Treu bleiben und überwinden

Predigt über Offenbarung 2,8‑11 zum Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Das Christenleben gleicht einem Langstreckenlauf. Beim Langstreckenlauf kommt es darauf an, das Ziel zu erreichen. Der Läufer muss durchhalten, auch wenn's schwer fällt. Er muss weiterlaufen, auch wenn die Füße schmerzen. Er darf sich nicht beirren lassen, auch wenn es anfängt zu regnen. Er läuft immer weiter, weiter auf das Ziel zu. Ankommen will er, nur ankommen. Deshalb hält der Langstreckenläufer durch.

Das Durchhalten im „Langstreckenlauf“ des Christenlebens wird in unserem Predigtwort „überwinden“ genannt: „Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tode.“ Mit dem „zweiten Tode“ ist die Hölle gemeint, die endgültige, ewige Trennung von Gott. Wer durchhält, wer „überwindet“, wer im Glauben dem Herrn Jesus Christus treu bleibt bis zum Schluss, der kommt ans Ziel, der erreicht die ewige Seligkeit des Himmels; der „zweite Tod“ bleibt ihm erspart. Wer durchhält, wer „überwindet“, wer im Glauben dem Herrn Jesus Christus treu bleibt bis zum Schluss, der bekommt den Siegerkranz. Dieser Siegerkranz wird in unserem Predigtwort die „Krone des Lebens“ genannt. Es heißt dort: „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ Unzählige junge Christen haben dieses Wort als Konfirmationsspruch mit auf den Weg bekommen, und damit ist in der Tat das Wichtigste gesagt, worauf es im Leben ankommt: dem Herrn Jesus Christus bis ans Lebensende im Glauben treu bleiben. Wer vorher schlapp macht, der hat nichts davon, dass er mal konfirmiert wurde und dass er mal geglaubt hat. Wer seinen Glauben aufgibt und dem Herrn Jesus den Rücken kehrt, der hat die Krone des ewigen Lebens verloren.

Jeder Langstreckenläufer kennt die Versuchung, vorzeitig aufzugeben. Solche Anfechtungen können von außen oder von innen kommen. Von außen mag sengende Hitze oder strömender Regen den Läufer entmutigen. Von innen her können es schmerzende Muskeln sein, Atemnot oder einfach Erschöfung. Auch im Christenleben kommt die Anfechtung sowohl von außen als auch von innen. Bei den Christen der Gemeinde in Smyrna, denen unser Predigtwort zuerst galt, wird die Anfechtung von außen als „Bedrängnis“ bezeichnet, die Anfechtung von innen als „Armut“. Die äußere Bedrängnis war damals eine massive Christenverfolgung. Jesus sagte der Gemeinde in Smyrna voraus, dass einige von ihnen um des Glaubens willen im Gefängnis landen werden. Mit der inneren Anfechtung, der Armut, ist wahrscheinlich direkt der Mangel an Geld und Lebensmitteln gemeint. Solche Armut kann wirklich echte Glaubenszweifel hervorrufen. Manches Gemeindeglied in Smyrna wird sich gefragt haben: „Warum versorgt Gott uns nicht ausreichend, warum bewirkt sein Segen nicht einem guten Lebensstandard? Was haben wir von unserem Glauben, wenn es den gottlosen Menschen besser geht als uns?“

Die inneren und äußeren Anfechtungen beim „Langstreckenlauf“ des Christenlebens können sehr verschieden sein. Auch können sie verschieden schwer drücken. Sie hängen ab von der Zeit, von den verschiedenen Gemeinden, auch vom einzelnen Christen und seinen Lebensumständen. So haben wir heute in unserem Land nicht zu befürchten, dass wir um unseres Glaubens willen ins Gefängnis geworfen werden. Wir können Gott loben und ihm dankbar sein, dass heutzutage bei konsequentem Christsein auch keine beruflichen Nachteile mehr drohen, wie es vor gar nicht langer Zeit in der DDR der Fall war. Eine äußere Anfechtung begegnet uns eher darin, dass einige Leute über unseren Glauben ironische Bemerkungen machen, wenn etwa dem Kirchgänger spöttisch zugerufen wird: „Na, musst du wieder beten?“ Eine äußere Anfechtung begegnet uns auch darin, dass der großen Mehrheit unserer Mitmenschen Gott ziemlich egal ist. Christliche Schüler zum Beispiel, die mit ihrem Glauben in der Schulklasse allein dastehen, können es sehr schwer haben.

Was nun die Anfechtungen von innen betrifft, da liegt uns die Situation der Christen in Smyrna schon näher: Auch bei vielen heutigen Christen kann materielle Armut zur Anfechtung werden. Das gilt nicht nur für den einzelnen Christen, sondern auch für Kirche und Gemeinde. Einige von euch werden mitbekommen haben, dass unsere Kirche wachsende finanzielle Probleme hat – wie übrigens fast alle anderen Kirchen auch. Pfarrstellen müssen gestrichen werden, Kirchgebäude können teilweise nicht mehr unterhalten werden. Diese äußere Armut der Kirche ist Anzeichen einer inneren Verarmung. Wie sonst lässt sich erklären, dass manche Gemeindeglieder, die ein regelmäßiges Einkommen beziehen, keinen Cent Gemeindebeitrag zahlen? Wie sonst lässt sich erklären, dass von zehn Gemeinedgliedern nur durchschnittlich zwei sonntags im Gottesdienst anzutreffen sind? Sind die anderen acht alle krank, oder müssen sie am Sonntagvormittag arbeiten? Nein, liebe Gemeinde, wir wissen es, das hat vor allem folgenden Grund: Der Glaube ist so schlaff und müde geworden, dass einigen unserer Mitchristen jede Anstrenung für Jesus Christus und seine Gemeinde zuviel wird.

In dieser Situation ruft Gott uns allen zu, die wir sein Wort noch hören wollen: Du aber, lieber Christ, „sei getreu bis an den Tod“! Mach nicht schlapp im Langstreckenlauf des christlichen Lebens, sondern halte durch! Lass dich nicht irre machen davon, dass viele andere um dich herum schlapp machen!

Die Frage ist nur: Wie kann ich das schaffen mit meinem kleinen, angefochtenen Glauben? Ich spüre so wenig geistliche Kraft in mir, und ich merke, wie die Anfechtung übermächtig ist! Wer so empfindet, ist wenigstens ehrlich mit sich selbst, er schätzt sich richtig ein. Denn welcher Mensch könnte es wagen zu sagen: „Ich schaffe das schon, ich halte durch, ich bleibe treu, ich überwinde, weil ich stark bin und zäh und ausdauernd, voll innerer Kraft!“ Die Wahrheit ist: Kein Mensch hat in sich die Kraft zum Überwinden; der Teufel ist mit seinen Anfechtungen tausendmal stärker. Weil das so ist, müssen wir einen anderen bitten, für uns zu siegen. Dieser andere heißt Jesus Christus. Ihn sollen wir bitten, dass er uns die Kraft zum Durchhalten schenkt. Zu ihm sollen wir flehen, dass er uns überwinden lässt. In Wahrheit bedeutet die Aufforderung „Sei getreu bis an den Tod!“ also nichts anderes als dies: Bleibe treu am Gebet, erhoffe und erflehe weiterhin alle Kraft von Jesus! Bleib mit ihm verbunden und nimm dann auch alle Hilfen in Anspruch, die er dir für's Durchhalten schenkt: die Kraft aus dem Zuspruch der Sündenvergebung, die Kraft aus der Predigt seines Wortes, die Kraft aus dem Heiligen Abendmahl, die Kraft aus dem Segen, der dir und der ganzen Gemeinde am Ende jedes Gottesdienstes zugesprochen wird.

Dies, liebe Gemeinde, ist der wahre Reichtum der Kirche: Gottes Wort, das die Kraft hat, in uns Glauben zu wecken, und das die Kraft hat, diesen Glauben auch zu stärken und zu erhalten. Genau aus diesem Grund ruft Gott uns auch heute noch zu, gerade im Hinblick auf materielle Armut: „Du bist aber reich!“ Wenn wir beten und flehen: „Herr, siege du für mich im Langstreckenlauf des Christenlebens, ich schaffe es nicht!“, dann antwortet er uns: Christus hat schon gesiegt; er selber hat schon überwunden; er hat die Hölle für dich zugeschlossen und den Himmel aufgetan. Dieses Wort bewirkt in unseren Herzen, dass wir's glauben können und in diesem Glauben bis ans Ende beharren. Dieses Wort ist unser Reichtum, den keine Wirtschaftskrise entwerten kann.

Wer also den Langstreckenlauf des Lebens mit Christus läuft und darauf hört, was dieser ihm unterwegs zuruft, der wird treu bleiben bis an den Tod, der wird überwinden, der wird ans Ziel kommen, garantiert. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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