Unser Hirte und König ist geboren

Predigt über Hesekiel 37,24a zum Heiligen Abend

Liebe Gemeinde!

Stellt euch vor, ein Ehepaar macht zu Weihnachten eine Urlaubs­reise. Sie fahren an einen beliebten Ferienort. Ein Quartier haben sie nicht vor­bestellt. Die Frau ist hoch­schwanger. Es würde dem Ehepaar dann vermutlich so gehen wie Maria und Josef in Bethlehem bei der Herbergs­suche: „Bedaure, wir sind voll besetzt!“ Und wir würden von den guten Leuten denken: Ganz schön leicht­sinnig, ganz schön dumm, unter solchen Umständen auf Reisen zu gehen!

Bei Maria und Josef lag der Fall allerdings anders. Es handelte sich nicht um eine Urlaubs­reise. Sie wollten nicht verreisen, sie mussten. Der römische Kaiser Augustus hatte es so gewollt. Er hatte Befehl gegeben, dass alle Juden an ihren Herkunfts­ort ziehen und sich dort für die Steuer re­gistrieren lassen sollen. Maria und Josef stammten beide vom König David ab, und der war in Bethlehem beheimatet gewesen. Weil David eine ungeheuer große Nach­kommen­schaft hatte, war Bethlehem total überfüllt. Aber Maria und Josef mussten dahin, sie mussten sich dort ein Quartier suchen, trotz Überfüllung und Schwanger­schaft; es lag an Augustus und es lag an König David.

Lange vorher, als der junge Mann David noch in Bethlehem lebte, da weidete er die Schaf- und Ziegen­herden seines Vaters auf den Wiesen vor der Stadt. Erst später wurde er König in Jerusalem. David hatte also nach­einander zwei Berufe gehabt: erst Hirt, dann König. Das ist nur scheinbar ein Gegensatz wie arm und reich, Mist und Weihrauch, Säugling und Welten­herrscher – ober­flächlich betrachtet! Auf denzweiten Blick sind sich die beiden Berufe Hirt und König eigentlich sehr ähnlich: Beide haben Ver­antwortung für andere, beide müssen andere leiten, beide müssen andere versorgen und Gefahren von ihnen abwenden. Der Hirt hat Ver­antwortung für die Herde, der König für das Volk. Insofern war Davids erster Beruf – Hirt – eine gute Vor­bereitung auf seinen zweiten Beruf – König. Als David König war und auf der Höhe seiner Macht stand, machte Gott ihm ein wunderbares Vesprechen. Er ließ ihn wissen: Einer von Davids Nachkommen soll dem ganzen Volk Israel und darüber hinaus allen Menschen Frieden bringen und ewig herrschen. Nach Davids Tod haben Propheten immer wieder an diese Verheißung des Davidssohns erinnert. Zum Beispiel der Prophet Micha, der ankündigte, dass der Erlöser aus Bethlehem kommen werde, aus Davids Heimat­stadt. Oder auch der Prophet Hesekiel – ich erinnere noch einmal an sein Wort, das ich als Predigttext verlesen habe: „Mein Knecht David (eigent­lich: der verheißene Davidssohn) soll ihr König sein und der einzige Hirte über sie alle.“ Merkt ihr's? König und Hirte, wie David selbst, Menschen­hirte nämlich über Gottes Volk!

So, und nun zurück zu Weih­nachten! Jetzt können wir nämlich begreifen, warum das alles so war bei der Geburt von Jesus. Gott wählt einen Mann und eine Frau aus der Sippe Davids und schenkt ihnen als Kind den Davidssohn, den ver­sprochenen Menschen­hirten und Friedens­könig. Dem Kaiser Augustus gibt Gott im richtigen Moment die Idee mit der Volks­zählung ein, damit Maria und Josef sich nach Bethlehem begeben und der Erlöser, wie an­gekündigt, in Davids Heimatstadt zur Welt kommt. Und dann sucht sich Gott ganz bewusst ein paar Leute aus, denen er außer Maria und Josef die Geburt des Davidssohns mitteilt. Das waren einmal Hirten, die, ebenso wie der Hirtenjunge David ein paar hundert Jahre zuvor, ihre Herden auf den Feldern bei Bethlehem weideten. „Euch ist heute der Heiland geboren, der Herr, in der Stadt Davids!“, sagten ihnen die Engel, und so kamen Hirten als erste Gäste an die Krippe. Und dann waren da auch noch die Weisen – ob es wirklich Könige waren, wissen wir nicht genau, auf alle Fälle aber kamen sie aus königlichen Kreisen und brachten königliche Geschenke. Durch einen Stern hatte Gott sie zum neu geborenen König geführt. Merkt ihr's? Hirten und Könige versammeln sich an der Wiege des Menschen­hirten und Himmels­königs! Alles, alles in der Weihnachts­geschichte bestätigt uns: Das ist er! Ja, der da in der Krippe liegt, das ist der ver­sprochene Davidssohn, der Hirte und König für Israel und alle Völker, dessen Friedens­reich nie aufhören wird. Kein Zweifel, Gott hat es alles ganz genau nach den Ver­heißungen der Propheten so gefügt. Seht, darum mussten Maria und Josef verreisen – weil Gott gewollt hat, dass deutlich wird: Das ist er, der ver­sprochene Erlöser!

„Mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle“, so hatte es Gott durch Hesekiel versprochen. Und dieses Versprechen gilt auch uns, die wir heute hier sitzen. Jesus will auch heute noch für alle Menschen Hirte und König sein. Er will uns leiten, uns versorgen und Gefahren von uns abwenden. Er bringt uns Frieden mit Gott und dadurch auch die Möglich­keit, mit anderen Menschen Frieden zu finden. Er will ewig über uns regieren, auch weit über unsere kurze Lebens­spanne in dieser Welt hinaus. Darum ist die Weihnachts­geschichte nicht einfach nur eine schöne Geschichte und auch nicht einfach nur ein Stück Welt­geschichte, sondern sie geht uns direkt etwas an: Unser Hirte, unser König ist geboren!

Aber brauchen wir überhaupt einen König, einen Hirten? Viele sagen nein. Von Königen, Herrschern und Regierungen sind sie allzu oft enttäuscht worden. Und weiden, den rechten Weg und die grüne Weide finden, das, meinen sie, können sie als mündige Menschen selbst. Viele möchten heute autonom sein, selbst­bestimmt, ihr eigener Herr, ihr eigener König. Wozu da noch der Davidssohn? Die Bibel antwortet klar und zutreffend: Weil wir Schafe sind, die in die Irre gehen. Ich möchte es mit einer Geschichte ver­deutlichen. Ein Schaf erblickt in der Ferne eine saftige grüne Weide, mit Klee und wohl­schmeckenden Wiesen­blumen. „Da muss ich hin“, denkt das Schaf. Es setzt sich in Bewegung, rennt los, ist voller Vorfreude. Zu spät merkt es, dass zwischen ihm und der Wiese ein Felsen­schlucht liegt mit steilem Abhang. Das Schaf stürzt hinein und stirbt. So, liebe Gemeinde, geht es uns Menschen, wenn wir hirtenlos sind: Wir jagen nach dem ver­meintlichen Glück am Horizont, aber wir erreichen es nicht, unser Leben misslingt, wir sterben und verderben. Nur mit dem guten Hirten Jesus Christus finden wir die gute Weide, er kann uns hinführen. Nur wenn wir an den Davidssohn und Gottessohn glauben, finden wir erfülltes Leben hier in dieser Welt und auch nach dem Tod in Ewigkeit. Freuen wir uns also, dass er für uns geboren wurde! Lassen wir uns von diesem Hirten weiden und von diesem König regieren! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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