In jeder Lebenssituation Gemeinschaft mit Gott pflegen

Predigt über Jakobus 5,13 zum 19. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Dem Jakobus geht es in seinem Brief vor allem um das rechte christliche Verhalten, also um das sogenannte praktische Christen­tum. Das ist auch bei dem Bibelvers so, den wir heute als Predigttext bedenken: Der Apostel gibt uns ganz schlicht eine praktische Anweisung. Er schreibt: „Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.“ Statt Psalmen können wir auch „Loblieder“ sagen, denn das griechische Wort „psalmos“ bedeutet ganz einfach „Lied“.

Nun könnte man ja sagen: Lieber Jakobus, das versteht sich doch von selbst! Ist doch klar, dass wir als Christen im Gebet alles vor Gott bringen; im Leid flehen wir um Beistand und Hilfe, in Freuden­zeiten danken wir und singen Loblieder. Ist doch klar, Jakobus! Aber es ist eben nicht für alle Christen selbst­verständ­lich, leider. Und weil Jakobus das wusste und weil Gott das weiß, darum werden wir aus­drücklich dazu auf­gefordert in Gottes Wort, im Brief des Jakobus. Es ist eben leider nicht so, dass das Beten in allen Gemütslagen ein selbst­verständ­liches Bedürfnis aller Christen ist. Es gibt da oft eine große Trägheit und Müdigkeit im Gebets­leben, die kenne ich auch selbst. Und wenn uns da nicht die vielen knallharten Gebets­befehle in der Bibel Beine machen würden, dann würde das Gebetsleben bei vielen bald völlig ein­schlafen. Denn der Teufel versucht mit einer ganzen Palette von Einwänden und Ausreden zu erreichen, dass unser Beten aufhört.

Wenn wir krank sind oder unter etwas anderem leiden, dann lautet ein Einwand: „Beten hilft nicht, du musst schon selbst was tun! Du musst dir deine Hilfe selbst organi­sieren. Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!“ Das wird uns ja heute von vielen Seiten ein­gehämmert: Du musst deine Probleme selbst in den Griff kriegen, und das kannst du auch, wenn du nur beharrlich daran arbeitest! Mancher glaubt auch, mit den richtigen Fachleuten kommen alle Probleme ins Lot; man muss nur den richtigen Arzt für die richtige Krankheit finden, dann wird der einen schon heilen. Oder ein Gemüts­mensch denkt, er könne seine Probleme einfach aussitzen, mit der Zeit wird alles heil. Gottes Wort hält dagegen: „Leidet jemand unter euch, der bete!“ Bitte Gott um Hilfe und vertraue auf ihn, denn letztlich geht alle Hilfe von ihm aus, egal, auf welchem Weg sie dann zu uns kommt: durch neue Kraft, die er uns schenkt, oder durch andere Menschen oder durch Fachleute oder durch Geduld.

Ein anderer Einwand von leidenden Menschen lautet: „Ich bin sauer auf Gott; er hat mich im Stich gelassen, darum rede ich nicht mehr mit ihm.“ Ein gefähr­licher Einwand. Die Bibel nennt diesen geistlichen Schmoll­winkel ein „ver­stocktes Herz“. Wer sich so von Gott abtrennt, der trennt sich vom guten Leben ab. Auch wenn du Gott nicht verstehst, auch wenn dich sein Kreuz hart drückt, ist es immer noch besser, Gott im Gebet an­zuschreien oder ihm etwas vor­zujammern als ihm die kalte Schulter zu zeigen.

Andere leidende Menschen beten nicht, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Das Leid hat sie sprachlos gemacht. Aber auch dieser Einwand ist eine Ausrede, denn diesen Menschen kann geholfen werden. Es gibt im Anhang des Gesangbuches für viele Not­situationen vor­formulierte Gebete, die man einfach ablesen kann. Man kann auch einfach das Vaterunser beten, da steckt alles drin. Man kann einen Mitchristen bitten, dass der mit einem betet. Und man darf auch mal so beten, dass man einfach nur mit gefalteten Händen seufzt, dass man einfach sagt: „Herr erbarme dich!“ – Gott hört und versteht auch dieses Gebet, sehr gut sogar.

Auch der fröhliche Mensch kann durch Einwände und Ausreden daran gehindert werden, Dankgebete zu sprechen und Loblieder zu singen. Er kann etwa zu beschäftigt sein. Da gilt es zum Beispiel eine Familien­feier aus­zurichten, vielleicht einen runden Geburtstag. Die Wohnung muss geputzt werden, das Festessen will vorbereitet sein, zum Frisör muss man noch und vielleicht auch noch ein paar neue Schuhe kaufen… Wie leicht bleibt da das Wichtigste auf der Strecke: Dass man Gott dankt und ihm ein Loblied singt!

Ein anderer froher Mensch ist vielleicht zu abgelenkt und denkt gar nicht mehr ans Loben und Danken. Verliebten kann das so gehen. Ich finde dass ganz traurig: Da verlieben sich zwei junge Christen ineinander, versprechen sich auch, dass sie immer zusammen­bleiben wollen, und genießen das Leben zu zweit – aber dass sie Gott dafür loben und danken, das lassen sie außer acht. Wie viele halten es nicht mehr für nötig, mit einer schönen und festliche kirchlichen Trauung zusammen mit der Gemeinde Psalmen zu singen am Anfang ihres gemeinsamen Weges!

Wieder ein anderer froher Mensch behauptet vielleicht: „Ich kann nicht singen!“ Da bin ich oft skeptisch. Ich denke, die meisten Menschen können singen, nur viele sind es nicht gewohnt, sie haben es nie richtig geübt. Aber auch wer wirklich nicht mit seinem Mund singen kann, der kann doch wenigstens mit seinem Herzen singen. Oder er kann ein Gesang­buchlied laut sprechen. Oder er kann eine CD mit schönen Lobliedern abspielen und im Geiste mitsingen. Oder – und das ist die beste Möglich­keit! – er kann mit anderen Christen zusammen singen und musizieren, im Gottes­dienst und bei anderen Gelegen­heiten.

„Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.“ Lassen wir unsere Einwände und Ausreden beiseite, tun wir's einfach! Gerade auch dann, wenn uns nicht danach zumute ist, wenn wir nicht das Bedürfnis dazu verspüren. Denn darin lebt unser Glaube: dass wir Freude und Leid mit Gott teilen, dass wir mit ihm reden wie mit einem Freund; ja mehr noch: dass wir von ihm alle Hilfe erbitten und ihm für alles Gute danken.

Aber nun ist es ja nicht so, dass wir entweder leiden oder guten Mutes sind; Freude und Leid sind ja zwei Stimmungs-Extreme. Normaler­weise leiden wir nicht und sind auch nicht besonders froh, normaler­weise fühlen wir uns normal. Wie sieht's denn da mit dem Beten aus? Sollte Jakobus meinen, dann brauchen wir nicht zu beten; beten sei nur etwas für Extrem­situatio­nen, für besondere Leidens- und Freuden­zeiten? Keineswegs. Wenn Jakobus die beiden Extreme benennt, dann meint er auch alle Stimmungs­schattierun­gen dazwischen. Wir sollen das Gespräch mit Gott niemals abreißen lassen, auch in der normalen Alltags­stimmung nicht. „Betet ohne Unterlass!“ heißt eine andere biblische Auf­forderung, „Haltet an am Gebet!“ eine ähnliche.

Einige von euch kennen vielleicht die Geschichten oder Filme von Don Camillo, dem urwüchsigen italieni­schen Priester. Er hatte die Gewohnheit, ganz häufig vor das Kreuz in seiner Kirche zu treten und mit dem Ge­kreuzigten zu reden, mit Jesus, seinem Herrn. Er redete, wie ihm der Schnabel gewachsen war, und er machte nie einem Hehl daraus, wie ihm gerade zumute war. Er sagte ihm, worüber er sich freute, worüber er sich ärgerte und was ihn sonst noch bewegte. Genauso soll unser Beten sein. Denn das ist wesentlich für unseren christ­lichen Glauben und unser christ­liches Leben: dass wir die Gemein­schaft mit unserm Herrn pflegen, dass wir mit ihm reden und auf ihn hören, und dass er uns auf diese Weise immer vertrauter wird. „Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.“ Und fühlt sich jemand normal, dann bleibe er auch dann dran am Gebet. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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