Himmelfahrt – Triumph über Sünde und Tod

Predigt über 1. Mose 5,21‑24 zum Himmelfahrtstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Jesus war keineswegs der erste, der lebendig gen Himmel fuhr. Der erste war vielmehr Henoch, ein Ur-Ur-Ur-Urenkel Adams. Wie wir eben gehört haben, ist er im Alter von 365 Jahren entrückt worden. 365 Jahre – das klingt heutzutage wie ein Märchen. Wer im „Guinnes Buch der Rekorde“ nach­schlägt, wie alt der älteste Mensch geworden ist, der je gelebt hat, der wird auf die Französin Jeanne Calment verwiesen: Sie hat immerhing mehr als 122 Jahre gelebt. Aber was ist das gegen die 365 Jahre des Henoch! Offen­sichtlich hat die Redaktion des „Guinnes Buch der Rekorde“ den alt­testament­lichen Alters­angaben nicht getraut. Aber ich traue ihnen, denn warum sollte das, was uns heute unmöglich scheint, in der Zeit vor der Sintflut nicht möglich gewesen sein? Warum sollten die ersten Menschen­generatio­nen nicht eine viel höhere Lebens­erwartung gehabt haben als der moderne Mensch? Erst nach der Sintflut, so können wir der Bibel entnehmen, hat die Lebens­erwartung nach und nach abgenommen und zu Moses Zeit dann ungefähr das heutige Niveau erreicht. Lasst uns also einfach den Zahlen­angaben der Heiligen Schrift vertrauen und fest­stellen: Zu Henochs Zeiten wurden die Menschen viel, viel älter als heute. Die meistens übrigens auch viel, viel älter als Henoch. Sein Sohn Metu­schelach zum Beispiel starb erst im stolzen Alter von 969 Jahren. Über die Bibel hinaus bekannt geworden ist er unter dem Namen „Methu­salem“. Ihm würde zu Recht der Eintrag im „Guinnes Buch der Rekorde“ als ältester Mensch gebühren, denn von niemandem in der Welt­geschichte ist ein höheres Alter überliefert als von ihm.

Kommen wir aber zurück zu seinem Vater Henoch, der entrückt wurde. Wir merken nun, dass dies für damalige Verhältnisse im besten Mannesalter geschah, nämlich bereits in seinem 366. Lebensjahr. Henoch blieben die Leiden des Alters und die Qualen des Sterbens erspart. Weiterhin blieb ihm erspart, noch länger in einer zunehmend gottlos werdenden Gesell­schaft zu leben. Lüge, Betrug, Mord und Ehebruch waren damals an der Tages­ordnung; um den Schöpfer und seine Weltordnung kümmerte sich kaum noch einer. Es waren genau jene Verhält­nisse, die Gott zornig machten und ihn zu dem Entschluss führten, alle Menschen in einer großen Flut weg­zuspülen, in der Sintflut nämlich; nur Noah und die Seinen wurden gerettet. Wie gesagt, Henoch musste nach damaligen Begriffen nicht besonders lange unter der Bosheit der anderen leiden. Der Grund dafür war seine Frömmig­keit. Wenn wohl auch in seinem Herzen die Sünde im Keim angelegt war wie seit Adam und Eva in allen Menschen, so bekämpfte er sie doch, betete und diente Gott. „Er wandelte mit Gott“, heißt es in unserem Bibeltext, er ließ sich auf seinem Lebensweg in erster Linie vom All­mächtigen leiten. Und als Anerkennung dafür brauchte er nicht zu altern und zu sterben, sondern Gott entrückte ihn, Gott schuf ihm eine Abkürzung in die Herrlich­keit des Himmels. Wir erkennen in Henochs Himmelfahrt also eine Aus­zeichnung für seine Frömmig­keit, einen Triumph des Glaubens über Sünde und Tod. Denn Sünde und Tod sind wie die zwei Seiten einer Münze.

Bei zwei weiteren Persönlich­keiten deutet das Alte Testament an, dass sie nicht natürlich gestorben sind, sondern dass Gott sie direkt in den Himmel aufgenommen hat: bei Mose und bei Elia. Von Mose wird berichtet, dass nie je ein Grab von ihm gefunden wurde. Und bei Elia wurde dessen Nachfolger Elisa Augenzeuge, wie er mit einem feurigen Gespann abgeholt und direkt in den Himmel aufgehoben wurde. Mose und Elia – die beiden heraus­ragenden Propheten des Alten Testaments, die auch durch ihren Glauben und ihre Frömmigkeit heraus­ragten. Deshalb zeichnete Gott sie mit einer Himmelfahrt aus. Auch ihre Entrückung ist eine Anerkennung und Aus­zeichnung Gottes, in der der Triumph über Sünde und Tod deutlich wird. Denn Sünde und Tod sind wie die zwei Seiten einer Münze.

Mose und Elia waren es auch, die sich einst mit Jesus auf dem Berg unter­hielten, auf dem Jesus verklärt wurde. Jesus ist ja der nächste in der Reihe derer, von denen die Bibel eine Entrückung, eine Himmelfahrt vermeldet. Freilich war es bei Jesus dann doch wieder ganz anders als bei Henoch und bei Mose und bei Elia.

Denn erstens: Jesus war ganz und gar und vollkommen heilig und gerecht, da gab es auch nicht ein Stäubchen Sünde in seinem Leben. Er war der einzige, von dem man mit hundert­prozentiger Berechti­gung sagen kann: Er wandelte mit Gott. Und zweitens: Jesus ist ja erstmal auch gestorben. Ihm blieben die Qualen des Todes nicht erspart, noch dazu die besonderen Qualen des Kreuzes­todes. Und die Gottlosig­keit seiner Zeit und seines Volkes hat er zuvor ebenfalls sehr direkt erleben müssen. Seine Himmelfahrt geschah erst, nachdem er vom Tod auf­erstanden war. Und drittens: Jesu Himmelfahrt war nicht nur Gottes Anerkennung seines per­sönlichen Triumphes über die Sünde. Jesu Triumph über Sünde und Tod ist vielmehr ein doppelter, ja eigentlich ein um­fassender, ein welt­umspannen­der.

Wie ist das zu verstehen? Jesus hat die Sünde nicht nur für sich selbst überwunden, indem er allen Ver­suchungen des Teufels erfolgreich widerstand. Er hat darüber hinaus die Sünde aller Menschen der Welt überwunden, indem er stell­vertretend für alle ans Kreuz ging und starb. Noch einmal: Sünde und Tod sind wie die zwei Seiten einer Münze; der Tod ist eine notwendige Folge der Sünde. Aber der umfassende Triumph Jesu besteht darin, das sein Tod die Folge unserer Sünde ist. Und damit besiegelt seine Auf­erstehung zugleich unserer Auf­erstehung. Und damit ist seine Himmelfahrt der Anfang unserer Himmel­fahrt, sodass alle, die an Jesus glauben, die gewisse Hoffnung haben, auch einmal in den Himmel aufgenommen zu werden.

„Auf Christi Himmelfahrt allein ich meine Nachfahrt gründe / und allen Zweifel, Angst und Pein hiermit stets überwinde“, heißt es in einem Choral (ELKG 93,1). Ja, das unter­scheidet Christi Himmelfahrt von der Entrückung des Henoch, des Mose und des Elia: Diese Himmelfahrt macht Sündern Hoffnung für den Himmel. Auch wenn wir erkennen, dass wir nicht so mit Gott gewandelt sind wie Henoch, Mose, Elia oder gar Jesus, auch wenn wir unseren un­rühmlichen Anteil an der Gottlosig­keit unserer Zeit haben, so brauchen wir nicht zu verzweifeln und einem schmerz­lichen Ende im Tod entgegen­zubangen. Wir wissen ja: Durch Jesus haben wir Vergebung der Sünden und ewiges Leben. Wie Sünde und Tod die zwei Seiten einer Münze sind, so sind auch Vergebung und Leben zwei Seiten einer Münze. Wer getauft ist und an Jesus glaubt, der hat Vergebung und ewiges Leben; der Tod wird dann nichts weiter als ein Schlaf sein bis zum Jüngsten Tag, bis zur Wiederkehr Christi. Und wer weiß, ob wir überhaupt noch sterben müssen? Vielleich kommt Jesus vorher wieder, und wir werden auch direkt lebendigen Leibes wie Henoch in den Himmel entrückt. So hat es ja der Apostel Paulus einigen Christen in Aussicht gestellt.

Aber das ist letztlich nicht ent­scheidend. Es ist auch nicht ent­scheidend, ob wir nur 70 oder 80 oder 800 Jahre Lebens­erwartung haben. Denn was wir Lebens­erwartung nennen, das bezieht sich ja nur auf das irdische Leben. In Wahrheit beträgt unsere Lebens­erwartung unendlich, wir haben ewiges Leben durch Christus – ebenso wie Henoch und Mose und Elia. Und darum werden wir sie noch treffen und den größten Teil unseres Lebens zusammen mit ihnen verbringen, den schönsten Teil unseres Lebens noch dazu – in der Herrlich­keit unsers Herrn, der uns in den Himmel voraus­gefahren ist. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2005.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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