Gottes Retter Gideon

Predigt über Richter 6 bis 7 zum Sonntag Exaudi

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Die Bibel ist voller wunderbarer Berichte darüber, wie Gott aus Not hilft. Manche Geschichten sind sehr bekannt, andere weniger. Ich möchte euch heute eine weniger bekannte biblische Geschichte erzählen, die Geschichte von Gideon.

Obwohl Gott sein Volk Israel sehr lieb hatte, ließ er doch immer wieder zu, dass es in schwere Not geriet. So auch in den ersten Jahr­hunderten, nachdem die Israeliten im Land Kanaan sesshaft geworden waren. Die Nachbar­völker waren neidisch auf Israel und störten seinen Frieden. Die Midianiter verhielten sich besonders gemein: Immer, wenn die Israeliten ihre Felder bestellt und Getreide ausgesät hatten, kamen sie in großen Scharen an und verwüsteten die Felder. Die Israeliten mussten in diesen Jahren großen Hunger leiden. Sie trauten sich nicht, gegen die Midianiter zu kämpfen; sie verkrochen sich vielmehr in Felsen­höhlen, wenn die Midianiter kamen. Es war eine ganz schlimme Zeit.

Die Israeliten, die Gott den Herrn vorher schon fast vergessen hatten, besannen sich in ihrer Not auf ihn und begannen zu beten. Not lehrt beten – so war es auch damals. „Sie schrien zu Gott“, heißt es. Liebe Gemeinde, ich bin mir sicher: Wenn mal wieder eine große Not über Deutschland kommen sollte, so richtig mit Hunger und Elend, dann würden viele Menschen auch wieder anfange zu beten. Dann würden viele, die an diesem Sonntag­morgen gemütlich zu Hause sitzen, hier mit uns in der Kirche sitzen und nach Gott fragen. Und sie würden Antwort erhalten, wie die Israeliten damals Antwort erhielten. Diese Antwort bestand allerdings nicht in sofortiger Hilfe. Zunächst beauftragte Gott einen Propheten damit, den Israeliten eine Botschaft zu bringen. Diese Botschaft war eine Mahnung. Gott ließ ihnen sagen: „Ihr Israeliten, ich habe euch aus der Sklaverei befreit, aus Ägypten, und ich habe euch das Land Kanaan geschenkt, wo ihr in Freiheit leben könnt. Ihr aber habt mich vergessen. Ihr achtet nicht auf meine Gebote, ihr dient mir nicht. Stattdessen habt ihr angefangen, Götzen­bilder anzubeten, den Baal und die Aschera, wie die Nachbar­völker es machen!“ Wir sehen: Die Not der Israeliten war eine Erinnerung von Gott, ein Denkzettel, dass sie sich wieder auf ihn besinnen. Sie hatten die sichtbaren Götzen­bilder dem unsicht­baren Gott vorgezogen, sie wollten lieber Götzen sehen als auf den wahren Gott hören – wie auch heute die Menschen lieber sehen als hören wollen: Sie wollen lieber schöne bunte Bilder auf Bild­schirmen und in Illus­trierten sehen als auf das Wort der Predigt hören.

Aber Gott ist barmherzig, und darum mahnte er nicht nur, sondern er half auch. Wie er den Israeliten damals half, das ist eine spannende Geschichte. Sie beginnt damit, dass er sich einen Retter aussucht. Es ist der Bauernsohn Gideon. Der war gerade dabei, die spärlichen Reste seiner Ernte zu dreschen und in Sicherheit zu bringen. Da kommt Gottes Engel zu ihm und sagt: „Der Herr ist mit dir!“ Gideon antwortet: „Nein, Gott hat uns verlassen. Früher hat er mal Wunder getan für Israel, aber jetzt hat er uns den Midianitern aus­geliefert.“ Darauf der Engel: „Keines­wegs. Gott hat dich ausgesucht, dass du Israel vor den Midianitern retten sollst.“ Darauf Gideon: „Was, ich? Ohne Soldaten? Als Jüngster Sohn der Familie? In einer Sippe, die kaum Einfluss hat in Israel?“ Darauf der Engel: „Ja, gerade du, denn Gott der Herr wird mit dir sein.“ Liebe Gemeinde, das ist typisch Gott: Er sucht sich Helfer und Retter aus, die nach mensch­lichen Maßstäben ungeeignet sind und sich den Auftrag auch nicht zutrauen. So wars bei Mose, so wars bei Jeremia, und so ist es auch bei Gideon. Und wenn Gott von dir erwartet, dass du an seinem Reich mitbauen hilfst, dann sage nicht, das kann ich nicht, da bin ich zu alt oder zu schwach oder zu dumm zu, da habe ich keine Zeit zu. Lass dir vielmehr von Gott sagen: „Ich will mit dir sein“, und dann pack's an. Auch wenn andere es viel besser können und Gottes Engel noch viel besser als jeder Mensch: Gott möchte durch schwache Menschen seine Hilfe in die Welt bringen, damit deutlich wird, dass alle Kraft und Hilfe von ihm kommt!

Gideon sieht es ein, und Gott schickt ihm eine Reihe von Zeichen, die ihn darin bestärken, dass er von Gott als Retter auserwählt ist. Und dann beginnt er seine Rettungs­tat. Wie beginnt er sie? Indem er ein großes Heer sammelt und die Midianiter angreift? Nein, zunächst mal nicht. Zunächst stellt er auf Gottes Geheiß hin ein Abriss­kommando zusammen. Mit zehn Männern geht er nachts zur Kultstätte der Götzen Baal und Aschera und macht dort Kleinholz aus dem Altar und dem Götzenbild. Er packt das Übel bei der Wurzel an, und die Wurzel allen Übels ist die Sünde, die Gottlosig­keit, der Götzen­dienst der eigenen Leute. Die finden das natürlich überhaupt nicht toll. Einige verlangen sogar, dass Gideon dafür mit dem Tode bestraft wird. Da sagt Gideons Vater sehr diplo­matisch: „Wenn Baal ein Gott ist, kann er doch Gideon selbst bestrafen; pfuscht ihm doch nicht ins Handwerk!“

Diese internen Auseinander­setzungen sind schnell vergessen, als der Schreckens­ruf laut wird: „Die Midianiter kommen! Sie lagern schon in der Ebene Jesreel!“ Da kommt Gottes Geist über Gideon, da schenkt ihm Gott großen Mut. Gideon lässt Signale mit Widder­hörnern geben, dass sich die wehrfähigen Männer sammeln sollen. Auch schickt er Boten aus, die in Windeseile die Nachbar­stämme Israels alarmieren. Gott schenkt Gnade, und im Nu hat Gideon ein Heer von 32.000 Mann auf die Beine gestellt. „Zu viele!“, lässt Gott dem Gideon ausrichten, „sonst könnte Israel am Ende noch stolz auf die eigene Kraft werden. Nein nein, es soll doch deutlich werden, dass ich selbst mein Volk errette. Schicke erst mal alle nach Hause, die Angst haben!“ So lässt Gideon die Parole ausgehen: „Wer Angst hat vor den Midia­nitern, der braucht nicht mit­zukämpfen.“ Schon sind 22.000 Leute ver­schwunden; übrig bleiben 10.000 un­erschrockene Soldaten. „Immer noch zu viele!“, sagt Gott. „Lass die Leute jetzt erst mal am Bach Wasser trinken. Und teile sie dann in zwei Gruppen ein: Wer direkt mit dem Mund aus dem Bach getrunken hat, ist Gruppe 1; wer mit den Händen geschöpft und im Knien getrunken hat, Gruppe 2.“ Gideon macht das so, und es stellt sich heraus, dass nur 300 Männer zur Gruppe 1 gehören, der Rest zu Gruppe 2. Da verfügt Gott: „Schicke Gruppe 2 nach Hause! Ich will die Midianiter mit den 300 Mann besiegen.“ Mit 300 Mann? Das riesige, kampf­erprobte Heer der Midianiter? Das wäre ja ein Wunder! Aber genau dieses Wunder will Gott tun, damit die Israeliten endlich merken, wer wirklich die Macht hat.

Aber wie will Gott das anstellen? Mit 300 Mann ein Heer von Zig­tausenden besiegen? Gott schickt zunächst in der Nacht Gideon und seinen Kameraden Pura los, um das feindliche Lager aus­zuspionie­ren. Sie müssen sehr vorsichtig sein: Überall Wachen, überall Soldaten, und dazwischen lagern unzählige Kriegs­kamele. Gideon denkt: „Wie ein Heu­schrecken-Schwarm!“. Er schleicht sich an die Rückseite eines Schlaf­zeltes und belauscht dort das Gespräch zweier midia­nitischer Soldaten. „Weißt du, was ich gerade geträumt habe?“, fragt der eine. „Nee, erzähl schon“, sagt der andere. Der erste, besorgt: „Ich habe im Traum ein riesiges Gerstenbrot gesehen, das rollte in unser Lager, stieß ein Zelt um, rollte weiter, stieß noch mehr Zelte um und verursachte dadurch ein un­beschreib­liches Chaos!“ Der zweite, nun auch besorgt: „Das kann nur eins bedeuten: Wir sind verloren! Und das Gersten­brot, das ist bestimmt dieser israeli­tische Bauern­junge, dieser heldenhafte Gideon, von dem jetzt alle reden.“ Gideon ist erstaunt, dass er bereits bei seinen Feinden so bekannt ist, aber er freut sich natürlich über das Gehörte. Denn das ist ein weiteres deutliches Zeichen von Gott, dass Gott die Israeliten von den Midianitern befreien wird und dass er selbst der auserwählte Retter ist. Schnell kehrt er zu seinen dreihundert Leuten zurück und erklärt ihnen seine Kriegslist. Jeder Mann erhält erstens ein Widderhorn, zweitens eine brennende Fackel und drittens einen Tonkrug. Die Fackeln müssen sie in den Tonkrügen verstecken, damit sie zunächst noch nicht zu sehen sind. Dann teilt er drei Gruppen von jeweils hundert Mann ein, die sich heimlich im Umkreis des midia­nitischen Lagers verteilen. Zur ver­abredeten Zeit, nämlich gleich nach dem nächsten Schicht­wechsel der midia­nitischen Wachen, bläst Gideon aus Leibes­kräften in sein Widderhorn, und die hundert Soldaten bei ihm machen es ebenso. Darauf blasen auch die Soldaten in den anderen Gruppen, sodass rund um das Midianiter­lager ein großes Getöse laut wird. Aber es wird noch lauter: Gideon und seine Leute zerschlagen ihre Tonkrüge, die Fackeln werden sichtbar, und es entsteht der Eindruck, als ob das Midianiter­lager von drei Seiten gleich­zeitig angegriffen wird. Dazu ertönt als Schlachtruf immer wieder der Sprechchor: „Für den Herrn und für Gideon!“ Die schlaf­trunkenen Midianiter sind völlig über­rumpelt. Kopflos greifen sie zu ihren Schwertern und halten jeden für einen Feind, der ihnen über den Weg läuft. So bekämpfen sie sich gegenseitig und treiben sich selbst in die Flucht. Das war der letzte feindliche Ausflug der Midianiter beim Volk Israel!

Gott hat gestraft, Israel hat gebetet, und Gott hat errettet. Er hat es auf seine Weise getan, durch wenige schwache Menschen, damit deutlich wird: Die Rettung ist Gottes Werk. Er hat sich Gideon als Werkzeug erwählt, als Retter, wie er sich vorher schon Mose erwählt hatte und Josua und andere. „Josua“ ist übrigens das hebräische Wort für Retter, oder auch „Jeschua“, oder auch „Jesus“. Und so sind diese alt­testament­lichen Retter ein­schließlich Gideons Vor-Bilder für Jesus Christus, den Gott gesandt hat, um die Menschheit von ihrem ärgsten Feind zu erlösen. Auch Jesus hat es in Schwachheit getan, ja sogar durch Leiden und Sterben am Kreuz. Und auch er hat dafür gesorgt, dass der Feind nun endgültig keine Macht mehr über uns hat. Halten wir uns zum Retter Jesus Christus, wie sich die Israeliten damals zu Gideon gehalten haben, dann werden wir erleben, wie Gott sein Rettungs­werk vollendet! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum