Von der Gewalt der Engel

Predigt über Apostelgeschichte 5,17‑21a zum Michaelisfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Unter den Muslimen gibt es bis zum heutigen Tag welche, die meinen, sie müssten mit Gewalt ihren Glauben verteidigen und verbreiten. Wir Christen dagegen wissen, dass wir unseren Glauben ohne Gewalt verteidigen und verbreiten sollen, nur durch das Wortzeugnis und durch Taten der Liebe. Dies sollte klar sein seit jener Nacht im Garten Gethsemane, als die Diener der Finsternis Jesus mit Gewalt gefangen nahmen. Petrus wollte damals den Herrn mit Gewalt heraushauen und für die Sache des Evangeliums mit dem Schwert kämpfen, aber Jesus sagte ihm: „Steck dein Schwert weg! … Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte?“ (Matth. 26,52‑53).

Mehr als zwölf Legionen Engel – da sind wir beim Thema des Michaelis­festes. Wir sehen daran erstens: Wenn jemand mit Gewalt den Freiheits­kampf des Evangeliums kämpfen soll, dann sind es nach dem Willen unseres Herrn die Engel und nicht wir Menschen. Und wir sehen daran zweitens: Die Engel sind keine formlose Gruppe gleich­berechtig­ter Geistwesen, sondern sie sind militärisch straff organi­siert. Zu Jesu Zeiten wussten alle, was Legionen waren: Es waren die Tausend­schaften des un­schlagbaren römischen Heeres, mit muster­gültiger Disziplin und Ordnung. Zu jeder Legion gehörten zehn Kohorten, zu jeder Kohorte drei Manipel und zu jedem Manipel zwei Zenturien oder Hundert­schaften, insgesamt an die sechs­tausend Legionäre, mit Offizieren auf allen Ebenen. So geordnet und diszipli­niert sind auch Gottes himmlische Heer­scharen, die Engel, lässt uns die Bibel wissen. Und an der Spitze steht ihr General, der Engelfürst, der Erzengel Michael. Noch einmal: Wenn Gott mit Gewalt für seine Sache auf Erden kämpft, dann durch sein Engelheer, nicht durch Menschen.

Ein Beispiel dafür ist das, was unser heutiger Predigttext berichtet. Widerstands­los ließen die Apostel sich von ihren Feinden festnehmen und ins Gefängnis werfen. Die gewaltsame Befreiung erledigten weder sie selbst noch ihre Freunde, die Christen der Jerusalemer Urgemeinde. Ihre Befreiung erledigte der „Engel des Herrn“, wie es heißt, der Engelfürst Michael und die von ihm dazu ab­kommandier­te himmlische Eingreif­truppe. Wie heute manche Muslime glauben, sie könnten mit Gewalt die anderen Religionen bekämpfen und vernichten, so glaubten damals, kurze Zeit nach Jesu Tod und Auf­erstehung, die führenden Juden, sie könnten die aufblühende Christen­heit mit Gewalt zer­schlagen. Glühende Eifersucht war ihre Triebfeder, denn sie sahen, wie immer mehr Juden ihnen die Gefolg­schaft auf­kündigten und sich der christ­lichen Gemeinde an­schlossen. Darum entschloss sich das Kabinett des Hohen­priesters dazu, die unermüdlich predigenden und heilenden Apostel lahm­zulegen, und warfen sie ins Gefängnis. Und nun achtet mal genau darauf, wie der Engel Michael eingriff. Wir lesen: „Der Engel des Herrn tat in der Nacht die Türen des Gefäng­nisses auf und führte sie heraus und sprach: Geht hin und tretet im Tempel auf und redet zum Volk alle Worte des Lebens.“

Warum befreite Michael die Apostel aus dem Gefängnis? Damit sie nicht länger unter menschen­unwürdigen Bedingungen leben mussten? Weil sie ihm leid taten? Damit sie ihr Leben wieder in Freiheit genießen konnten? Von all dem ist nicht die Rede. Bei der Befreiung gab er ihnen nämlich den Auftrag: „Geht hin und tretet im Tempel auf und redet zum Volk alle Worte des Lebens.“ An diesen Worten erkennen wir, warum er sie befreite: Damit sie weiter Mission treiben konnten! Damit sie das lebens­rettende Evangelium von Jesus Christus unters Volk bringen konnten! Damit noch viel mehr Menschen für Jesus Christus und für das ewige Leben gewonnen werden! Ja, darum befreite Gottes Engel die Apostel aus dem Gefängnis.

Und jetzt zu uns, liebe Gemeinde. Was erwarten wir von den Engeln? Erwarten wir, dass sie uns beschützen? Vor Terror­anschlägen und anderem Unglück? Ja, das erwarten wir, und das tun sie auch, Gott hat es ver­sprochen. Aber warum tun sie es? Damit wir ein angenehmes Leben haben? Damit uns Schmerz und Leid erspart bleiben? Nein, darum nicht. Gott hat uns ja nicht verheißen, dass wir in dieser Welt vor Schmerz und Leid verschont bleiben sollen, im Gegenteil, er hat uns sogar wissen lassen, dass wir als Jünger Jesu viel Trübsal zu erwarten haben. Aber was soll denn dann Gottes Schutz­engel? Die biblische Geschichte unseres Predigt­textes gibt die Antwort: Er ermöglicht es uns, als Zeugen von Jesus Christus zu leben. Er schenkt uns die äußere und innere Freiheit, das Wort vom Leben weiter­zugeben – das Wort, das all denen ewiges Leben verheißt, die an Jesus glauben.

Denn es ist doch so: Du selbst kannst dich nicht mit Gewalt gegen die Mächte der Finsternis wehren, du bist viel zu schwach. Jesus selbst aber hat mit seinem Engelheer die Macht der Finsternis für dich besiegt; die ent­scheidende Schlacht hat er am Kreuz geschlagen. Du selbst kannst dich nicht aus Satans Sündenfalle befreien, aber Jesus hat dich daraus befreit mit der Macht seiner Engel. Bei deiner Taufe hat er die Türen des Gefäng­nisses aufgemacht, in das dich Satan eingesperrt hat. Er hat es allerdings nicht getan, damit du als getaufter und erlöster Christ nun einfach eigenmächtig dein Leben genießt und nur das tust, was dir Spaß macht. Er hat dir bei deiner Befreiung vielmehr denselben Auftrag gegeben, den er den Aposten damals bei ihrer nächtlichen Befreiung aus dem Tempel gab: „Geht hin und redet alle Worte des Leben!“ Als Christen sind wir Jünger Jesu, und als Jünger Jesu sind wir auch Zeugen Jesu. Denn wenn Gott mit seinen Engeln Menschen befreit, dann befreit er sie nicht nur von etwas, sondern auch zu etwas: Er befreit sie von der Macht der Finsternis für ein Leben zu Gottes Ehre, Ein Leben zum Zeugnis von Gottes Liebe in Jesus Christus.

Das, was nur mit großer Macht und Gewalt zu schaffen ist, das erledigt Gott mit seinen Engeln: den Satan bezwingen, die Menschen befreien. Das, was mit Gottes Wort und Taten der Liebe getan werden soll, dass sollen wir tun, die Jünger Jesu: Nämlich alle Menschen wissen lassen, dass Jesus Christus alle Gewalt hat im Himmel und auf Erden und dass er sie mit seinem starken Engelheer auch ausübt, wiewohl verborgen und unsichtbar. Unermüdlich sollen wir zu Jesus einladen, denn nur bei ihm gibt es wahre Freiheit und ewiges Leben. Der Herr gebe uns Freudigkeit dazu und seine Gnade. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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