Die Kommunion

Predigt über 1. Korinther 10,16‑17 zum Gründonnerstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Für das Heilige Abendmahl gibt es noch eine Reihe anderer Namen: Sakrament des Altars, Herrenmahl, Eucharistie oder Kommunion. Zwar wird das Wort „Kommunion“ überwiegend im Bereich der römisch-katholi­schen Kirche verwendet, trotzdem ist es ein Begriff, der etwas Wichtiges über die gesamte Christen­heit aussagt. „Kommunion“ heißt zu deutsch „Gemein­schaft“, auf griechisch „Koinonia“. Es ist das wichtigste Wort in unserem Predigt­text, wo es heißt: „Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemein­schaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemein­schaft des Leibes Christi?“

Beim Heiligen Abendmahl merken wir, wo der Ursprung christ­licher Gemein­schaft liegt: Darin, dass jeder Christ Gemein­schaft mit dem Herrn Jesus Christus hat. In diese Gemein­schaft ist jeder Christ hinein­getauft. „Ihr habt Jesus Christus angezogen“, so formulierte der Apostel Paulus im Hinblick auf die Taufe (Gal. 3,27). Das zweite Sakrament, das Heilige Abendmahl, bewahrt uns in dieser Gemein­schaft mit Jesus und bekräftigt sie stets auf neue: Das ein­gesegnete Brot, über dem die Stiftungs­worte des Herrn gesprochen werden, wird zum Leib Christi und geht durch den Mund in uns ein, verbindet sich mit uns. Christus gehört zu uns, wir gehören zu ihm, wir haben Gemein­schaft mit ihm, Koinonia, Kommunion. Der ein­gesegnete Wein in dem Kelch, über dem die Stiftungs­worte des Herrn gesprochen werden, wird zum Blut Christi und geht durch den Mund in uns ein, verbindet sich mit uns. Christus gehört zu uns, wir gehören zu ihm, wir haben Gemein­schaft mit ihm, Koinonia, Kommunion. Jeder Christ, der diese Gabe des Herrn im Glauben empfängt, gehört zu Jesus – so, wie eine Hand, ein Fuß, eine Rippe oder eine Niere zum mensch­lichen Körper gehören. Im Abendmahl zeigt sich das Geheimnis des Leibes Christi.

Und dieses Geheimnis offenbart uns, dass die christliche Gemeinde mehr ist als eine Arztpraxis, wo der einzelne Bedürftige Heilung sucht und findet. Wenn wir Jesus mit einem Arzt ver­gleichen, müssen wir beachten, dass er eine viel engere Verbindung mit uns, den Patienten, eingeht, als ein wirklicher Arzt. Das Abendmahl macht deutlich: Christi Leben wird nun ein Stück von unserem Leben, unser Leben geht in Christi Leben auf. Wir sind seine Jünger, wir folgen ihm nach, wir tragen sein Kreuz, wir werden von ihm mitgerissen durch den Tod hindurch in die Auf­erstehung zum ewigen Leben. Das alles ist Kommunion in ihrer tiefen Bedeutung, und das alles tritt auf Erden nirgendwo stärker in Erscheinung als im Heiligen Abendmahl.

Nun hat diese wunderbare Gemein­schaft des Einzelnen mit dem Herrn Jesus Christus aber noch eine Auswirkung, die wir nicht übersehen dürfen: Über Christus haben wir Gemein­schaft mit all jenen, die ihrerseits mit ihm verbunden sind. Das macht der zweite Vers unseres Predigt­texts deutlich: „Ein Brot ist's: so sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“ Gemeint ist hier nicht nur das Brot im Abendmahl, das zum Leib Christi wird, sondern gemeint ist hier das Lebensbrot Jesus Christus im umfassenden Sinn. Alle Christen haben Anteil am Lebensbrot Jesus Christus und werden so auch unter­einander verbunden zu einem einzigen Organismus, zur christ­lichen Gemeinde und Kirche, zum Leib Christi, oder, wenn wir das Bild vom Brot weiter vertiefen, zu einem einzigen Brotlaib. Hand, Fuß, Rippe und Niere sind nicht nur über das Zentral­nerven­system mit dem Haupt verbunden, sondern durch den Blut­kreislauf auch unter­einander sowie mit allen anderen Gliedern und Organen. Darum nennen wir uns auch Gemeinde-Glieder. Es ist gut, wenn wir uns an dieser Stelle nicht dem allgemeinen Sprach­gebrauch anpassen und von Mitgliedern der Kirche reden. Ein Verein hat Mitglieder, aber die Gemeinde hat Glieder. Die Gemeinde ist ebensowenig ein Verein wie eine Arztpraxis. Im Verein lässt ein gemeinsames Hobby oder Interesse die Mitglieder zusammen­kommen; wenn es einem nicht mehr gefällt, kann er die Mitglied­schaft ruhen lassen oder austreten, das ist ganz normal. In der Kirche sind wir Glieder. Wir sind durch Christus zu einer un­auflös­lichen Gemein­schaft zusammen­gefügt; wir gehören zusammen wie eine Familie, ja, eigentlich sogar noch stärker als eine Familie, denn es ist eine Gemein­schaft für die Ewigkeit.

Lasst uns also auch diese Gemein­schaft unter­einander bedenken, wenn wir an den Tisch des Herrn treten! Egal wie gut wir uns unter­einander kennen oder wie sympathisch wir uns sind: Unsere Gemein­schaft, die wir miteinander haben, ist durch Jesu Leib und Blut intensiver, als wir das oft wahrhaben! Sie ist Kommunion, sie ist Koinonia, sie Gliedschaft an einem Leib.

Und sie ist auch größer, als wir das oft wahrhaben wollen: Wenn wir hier heute im kleinen Kreis gleich das Abendmahl feiern werden, so sind wir durch Christus doch mit vielen anderen verbunden, die es anderswo feiern. Zum Beispiel mit der jungen Missions­gemeinde in Berlin-Marzahn. Zum Beispiel mit den Busch­männern, die im Sand der Kalahari-Wüste knien und denselben Leib des Herrn und dessen Blut empfangen. Zum Beispiel mit vielen verfolgten Christen in islamisti­schen Ländern, die im Geheimen ihre Gottes­dienste feiern müssen, immer mit der großen Sorge, entdeckt zu werden. Zum Beispiel mit Christen in Russland und der Ukraine, mit Christen in Amerika und Australien, mit Christen überall auf der Welt.

Und die Gemein­schaft des Leibes Christi, die wir im Heiligen Abendmahl feiern, geht sogar noch weiter, sie macht auch vor zeitlichen Grenzen nicht halt. Denn die Christen, die vor unserer Zeit Leib und Blut des Herrn empfingen und dann im Glauben entschlafen sind, die haben wir ja nicht verloren, die sind ja nicht abgetrennt vom Leib Christi, sondern die gehören ihm ewig. So überspringt die Kommunions­gemein­schaft auch Jahrzehnte und Jahr­hunderte. Sie lässt uns eins sein mit Eltern und Großeltern, die im Glauben verstorben sind, mit geistlichen Vorbildern, mit mutigen Bekennern in der Anfangszeit der alt­lutheri­schen Kirche, mit Martin Luther und Philipp Me­lanchthon, ja, schließlich sogar mit den Christen der ersten Stunde: Wir sind ein Leib mit Petrus und Johannes, mit Paulus und Jakobus, mit Lydia und Maria, der Mutter Jesu. Eine unzählbar große Schar ist sie, die Kirche, die Gemeinde der Heiligen, sodass wir sie nicht statistisch erfassen, sondern nur glaubend bekennen könnnen: „Ich glaube an die eine, heilige christliche Kirche.“

Und wir, wir dürfen dazu gehören, Gott sei Dank. Zu Jesus, unserem Erlöser, und durch ihn zu allen anderen Gliedern an seinem Leib. Das alles zeigt und schenkt uns das Heilige Abendmahl. „So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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