Sinn, Segen und Solidarität des Fastens

Predigt über Joel 2,12‑17 zum Aschermittwoch

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In vielen christ­lichen Gemeinden ist es üblich, sich zu Beginn der Fastenzeit etwas Asche an die Stirn zu tupfen zum Zeichen für Reue und Buße. Von daher hat der Ascher­mittwoch seinen Namen. Die Asche ist ein Zeichen der Trauer über die eigenen Sünden, die Jesus ans Kreuz gebracht haben. Trauer wird ja auch über den kirchlichen Bereich hinaus durch äußere Zeichen zum Ausdruck gebracht, etwa durch schwarze Kleidung oder durch eine Schweige­minute, wie vor einigen Wochen nach der Flut­kata­strophe. Auch das Fasten selbst ist ein Zeichen für Reue und Buße und ein Zeichen für Trauer über die eigenen Sünden. Wer fastet, fährt nicht gleich­gültig fort mit Essen und Trinken und dem üblichen Alltags­trott, sondern er hält inne, besinnt sich, geht in sich und gewinnt Zeit, über sich selbst und sein Verhältnis zu Gott nach­zudenken.

Unser Bibelwort ist ein Aufruf zu solchem Fasten. Gott der Herr ließ ihn durch seinen Propheten Joel kund werden. Wir wollen uns diesen Aufruf zu Herzen nehmen und drei Dinge daran lernen (wir können uns dafür drei Wörter mit „S“ merken): erstens den Sinn des Fastens, zweitens den Segen des Fastens und drittens die Solidarität des Fastens.

Erstens: Der Sinn des Fastens wird besonders deutlich in diesem Satz: „Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und bekehrt euch zu dem Herrn, eurem Gott!“ In biblischer Zeit gab es ein äußeres Zeichen für Reue, Buße und Trauer, das heute nicht mehr ge­bräuchlich ist: Man riss sein Obergewand am Hals­ausschnitt ein. Gott sagt nun sehr deutlich: diese Handlung ist völlig über­flüssig, wenn der Mensch nicht vom ganzem Herzen dahinter steht. Sie ist über­flüssig, wenn der Mensch nicht ehrlich seine Schuld erkennt, wenn er nicht von ganzem Herzen darüber betrübt ist und wenn ihn das nicht in die Arme des gnädigen und barm­herzigen Gottes treibt.

Das gilt grund­sätzlich noch heute. Herz­zerreißend soll unsere Fastenzeit sein. Wir sollen bei unserem normalen Alltags­betrieb innehalten und über unsere Sünden nachdenken. Viele Christen begehen in diesem Jahr die Fastenzeit wieder mit der Aktion „sieben Wochen ohne“: Bis Ostern verzichten sie auf Zigaretten oder Alkohol oder Süßigkeiten oder Fernsehen. Einen geistlichen Sinn bekommt diese Aktion aber erst dann, wenn zu diesen äußeren Zeichen der Besinnung die Besinnung selbst tritt. Das „Ohne“ der sieben Wochen muss durch ein „Mit“ gefüllt werden: mit Sünden­erkenntnis, mit Reue und Buße, mit besonderer Hinwendung zu Gott.

Solche Besinnung ist ganz wichtig. Ohne Sünden­erkenntnis, ohne wahre Reue kann niemand in Gottes Reich kommen. Ohne Buße gibt es kein seliges Sterben. Ohne Umkehr zu Gott bleibt der Himmel ver­schlossen. Solche herz­zereißende Besinnung ist das Wichtigste überhaupt. Sie ist so wichtig, dass es sich dafür sogar lohnen würde, Braut und Bräutigam in ihrer Hochzeits­nacht zu stören, wenn das denn nötig wäre. Darum heißt es in unserem Bibelwort: „Der Bräutigam gehe aus seiner Kammer und die Braut aus ihrem Gemach.“

Zweitens: Wer zu solchem echten, inner­lichen, herz­zerreißen­den Fasten bereit ist, wird den Segen des Fastens finden. Was ist dieser Segen? Was haben wir davon, wenn wir uns unsere Sünden bewusst machen, wenn wir uns von ihnen abwenden und uns dem Herrn zuwenden? Ganz einfach: Wir finden einen gnädigen, barm­herzigen, geduldigen, gütigen, vergebenden Gott. „Er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und es gereut ihn bald die Strafe.“ Zwar ist es schmerz­haft, sein Herz in auf­richtiger Reue zu zerreißen, aber nur auf diese Weise bekommt das Herz einen Riss, eine Öffnung, durch die Gottes Liebe Einzug halten kann. Wer sein Herz nicht in Reue zerreißt, der kapselt es ab, der verschließt es gegenüber Gott. Der Herr bleibt ihm fremd, bleibt außen vor. Aber ein zer­rissenes, zer­brochenes, zer­schlagenes Herz verachtet Gott nicht, und da kann er auch einziehen. Mit väterlicher Liebe erbarmt er sich über den Sünder, tröstet, heilt, baut auf, erneuert, heiligt und beschenkt mit ewigen Leben. Das ist der große und wunderbare Segen des Fastens: Gottes Geschenk des Heils in Jesus Christus für alle, denen ihre Sünde leid ist.

Gott schenkt seine herrliche Gabe jedem einzelnen Menschen, der Buße tut. Es geht also zunächst um die Beziehung des einzelnen Herzens zu Gott. Trotzdem haben Sünde, Buße und Gottes Vergebung auch etwas mit der mensch­lichen Gemein­schaft zu tun. Wir erkennen das besonders deutlich im Alten Testament, wo Gott sich ein ganzes Volk als Gegenüber erwählt hat, sozusagen ein Modell-Volk für sein Heils­handeln an der ganzen Menschheit. Auch sein Bußruf im Mund des Propheten Joel war nicht an Einzel­personen gerichtet, sondern an die ganze Volks­gemeinde Israels.

Damit kommen wir drittens zur Solidarität des Fastens. Sünde wohnt nicht nur in jedem einzelnen Herzen, sondern breitet sich wie ein Krebs­geschwür in der Gemein­schaft aus. Und auch die Folgen von Sünde und Gottes Strafe müssen oft genug gemeinschaft­lich getragen werden. Bei den Israeliten war es zur Zeit des Propheten Joel eine schlimme Heuschrecken­plage. Und so war auch die Notwendig­keit der herz­zerreißen­den Umkehr für alle gegeben. „Bekehrt euch zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen!“, ruft der Prophet. Und weil es damals noch keine Laut­sprecher gab, durch die der Fasten­aufruf in die letzten Winkel getragen werden konnte, musste man sich antiker Methoden bedienen: „Blast die Posaune zu Zion, sagt ein heiliges Fasten an, ruft die Gemeinde zusammen.“ Und dann werden alle aufgezählt, die sich versammeln sollen, bis hin zum Säugling. Sie alle sollen beim Buß­gottes­dienst zusammen­kommen, sie alle sollen gemeinsam vor Gott ihre Sünden bekennen und um sein Erbarmen beten.

Auch die Christen­heit, das Gottesvolk des Neuen Testaments, ist zu solchem gemeinschaft­lichen Tun auf­gefordert. Christsein ist keine Privat­sache, und auch Buße ist es nur zum Teil. Ganz bewusst lehrte der Herr uns beten: „Vergib uns unsere Schuld.“ Ganz bewusst mahnt er alle Christen, die gottes­dienstlichen Ver­sammlungen nicht zu versäumen, in denen er uns mit seiner vergebenden Güte nahe sein will. Und darum wollen wir auch auch heute ganz bewusst gemeinsam unsere Schuld bekennen und Buße tun – nicht nur mit den Lippen als litur­gisches Ritual, sondern vor allem mit dem Herzen, mit einem vor Reue schmerzen­den und zerrissenen Herzen, das nun weit offen steht, den Heiland Jesus Christus und Gottes Liebe zu empfangen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2005.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum