Von Gott ins Wasser geworfen – von Gott gerettet

Predigt über Jona 2,1‑7 zum Ostersonntag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Jesus, bitte mach uns mal ein Wunder vor!“, so baten ein paar Pharisäer einst schein­heilig den Gottessohn. Jesus antwortete: „Nichts da, es gibt keine Wunder auf Bestellung für gottlose Leute! Nur ein einziges Wunder werdet ihr noch erleben, ein Wunder wie damals beim Propheten Jona. Wie Jona nach drei Tagen im Bauch des Fisches wieder lebendig an Land kam, so werde ich nach meiner Totenruhe im Grab am dritten Tag wieder lebendig sein.“ Genau so ist es gekommen, Jesus ist am dritten Tag auf­erstanden von den Toten. Darum feiern wir Ostern, halleluja! Und wir erkennen: Was damals mit Jona geschehen ist, das hat mit Ostern zu tun. Ein Grund, es uns heute einmal genau anzusehen.

Da war erstens die Flucht: Jona floh vor Gott. Gott schickte ihn nach Osten, nach Ninive, in besonderer pro­phetischer Mission, aber Jona buchte eine Schiffs­reise nach Westen. Da war zweitens die Flut: Gott schickte einen Sturm, auf dessen Höhepunkt die Besatzung in größter Seenot Jona als Menschen­opfer über Bord warf. Später erinnerte sich Jona in seinem Gebetspsalm daran: „Du warfest mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben, die Tiefe umringte mich…“ Wer schon mal aus größerer Höhe in ein Gewässer gesprungen ist, weiß, wie das ist: erst der harte Aufprall, dann wird man vom Wasser ver­schluckt, sinkt und sinkt und weiß womöglich gar nicht mehr, wo oben und unten ist. Und bei Jona das alles noch in wild schäumenden Riesen­wellen, zwischen Algen und Wasser­tieren, und mit Todesnot! In solchen Situationen scheiden sich die Geister: die einen fluchen und wollen nichts mehr mit Gott zu tun haben, die anderen klammern sich mit ihrem ganzen Rest Gott­vertrauen am Schöpfer fest und flehen um Hilfe. So war es bei Jona, denn da kam – drittens – der Schrei, der Ruf um Hilfe: „Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst … Ich schrie aus dem Rachen des Todes …“ Und gleich darauf viertens Gottes Rettung: „Er antwortete mir … Du hörtest meine Stimme.“ Gott hat unendlich viele Wege zu retten und zu helfen. Manchmal sind es sonderbare Wege. Manchmal kommt die Rettung durch ein Wunder. In Jonas Fall war die Rettung sonderbar und wunderbar zugleich: Gott schickte ein großes Meerestier, vielleicht einen Wal, der Jona ver­schluckte. Gegen alle Prinzipien der Zoologie entstand im Inneren des Tieres ein Hohlraum für Jona mit genügend Luft zum Atmen. Jona war nun in Sicherheit vor Sturm und Fluten, sicher wie ein Embryo in der Gebär­mutter. So kam es fünftens zum Dank, dem Grundton in Jonas Gebets­psalm: „Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!“ Freilich war die Rettung vorläufig, denn Jona war ja in dieser sonderbaren Lage noch nicht endgültig in Sicherheit. So musste Jona sechstens mit der Hoffnung leben, Gott würde das Rettungs­werk vollenden. Das forderte Geduld und Vertrauen von dem wider­spenstigen Propheten. Erst am dritten Tag spuckte ihn der Wal am Festland aus, und Gottes Rettungs­werk war vollendet.

Auch wer von uns noch nicht in Extrem­situationen wie Jona war, kennt das Geschehen aus eigener Erfahrung. Erstens die Flucht: Wie oft sind wir davon­gelaufen, haben uns gedrückt vor dem, was Gottes Wort und die Liebe eigentlich geboten und was uns trotzdem nicht passte. Zweitens die Flut: vielleicht ein Flut von Alltags­problemen, die uns erdrückten; vielleicht ein Meer von Sorgen um Familie, Geld und Gesundheit; vielleicht Wellen von Unzufrieden­heit, Ärger und Traurig­keit. „Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen.“ Drittens der Hilferuf: „Herr, erbarme dich.“ Wie gut, wenn wir uns immer wieder daran erinnern, dass wir uns stets und mit allen Sorgen an Gott unsern Vater wenden können. „Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch“ (1. Petrus 5,7). Viertens die Rettung: „Dir sind deine Sünden vergeben!“ Ja, sie sind uns vergeben, weil Jesus für uns gestorben ist und weil er für uns auf­erstanden ist – das ist die große Rettungstat Gottes, die auch sonderbar und wunderbar zugleich ist, wie Jonas Fisch. Haben wir aber Vergebung der Sünden, dann haben wir Frieden mit Gott, dann gehören wir ganz und gar zum himmlischen Vater. Gehören wir aber ganz und gar zum All­mächtigen, zum Schöpfer Himmels und der Erden, was kann uns dann noch letztlich schaden oder gar kaputt machen, so bedrohlich es auch aussehen mag? Wir sind geborgen wie ein Embryo in der Gebär­mutter. Fünftens der Dank: Dazu sind wir ja unter anderem heute hier versammelt, und wir wollen ihn auch recht fröhlich und schön mit Herz und Mund loben. „Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!“ Jona hatte nur einen Fischbauch als Gebets­kapelle, wir sitzen im Kirchen­schiff eines wunder­schönen Gottes­hauses. Aber auch wir sind realistisch genug um zu spüren, dass das Rettungs­werk noch nicht vollendet ist, dass wir eben noch nicht im Himmel sind. So sind auch wir sechstens zu Hoffnung und zu geduldigem Vertrauen aufgerufen.

Und damit ist treffend die Situation der ganzen Christen­heit auf Erden be­schrieben, die Situation der Kirche und Gemeinde zwischen der Auf­erstehung des Herrn Jesus und dem Jüngsten Tag. Die Hoffnung und das geduldige Vertrauen auf die Vollendung unseres Heils werden gefestigt, wenn wir auf den Weg unseres Herrn Jesus Christus selber sehen, auf den Weg vom Kreuz zur Auf­erstehung. Bei ihm gab es keine Flucht, sondern von Anfang bis Ende stellte er sich willig für Gottes Auftrag zur Verfügung, den aller­schwersten Auftrag, den je einer zu erfüllen hatte. So kam die Flut unverdient über ihn; stell­vertretend für unser Versagen erlitt er Gottes Strafe: die Flut des Hasses, die Flut der falschen Anklagen, die Flut des Spottes, die Flut der Schläge, die Flut der Schmerzen, die Flut der Gott­verlassen­heit am Kreuz. „Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen.“ Und dann, als alles schon fast vollbracht war, der Hilferuf, bei Jesus ein Ausdruck unbedingten Vertrauens zum Vater: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.“ Dann die Erlösung von allen Schmerzen, die Ruhe im Grab, die Geborgen­heit im Schoß der Erde, wie ein Embryo in der Gebärmutter ruht. Und zum Zeichen dafür, dass Gott seine Erettung ganz vollendet, in großer Herrlich­keit vollendet, der Ostermorgen am dritten Tag: das leere Grab, die Botschaft: „Der Herr ist auf­erstan­den!“, und die Erscheinung des Auf­erstandenen persönlich. „Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!“

Weil es Ostern geworden ist, können wir nun einiger­maßen gelassen auch kommenden Fluten entgegen­sehen. Weil wir einen auf­erstande­nen, lebendigen Herrn haben, braucht uns nicht einmal der bevor­stehende Untergang im Tod zu schrecken. Eine Flucht vor ihm gibt es nicht, Gott hat ihn über uns alle verhängt um der Sünde willen. Dann, wenn die letzte Flut unseres Lebens herein­bricht, wird uns einmal so zu Mute sein wie Jona: „Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen.“ Gott gebe, dass wir uns dann nicht vom Herrn abwenden, sondern um Hilfe rufen wie Jona – wenn es der Mund nicht mehr kann, dann doch wenigstens im Herzen: „Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst… Ich schrie aus dem Rachen des Todes…“ Wir dürfen dann gewiss sein, dass Gottes Rettung nahe ist – um Jesu Christi willen. Unser Grab wird dann aber nicht die Endstation sein, sondern entgegen allen Erkennt­nissen der Biologie mehr so etwas wie der wunderbare Lebensraum im Jona-Fisch, wie der Schoß der Erde für Jesu Leichnam: ein Übergangs­stadium, eine Rettungs­kapsel, eine Gebär­mutter, die uns pünktlich zu Gottes Termin ausstoßen wird in die Herrlich­keit des neuen Lebens. Da werden wir dann ewig dem Herrn danken, zusammen mit dem auf­erstandenen Herrn Jesus Christus und dem zweimal geretteten Jona und allen Heiligen im Himmel. „Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott“, halleluja! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2005.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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