Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Was ist ein guter Supermarkt? Ein guter Supermarkt hat ein breites Angebot von Qualitätsprodukten zu günstigen Preisen. Außerdem ist er kundenfreundlich: Die Bedienung ist nett und hilfsbereit, alles ist übersichtlich angeordnet, an der Kasse muss man nicht lange warten. Kurz: Ein guter Supermarkt dient seinen Kunden in jeder Beziehung. Das jedenfalls versteht ein Kunde unter einem guten Supermarkt. Für einen Angestellten wären andere Dinge wichtig: Ein guter Supermarkt schafft sichere Arbeitsplätze, bezahlt guten Lohn, versorgt die Angestellten auch sonst gut und kommt bei der Arbeitszeitgestaltung ihren Bedürfnissen entgegen. Ein Aktionär des Handelsunternehmens würde auf die Frage „Was ist ein guter Supermarkt?“ wieder anders antworten: Ein guter Supermarkt ist die ideale Geldverdien-Maschine; er macht großen Umsatz, funktioniert in allen Bereichen rationell und wirft hohen Gewinn ab.
Nun geht es uns hier in der Kirche ja eigentlich nicht um Supermärkte, sondern es geht um das Leben. Frage also: Was ist ein gutes Leben? Die Antwort hängt wieder davon ab, aus welchem Blickwinkel man antwortet. Viele würden antworten wie der Aktionär: Ein gutes Leben bringt Gewinn, Profit, Erfolg. Wer gut lebt, erreicht viel – sowohl für sich persönlich als auch für die Allgemeinheit. Aber was ist dann mit den Menschen, die behindert sind oder chronisch krank? Oder mit den Menschen, die mit ihren Lebenszielen scheitern? Oder mit den Menschen, die auf die schiefe Bahn geraten und im Gefängnis enden, für viele Jahre? Kein Gewinn, kein Erfolg, kein gutes Leben?
Diese Frage hat sich auch der Apostel Paulus gestellt, als er im Gefängnis saß. Vorher hatte er viel erreicht für die aufblühende christliche Kirche. Er hatte viele Menschen zum Glauben an Jesus Christus geführt. Er hatte an vielen Orten Gemeinden gegründet. Nun war plötzlich Schluss damit: Er saß im Gefängnis, vermutlich in Rom, und konnte für Gott scheinbar keinen Gewinn mehr machen. Scheinbar, das heißt oberflächlich und nach menschlichen Maßstäben betrachtet. Aber Paulus hatte eine starken Glauben. Und so hatte er gelernt, die Sache nicht nach menschlichen, sondern nach göttlichen Maßstäben zu beurteilen. Und da kam er zu dem Ergebnis: „Ich hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod.“ Solches schrieb Paulus in der Gefängniszelle und sandte diesen Brief dann an die christliche Gemeinde zu Philippi. „Ich hoffe, dass ich nicht zuschanden werde“, dass bedeutet: „Ich bin zuversichtlich, dass ich mit meinem Leben nicht den Bankrott erleide.“ Er konnte deshalb so gewiss sein, weil er wusste: Christus hat mich erlöst, Christus hat mein Leben in Hand genommen, und der lässt mich nicht im Stich. Er hat mir alle Schuld vergeben und wird mich im Jüngsten Gericht nicht zuschanden werden lassen – darum bin ich sicher, dass er mein Leben auch hier im Gefängnis in der Hand hat und alles gut machen wird.
Aber was ist denn im Gefängnis der Gewinn, der Ertrag seines Lebens? Aus der Sicht des Glaubens geht es nicht um messbare Erfolge, Leistungen oder Gewinne, sondern es kommt nur auf das Eine an: dass Christus verherrlicht wird. Paulus hatte die Glaubenszuversicht, dass dies auch dann geschieht, wenn er scheinbar zur Untätigkeit verurteilt im Gefängnis sitzt. Er wusste: Gott hat es so zugelassen, darum hat es auch bei Gott einen guten Sinn. Viele Christen beteten nun für ihn, und der Heilige Geist war weiter am Werk; da brauchte er sich keine Sorgen zu machen, dass die Evangeliumsverkündigung ohne ihn zusammenbricht. Ja, selbst wenn es zum Schlimmsten kommen sollte, wenn er zum Tode verurteilt werden sollte, selbst dann würde durch diesen Tod noch Christus verherrlicht werden, selbst dann würde darin Gewinn liegen aus Gottes Blickwinkel, für Gottes Reich. Darum konnte Paulus diesen wunderbaren Satz schreiben: „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn.“
Wir wissen heute, wie es weitergegangen ist. Wir wissen, dass Gott diese scheinbar unfruchtbare Zeit im Gefängnis wunderbar gesegnet hat: Paulus hat dort unter dem Wirken des Heiligen Geistes den Philipperbrief und manchen anderen Brief geschrieben, der in der Bibel steht. Diese Briefe haben in vielen Jahrhunderten unzähligen Christen den Glauben gestärkt und sie in Trübsal getröstet. Wenn das kein Gewinn ist! Und wir wissen, dass Paulus dann wirklich um seines Glaubens willen hingerichtet wurde. Sein Märtyrertod und der Märtyrertod vieler anderer Christen ist den Menschen zum beeindruckenden Glaubenszeugnis geworden, sodass viele sich dadurch bekehrt und durch Christus das ewige Leben gefunden haben. Wenn das kein Gewinn ist! „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn.“
Lieber Bruder, liebe Schwester, Gott ermuntert dich mit diesen Worten des Apostels Paulus und mit seinem Lebensbeispiel, die Frage „Was ist gutes Leben?“ nicht aus menschlicher, sondern aus göttlicher Sicht zu beantworten. Nicht Leistung, Erfolg, Gesundheit oder materieller Gewinn sind ausschlaggebend für ein gutes Leben, sondern einzig und allein die Tatsache, ob Christus mit diesem Leben verherrlicht wird, ob Gott geehrt wird. Dazu hat uns schließlich Gott geschaffen, zu nichts anderem: dass wir etwas sind zu seiner Ehre. Dieser echte Lebensgewinn kann freilich nicht in Dollar oder Euro bemessen werden, man kann ihn überhaupt nicht zahlenmäßig oder statistisch erfassen. Diesen Gewinn kann man nur glauben und wie Paulus bekennen: „Ich warte sehnlich und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen Christus verherrlicht werde an meinem Leibe.“ Am Beispiel des Paulus sehen wir, dass das sogar im Gefängnis möglich ist.
Und es kann auch in deinem Gefängnis passieren. Zwar sitzt du nicht wirklich im Gefängnis, aber es mag doch Dinge in deinem Leben geben, die dich einengen, die dich binden, die dich daran hindern, so zu leben, wie du eigentlich leben willst. Dieses Gefängnis kann eine Krankheit sein, die dich lahmlegt. Dieses Gefängnis können berufliche Verpflichtungen sein, die zusammen mit all dem Alltagskram dir kaum Atem lassen, irgend etwas Eigenes zu tun. Dieses Gefängnis können finanzielle Sorgen sein, die deine Lebensmöglichkeiten sehr einschränken. Vielleicht hast du schon mehr als einmal gedacht: Wenn dies oder das nicht wäre, dann könnte ich, dann würde ich … Und du hast dann gemeint, dass dich dein Gefängnis das gute Leben verfehlen lässt. Aber in Wahrheit gibt es nur eins, was dich das gute Leben verfehlen lassen könnte: dass dir irgend etwas anderes wichtiger ist als zur Ehre von Jesus Christus zu leben, dass du irgend ein anderes Lebensziel wichtiger nimmst als selig zu werden. Trachte also zuerst nach dem Reich Gottes und mach es in deinem „Gefängnis“, wie es Paulus in dem seinen getan hat: Vertraue auf Gott! Bitte Gott, dass du ihn auch in deinen Einschränkungen und in deinen besonderen Lebensverhältnissen ehren kannst. Ob du das sofort merkst oder irgendwann später zu deinen Lebzeiten oder auch überhaupt nicht, das ist dabei nicht wichtig. Hauptsache du weißt: Christus hat mich erlöst, er hat mich als sein Kind angenommen, und darum macht er alles gut in meinem Leben. Du hast es überhaupt nicht nötig, dass du irgendwelche messbaren Leistungen oder Erfolge im Leben vorweisen kannst. Denn ein im Glauben gelebtes Leben ist immer wertvoll – und sei es auch das Leben eines Schwerstbehinderten, und sei es auch das Leben eines Totkranken, und sei es auch das Leben eines Menschen, der zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde.
Und wenn dann deine letzte Stunde hier auf Erden kommt und dein letzter Atemzug, dann denke nicht menschlich und sage: „Nun ist es aus“, sondern denke göttlich und sage: „Nun fängt es erst richtig an, das Leben.“ – „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn.“ Amen.
PREDIGTKASTEN |