekommen ist und wir durch ihn den Vater erst richtig kennen­gelernt haben, so sind wir nun unserer­seits als Botschafter der Liebe von Jesus Christus zu unseren Mitmenschen gesandt, damit sie durch uns den Sohn erkennen, durch den Sohn aber den Vater im Himmel. Lasst uns in der christ­lichen Gemeinde dafür unsere Gaben einsetzen und unsere Zeit und vor allem unsere Liebe, dass wir den Menschen zeigen, wie sie aus der Absonderung von Gott in die Gemein­schaft mit Gott zurück­finden können. Gott schenke uns dafür viel Kraft und Phantasie – und sei es auch nur, dass wir die Nicht­christen unserer Umgebung wissen lassen: Auch wir haben heute Vatertag gefeiert – aber einen anderen Vatertag, den Tag unseres Vaters im Himmel und seines Sohnes Jesus Christus! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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