Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Für das Heilige Abendmahl gibt es noch eine Reihe anderer Namen: Sakrament des Altars, Herrenmahl, Eucharistie oder Kommunion. Zwar wird das Wort „Kommunion“ überwiegend im Bereich der römisch-katholischen Kirche verwendet, trotzdem ist es ein Begriff, der etwas Wichtiges über die gesamte Christenheit aussagt. „Kommunion“ heißt zu deutsch „Gemeinschaft“, auf griechisch „Koinonia“. Es ist das wichtigste Wort in unserem Predigttext, wo es heißt: „Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?“
Beim Heiligen Abendmahl merken wir, wo der Ursprung christlicher Gemeinschaft liegt: Darin, dass jeder Christ Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus Christus hat. In diese Gemeinschaft ist jeder Christ hineingetauft. „Ihr habt Jesus Christus angezogen“, so formulierte der Apostel Paulus im Hinblick auf die Taufe (Gal. 3,27). Das zweite Sakrament, das Heilige Abendmahl, bewahrt uns in dieser Gemeinschaft mit Jesus und bekräftigt sie stets auf neue: Das eingesegnete Brot, über dem die Stiftungsworte des Herrn gesprochen werden, wird zum Leib Christi und geht durch den Mund in uns ein, verbindet sich mit uns. Christus gehört zu uns, wir gehören zu ihm, wir haben Gemeinschaft mit ihm, Koinonia, Kommunion. Der eingesegnete Wein in dem Kelch, über dem die Stiftungsworte des Herrn gesprochen werden, wird zum Blut Christi und geht durch den Mund in uns ein, verbindet sich mit uns. Christus gehört zu uns, wir gehören zu ihm, wir haben Gemeinschaft mit ihm, Koinonia, Kommunion. Jeder Christ, der diese Gabe des Herrn im Glauben empfängt, gehört zu Jesus – so, wie eine Hand, ein Fuß, eine Rippe oder eine Niere zum menschlichen Körper gehören. Im Abendmahl zeigt sich das Geheimnis des Leibes Christi.
Und dieses Geheimnis offenbart uns, dass die christliche Gemeinde mehr ist als eine Arztpraxis, wo der einzelne Bedürftige Heilung sucht und findet. Wenn wir Jesus mit einem Arzt vergleichen, müssen wir beachten, dass er eine viel engere Verbindung mit uns, den Patienten, eingeht, als ein wirklicher Arzt. Das Abendmahl macht deutlich: Christi Leben wird nun ein Stück von unserem Leben, unser Leben geht in Christi Leben auf. Wir sind seine Jünger, wir folgen ihm nach, wir tragen sein Kreuz, wir werden von ihm mitgerissen durch den Tod hindurch in die Auferstehung zum ewigen Leben. Das alles ist Kommunion in ihrer tiefen Bedeutung, und das alles tritt auf Erden nirgendwo stärker in Erscheinung als im Heiligen Abendmahl.
Nun hat diese wunderbare Gemeinschaft des Einzelnen mit dem Herrn Jesus Christus aber noch eine Auswirkung, die wir nicht übersehen dürfen: Über Christus haben wir Gemeinschaft mit all jenen, die ihrerseits mit ihm verbunden sind. Das macht der zweite Vers unseres Predigttexts deutlich: „Ein Brot ist's: so sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“ Gemeint ist hier nicht nur das Brot im Abendmahl, das zum Leib Christi wird, sondern gemeint ist hier das Lebensbrot Jesus Christus im umfassenden Sinn. Alle Christen haben Anteil am Lebensbrot Jesus Christus und werden so auch untereinander verbunden zu einem einzigen Organismus, zur christlichen Gemeinde und Kirche, zum Leib Christi, oder, wenn wir das Bild vom Brot weiter vertiefen, zu einem einzigen Brotlaib. Hand, Fuß, Rippe und Niere sind nicht nur über das Zentralnervensystem mit dem Haupt verbunden, sondern durch den Blutkreislauf auch untereinander sowie mit allen anderen Gliedern und Organen. Darum nennen wir uns auch Gemeinde-Glieder. Es ist gut, wenn wir uns an dieser Stelle nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch anpassen und von Mitgliedern der Kirche reden. Ein Verein hat Mitglieder, aber die Gemeinde hat Glieder. Die Gemeinde ist ebensowenig ein Verein wie eine Arztpraxis. Im Verein lässt ein gemeinsames Hobby oder Interesse die Mitglieder zusammenkommen; wenn es einem nicht mehr gefällt, kann er die Mitgliedschaft ruhen lassen oder austreten, das ist ganz normal. In der Kirche sind wir Glieder. Wir sind durch Christus zu einer unauflöslichen Gemeinschaft zusammengefügt; wir gehören zusammen wie eine Familie, ja, eigentlich sogar noch stärker als eine Familie, denn es ist eine Gemeinschaft für die Ewigkeit.
Lasst uns also auch diese Gemeinschaft untereinander bedenken, wenn wir an den Tisch des Herrn treten! Egal wie gut wir uns untereinander kennen oder wie sympathisch wir uns sind: Unsere Gemeinschaft, die wir miteinander haben, ist durch Jesu Leib und Blut intensiver, als wir das oft wahrhaben! Sie ist Kommunion, sie ist Koinonia, sie Gliedschaft an einem Leib.
Und sie ist auch größer, als wir das oft wahrhaben wollen: Wenn wir hier heute im kleinen Kreis gleich das Abendmahl feiern werden, so sind wir durch Christus doch mit vielen anderen verbunden, die es anderswo feiern. Zum Beispiel mit der jungen Missionsgemeinde in Berlin-Marzahn. Zum Beispiel mit den Buschmännern, die im Sand der Kalahari-Wüste knien und denselben Leib des Herrn und dessen Blut empfangen. Zum Beispiel mit vielen verfolgten Christen in islamistischen Ländern, die im Geheimen ihre Gottesdienste feiern müssen, immer mit der großen Sorge, entdeckt zu werden. Zum Beispiel mit Christen in Russland und der Ukraine, mit Christen in Amerika und Australien, mit Christen überall auf der Welt.
Und die Gemeinschaft des Leibes Christi, die wir im Heiligen Abendmahl feiern, geht sogar noch weiter, sie macht auch vor zeitlichen Grenzen nicht halt. Denn die Christen, die vor unserer Zeit Leib und Blut des Herrn empfingen und dann im Glauben entschlafen sind, die haben wir ja nicht verloren, die sind ja nicht abgetrennt vom Leib Christi, sondern die gehören ihm ewig. So überspringt die Kommunionsgemeinschaft auch Jahrzehnte und Jahrhunderte. Sie lässt uns eins sein mit Eltern und Großeltern, die im Glauben verstorben sind, mit geistlichen Vorbildern, mit mutigen Bekennern in der Anfangszeit der altlutherischen Kirche, mit Martin Luther und Philipp Melanchthon, ja, schließlich sogar mit den Christen der ersten Stunde: Wir sind ein Leib mit Petrus und Johannes, mit Paulus und Jakobus, mit Lydia und Maria, der Mutter Jesu. Eine unzählbar große Schar ist sie, die Kirche, die Gemeinde der Heiligen, sodass wir sie nicht statistisch erfassen, sondern nur glaubend bekennen könnnen: „Ich glaube an die eine, heilige christliche Kirche.“
Und wir, wir dürfen dazu gehören, Gott sei Dank. Zu Jesus, unserem Erlöser, und durch ihn zu allen anderen Gliedern an seinem Leib. Das alles zeigt und schenkt uns das Heilige Abendmahl. „So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“ Amen.
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